- Anzeige -
Persönliche Skills

Training für das Praxisteam

Die Kunst der Entschuldigung

Theresia Wölker

Nicht immer läuft in der Praxis alles rund und nicht in jedem Praxisteam können alle MFA mit Fehlern souverän umgehen. Möglicher Ärger mit Patientinnen fällt letztlich aber immer auf die Praxis und damit auf uns zurück. Grund genug, beim nächsten Teammeeting mal über Fehler zu sprechen – und wie man sich entschuldigt, wenn es schiefgegangen ist.

Eigene Fehler einzugestehen fällt niemals leicht. Und genauso schwierig kann es mitunter sein, anderen ihre Fehler zu verzeihen, ohne nachtragend und zickig zu sein. In der Folge gibt es im Beruf wie privat immer wieder brenzlige Situationen, die sich zuspitzen und in ein krachendes Gefühlsgewitter münden können – vergleichbar einem Vulkanausbruch, der nur verbrannte Erde hinterlässt. Und oft ist der Weg aus dem Chaos nur mit einem freundlichen „Es tut mir leid“ möglich.

Wie schnell sich ein Gesprächsklima rasch aufheizen kann, davon können gerade MFA ein Lied singen. Ein falsches Wort, nicht richtig hingehört, eine Klein­igkeit vergessen – und schon ist der Krach da: eine Disharmonie in der Kommunikation, bei der dann vorwiegend die Gefühle regieren. Und das liegt nicht nur an der eigenen Verfassung, oft sind es auch die Patientinnen, die unsere Mitarbeiterinnen mit allerlei „Nettigkeiten“ zur Weißglut bringen. Es gibt diese chronischen Ärgertage, wo alles querläuft und die Gelassenheit zum Teufel geht.

Aber alle sollten sich klarmachen: Ärger ist Gift in kleiner Dosierung, und wer nicht gegensteuert, verliert schnell die Balance, und schon ist sie dahin, die Impulskontrolle. Wenn starke Gefühle dominieren, dann ist es schnell vorbei mit der Selbstbeherrschung. Schlimmer noch: in der Wut kann sich der Mensch regelrecht zum „Rumpelstilzchen“ entwickeln:

• verbal mit lautem Wortwechsel,

• unvorsichtigen Bemerkungen,

• mimische Entgleisung,

• Nichtbeachten oder Nicht-zur-Kenntnisnehmen,

• herablassende Blicke,

• spöttische Gesten.

Das Schlimme daran: Ärger ist ansteckend. So vertreibt man gute Laune (und Patientinnen!) und produziert eine gefährliche Situation, die nicht einfach aus der Welt zu schaffen ist. Der Gesprächspartner ist irritiert, verletzt und beleidigt. Die nonverbale Kommunikation (also die Sprache ohne Worte) kann mehr reizen als wüstes Schimpfen. Oft wissen die Verursacher gar nicht, welche Wut und Enttäuschung sie bei Dritten auslösen. Verletzende Situationen sind alltäglich in vielen Situationen zu beobachten.

Tatort Praxis

Gerade kranke Menschen sind empfindsam, wenn nicht gar empfindlich. Wenn wir uns vor Augen führen, dass für die meisten unserer Patientinnen der Praxisbesuch immer noch ein besonderes ­Ereignis ist, ist klar, dass die Erwartungshaltung bei den meisten sehr hoch sein muss. Treffen eine gestresste Praxismitarbeiterin und eine anspruchsvolle Patientin in hektischer Atmosphäre aufeinander, dann kann es rasch zu negativen Schwingungen kommen, die sich von Vorzimmerquerelen zu offen aggressivem Verhalten steigern können.

Die Ursachen solch schwieriger Praxissituationen sind vielfältig. Auslöser sind z. B. Patientinnen mit Mangel an guten Manieren, übersteigerten Ansprüchen und forderndem Verhalten, aber auch der Verlust des „Höflichkeitsschutzschildes“ bei unseren Mitarbeiterinnen und das Unvermögen, mit kritischem Verhalten gelassen und gekonnt umzugehen. Die Folge sind aufziehender Ärger, interkollegialer Streit und schließlich manifestierte Konflikte zu Hause oder im Team.

Dabei muss klar sein: In der Frauenarztpraxis sollte die gelassene Diplomatie zu Hause sein, mit deren Hilfe die Kommunikation auch unter erschwerten Bedingungen gemeistert wird. Das gilt auch an „Großkampftagen“ – etwa viele Notfallpatientinnen und gleichzeitig Quartalswechsel. Die Kunst sich bedauernd äußern zu können und eine (ehrlich gemeinte) Entschuldigung anzubringen, ist ein Zeichen von Stil und Klasse.

Dazu kommt: Heftige Wortwechsel haben in der Arztpraxis rasch unerwünschte Zuhörer. Ein gutes Praxisteam wird also immer dafür sorgen können, dass das klimatische Gleichgewicht hergestellt wird. Ganz gleich, ob das „Verschulden“ der gewittrigen Atmosphäre von einer Patientin oder einem Teammitglied ausging. Wer kein Pardon kennt, verschenkt die Chance, auf elegante Weise wieder ins Gespräch zu kommen. Nur ein einlenkendes Wort („Ich kann Ihren Ärger verstehen“) oder eine echt gemeinte Entschuldigung („Da ist mir ein Fehler passiert, das tut mir leid!“) bringt wieder Balance in das Gesprächsklima. Denn wer verärgert oder verletzt ist, ist rationalen Argumenten nicht zugänglich.

Darum ist es klug, und nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen (Patientenpflege) notwendig, sich entschuldigen zu können. Aber so einfach ist das nicht mit dem „Verzeihen Sie bitte!“. Weil ein versöhnlicher Neuanfang immer auch etwas mit dem eigenen Selbstwertgefühl zu tun hat. Habe ich als Patientin noch eine „offene Rechnung“ mit der Praxis oder einer bestimmten Mitarbeiterin, dann kann der berühmte Tropfen schon das Fass zum Überlaufen bringen. Dann reicht oft eine kurze Bemerkung, und die Patientin explodiert. Und besonders gerne lassen manche Patientinnen ihren Zorn gerade bei der Mitarbeiterin am Empfang oder am Telefon aus. Dann braucht es viel Einfühlungsvermögen, Flexibilität und ein gekonntes Ausdrucksrepertoire, sie zu beschwichtigen.

Andererseits wird auch eine innerlich angespannte MFA, die Probleme hat – aus welchen Gründen auch immer –, sich schwer tun, sich für eine Situation zu entschuldigen, die sie gar nicht oder nur zum Teil mitverschuldet hat. Ist das Selbstwertgefühl angeknackst, fällt es nicht leicht, die Initiative zu ergreifen und für einen raschen und positiven Stimmungswechsel zu sorgen. Es ist einfacher den anderen abzustrafen und die Rolle des „Opfers“ einzunehmen. Die andere ist die „Böse“ oder überhaupt sind die Patientinnen schuld, warum soll ausgerechnet ich mich entschuldigen?

Aber Schweigen und Schmollen sind nicht nur kindliches Verhalten, sondern auch eine Art „emotionaler Erpressung“. Man entzieht dem Gegenüber die Aufmerksamkeit und Beachtung und „lässt ihn auflaufen“. Das ist Psychoterror auf subtile Art und hat in einem verantwortungsbewussten Praxisteam nichts verloren. Es geht nicht darum, wer recht hat, sondern was richtig und angemessen ist. Ebenso wenig helfen unbeherrschte und manchmal endlose Diskussionen, die zu nichts als zu weiterem Ärger führen und die Situation eskalieren lassen.  Der alte Satz „Wer schreit, hat unrecht“ gilt immer noch. Wer sich aufregt, bekommt eine ungesunde Gesichtsfarbe.

Sich entschuldigen zu können, ist immer ein Zeichen von professioneller sozialer und kommunikativer Kompetenz: Die Situation und die Gesprächspartner beruhigen sich, ein vernünftiger Umgangston ist wieder möglich. Die Empörung, die ein Konflikt ausgelöst hat, wird durch eine Bitte um Verzeihung gemildert.

Es erfordert Mut und Courage – auch von Ihnen als Praxischef –, die vielen kleinen und großen Quellen des Praxisärgers trocken zu legen. Tagtäglich begegnen wir Patientinnen, die durch irgendwelche Vorkommnisse in Rage kommen, für die das Praxisteam oftmals gar keine Schuld trägt. Eine Entschuldigung wirkt trotzdem Wunder. Die Patientin spürt das Friedenssignal und die Bereitschaft, zu einer zufriedenstellenden Klärung der Situation. Dafür wird sie dankbar sein.

Dazu braucht es die Kraft, Konflikte konstruktiv zu lösen und die Fähigkeit, aktiv die Stimmung in der Praxis zu managen. Reden Sie mit Ihrem Team darüber, wie man den kontinuierlichen Abbau von Ärger- und Energiefallen verbessern kann. Vielleicht bieten Sie auch einmal ein Gesprächstraining und Aussprachemöglichkeiten in der Teambesprechung an. Wenn Sie sich ein Praxisteam zwischen Stressfreiheit und Gelassenheit wünschen, können Sie eine ganz Menge selbst dafür tun. Lob und Anerkennung streicheln die Seele, und wenn Sie ein gutes Vorbild sind, werden Ihre Mitarbeiterinnen Ihnen schnell folgen.

Die Autorin

Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, ­Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)

www.theresia-woelker.de

Bildnachweis: Sentavio (iStockphoto); privat

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt