Bei Mykosen sind vielfältige differenzialdiagnostische Erwägungen nötig. Wichtig ist auch die Abklärung eines endogenen Erregerreservoirs. Bis ein mikrobiologisches oder histologisches Diagnoseergebnis vorliegt, kann im Sinne eines polypragmatischen Behandlungsansatzes ein potentes Steroid Abhilfe schaffen.
Jeder Hautbefund erzählt eine Geschichte, die es herauszulesen gilt. Die Deutung der Einzeleffloreszenzen, deren Manifestation und ihre Verteilung sind oftmals aufschlussreicher als die Anamneseerhebung. Gerade in der Thematik der Ekzeme und Mykosen können vor dem Hintergrund der grundsätzlich ähnlichen Morphe der erythrosquamösen Plaques schon diskrete Indizien helfen, primär die richtige Diagnose zu stellen. So sind beispielsweise Symmetrie und Prädilektionsstellen im Bereich der Unterschenkel hinweisend auf eine Stauungsdermatitis, eine Manifestation an den Extremitätenbeugen ist ein untrügliches Indiz für die atopische Dermatitis und rundliche papulovesikulöse Herde der unteren Extremitäten deuten auf ein nummuläres Ekzem hin. Hinter anulär und randbetont konfigurierten erythrosquamösen Plaques verbirgt sich oft eine Tinea, und artifiziell konfigurierte juckende Plaques an ungewöhnlichen Manifestationsorten können für ein Kontaktekzem sprechen. In den meisten Fällen sind Entzündung und mikrobielle Besiedelung oder Infektion die beteiligten Komponenten, sei es jeweils primär oder sekundär. Dem sollte auch der kalkulierte primäre therapeutische Ansatz Rechnung tragen, zumindest bis zum Eintreffen mikrobiologischer oder histologischer Diagnostikergebnisse. Mit einem potenten Steroid lassen sich Rötung, Infiltration und Juckreiz oder Brennen rasch lindern, ein Antibiotikum kann relevante Bakterien abtöten und ein effektives Antimykotikum begegnet potenziell ursächlichen Mykoseerregern. Präparate mit synergistischer Fixkombination enthalten das Klasse-II-Steroid Flupredniden sowie das Breitspektrumsteroid Miconazol, das nicht nur antimykotisch, sondern gleichzeitig antibiotisch gegen grampositive Bakterien wirkt.
Anamnese
Eine 62-jährige U-Bahn-Fahrerin hatte acht Wochen vor Vorstellung in der Hausarztpraxis an ihrem rechten Unterschenkel entzündliche, kaum juckende Hauterscheinungen bemerkt. Vom Arzt wurde ihr wegen des Verdachts auf ein Stauungsekzem ein lokales Klasse-III-Steroid verordnet. Darunter wäre der Hautbefund zwar insgesamt blasser geworden, aber die Ausbreitung in der Fläche hätte diese Behandlung nicht verhindert. Aktuell hinsichtlich der Nägel befragt, bestätigte sie die ärztliche Vermutung, dass sie – um gelbweiße Nagelverfärbungen zu verbergen – einen kosmetischen Nagellack aufgetragen hätte. In ihrer Freizeit sei sie passionierte Saunagängerin. Einige Wochen zuvor habe sie entzündlich schuppende Hautveränderungen zwischen den Zehen „mit einer Fußpilzcreme einer Saunafreundin wegbekommen“.
Hautbefund
Nahezu in der gesamten Zirkumferenz des rechten Unterschenkels fielen bis
8 cm im Durchmesser große, bogig begrenzte, moderat entzündliche Plaques auf. Teils konfluierten diese, teils fanden sich Satellitenläsionen. Auffällig war eine Randbetonung der Hautläsionen. Am übrigen Integument, insbesondere am anderen Unterschenkel, fanden sich keine weiteren Plaques. Die Zehennägel waren wegen eines roten kosmetischen Nagellacks nicht beurteilbar. Die Fingernägel und die Interdigitalräume waren unauffällig (Abb. 1–4).
Weiterführende Untersuchung
Die mykologische Untersuchung von Hautspänen des Unterschenkels mithilfe der Kalilauge(KOH)-Nativmikroskopie verlief positiv. Bei der anschließenden Kultivierung auf Sabouraud-Agar wurde Trichophyton violaceum nachgewiesen. Die Ergebnisse der Routinelaboruntersuchung, der Blutglucosespiegel und der HbA1c-Wert waren unauffällig.
Therapie und Verlauf
Durch das Ergebnis der mykologischen Diagnostik wurde der klinische Verdacht einer Tinea cruris bestätigt. Es gelang der Erregernachweis von Trichophyton violaceum. Schon im sofort durchgeführten KOH-Nativpräparat waren Pilzelemente erkennbar gewesen. Aus diesem Grund wurde eine Lokaltherapie mit einer Creme mit Flupredniden und Miconazol eingeleitet. Schon eine Woche später war der inflammatorische Aspekt gemäß telefonischer Mitteilung der Patientin weitgehend abgeklungen, die Behandlung wurde plangemäß auf die Lokalbehandlung mit Miconazol umgestellt und diese bis zur vollständigen Abheilung fortgeführt. Mit der Patientin wurde vereinbart, sich ohne kosmetischen Zehennagellack erneut vorzustellen, um gegebenenfalls das Erfordernis einer systemischen antimykotischen Behandlung, dann vorrangig mit Terbinafin in einer Dosierung von 250 mg pro Tag per os, einzuschätzen.
Diskussion
Die Differenzialdiagnosen erythrosquamöser Plaques im Bereich der Unterschenkel sind zahlreich: Häufig handelt es sich um die zumeist bilateral auftretende Stauungsdermatitis, bei der aber auch Ödemneigung und Varikosis eruierbar sind. Bei der Psoriasis sind zumeist Knie und Ellenbogen Prädilektionsstellen, die Plaques sind scharf begrenzt und zeigen eine entzündlich schuppende Betonung des Zentrums der Läsionen. Die Necrobiosis lipoidica ist selten und betrifft die streckseitigen Unterschenkel mit eher braunroten flachen Plaques. Bei der atopischen Dermatitis sind neben den sehr zur Xerosis cutis neigenden Unterschenkelstreckseiten vor allem die Extremitätenbeugen betroffen; außerdem besteht ein starker Pruritus. Für die Diagnose einer Tinea sprachen im vorliegenden Fall der einseitige Befall und die typische entzündliche Randbetonung mit den bogigen Plaqueausläufern entsprechend der zentripetalen Ausdehnung einer Dermatophytose. Der rote Nagellack auf den Fußnägeln verhinderte die Beurteilung, allerdings wiesen hier anamnestische Angaben der Patientin auf die Tinea unguium hin. Nicht selten ist eine antimykotische topische Laienbehandlung der Zehenzwischenraummykose – ohne gleichzeitige Therapie der Nagelmykose als Erregerreservoir – vorausgegangen. Eine Mykose kann sich so, zumeist über Autoinokulation, ausbreiten.
Für die kalkulierte Erstbehandlung wurde ein Fixkombinationspräparat aus Flupredniden und Miconazol eingesetzt. Diese Entscheidung diente dem schnellstmöglichen Therapiebeginn bei noch ausstehenden mikrobiologischen Diagnostikergebnissen im Sinne eines polypragmatischen Behandlungsansatzes. Das in der fixen Wirkstoffkombination enthaltene Klasse-II-Steroid Flupredniden konnte jegliche Form der Inflammation unabhängig von der Ursache erfolgreich zurückdrängen. Das Miconazol als Breitspektrumantimykotikum ist gleichsam wirksam gegen Dermatophyten und Hefen. Außerdem wirkt Miconazol effektiv gegen grampositive Bakterien. Gelegentlich wird die Sinnhaftigkeit einer die antimykotische Therapie begleitenden Steroidtherapie angezweifelt. Tatsächlich wird heutzutage eine derartige Kombinationstherapie wissenschaftlich gänzlich neu bewertet: Das Steroid verhilft zu einer raschen Rückbildung von Erythem, Infiltrat und Juckreiz. Der antimykotische Wirkstoff kann durch die Ödemreduktion besser penetrieren und wird durch die Verminderung der Hyperämie auch weniger rasch vom Wirkort abtransportiert. Im vorliegenden Fall wurde Trichophyton violaceum isoliert. Diese Spezies ist in Afrika endemisch und dort häufigster Erreger von Tinea pedis bei Erwachsenen und von Tinea capitis et corporis bei Kindern (Abb. 5–8).
Als Einwanderungspilz kommt der Dermatophyt über die Migration zunehmend auch nach Europa – mit ansteigenden Fallzahlen. Möglicherweise besteht phylogenetische Verwandtschaft mit Trichophyton rubrum, dem ansonsten weltweit führenden Erreger von Tinea pedis. Während bei der Tinea pedis die antimykotische Lokaltherapie ausreichend ist, erfordern sowohl die fortgeschrittene Onychomykose als auch die anthropophile Tinea capitis eine antimykotische Systemtherapie. Terbinafin ist das Antimykotikum der Wahl, doch auch Fluconazol und Itraconazol sind wirksam. Die Dermatophytose des Unterschenkels wird als Tinea cruris bezeichnet. Im angloamerikanischen Sprachraum allerdings wird unter Tinea cruris fälschlicherweise die inguinale Mykose, also die Tinea inguinalis, verstanden. Gelegentlich kann die Symptomatik einer Tinea cruris bei vorbestehender Stauungsdermatitis schwerer zu erkennen sein und sich als Tinea incognita durch Fehldiagnose und monotherapeutische Fehltherapie weiter ausdehnen. Bei Tinea pedis und gleichzeitiger Stauungsdermatitis sollte stets der ganze Unterschenkel lokal antimykotisch mitbehandelt werden, zumal die venöse Insuffizienz eine gewisse Prädisposition für die Dermatophytose darstellt.
FAZIT: Entzündliche Hauterscheinungen an den Unterschenkeln erfordern vielfältige differenzialdia- gnostische Erwägungen. Dabei zählt die Tinea cruris zu den häufigeren Dermatophytosen. Wichtig ist die Abklärung eines etwaigen endogenen Erregerreservoirs, wie es zumeist eine Tinea pedis darstellt. Aber auch Fremdinokulation, z. B. in Saunen oder Schwimmbädern, ist möglich. Reisefreiheit, Massentourismus und Migration begründen einen sichtbaren Erregerwandel und das Auftreten neuer Pilzspezies in Europa.
Der Experte
Dr. med. Viktor Alexander Czaika
Facharzt für Dermatologie,
Venerologie und Innere Medizin
Bruno-Bügel-Weg 16
12439 Berlin
Literatur beim Autor
Bildnachweis: privat