Eine Überempfindlichkeit gegen Betalaktam-Antibiotika führt zu erheblichen therapeutischen Einschränkungen. Doch bei vielen Betroffenen, die über eine Penicillinallergie berichten, erweist sich das Medikament in der allergologischen Abklärung als sicher. Delabeling-Strategien sind daher nötig.
Patientinnen und Patienten geben in der Arztpraxis häufig an, dass sie eine „Penicillinallergie“ haben, ohne dass diese allergologisch gesichert wurde. Eine vermeintliche Penicillinallergie in der Anamnese sollte jedoch allergologisch abgeklärt werden – am besten proaktiv, noch bevor Antibiotika tatsächlich benötigt werden. Bei rund 90 % führe die allergologische Diagnostik zu einem Delabeling, es stelle sich also heraus, dass keine Penicillinallergie vorliege, so Prof. Dr. med. Bettina Wedi (Hannover).
Noch kein State of the Art
Für das Delabeling gäbe es jedoch kein State of the Art, erläuterte Wedi. Das leitliniengerechte Vorgehen bei der Diagnostik von Überempfindlichkeitsreaktionen auf Arzneimittel sehe vor, dass zunächst eine Haut- und/oder Labortestung erfolgt. Ist eine sichere Identifizierung des Auslösers dadurch nicht möglich, sollte nach Nutzen-Risiko-Abwägung eine kontrollierte Provokationstestung angestrebt werden, welche als Goldstandard in der Abklärung einer vermuteten Überempfindlichkeitsreaktion auf Arzneimittel gilt.
Auch in einem aktuellen Positionspapier der EAACI (European Academy of Allergy & Clinical Immunology) werden grundsätzlich Hauttestungen vor einer Arzneimittelprovokation empfohlen. Bei niedrigem Risiko ist dem Positionspapier zufolge jedoch auch eine direkte Provokation gerechtfertigt.
Strategien, die ein Delabeling bei vermeintlicher Penicillinallergie bei Niedrig-Risiko-Gruppen durch einen direkten oralen Provokationstest vereinfachen sollen, werden intensiv diskutiert [1]. Dazu zähle beispielsweise ein Delabeling durch einen direkten Provokationstest im Zuge eines präoperativen Managements oder in Arztpraxen von Nicht-Allergologen, berichtete Wedi. Es sei allerdings nicht klar definiert, wann ein niedriges Risiko vorliegt.
Studiendaten haben gezeigt, dass eine direkte Provokation problematisch sein könne, so Wedi. In einem systematischen Review konnte zwar bei 96 % ein erfolgreiches Delabeling einer Allergie gegen Betalaktam-Antibiotika erfolgen [2]. Allerdings kam es bei immerhin 95 (0,3 %) der Getesteten zu anaphylaktischen Reaktionen. Ohne vorherige Hauttestung war das Risiko für positive Provokationen mehr als doppelt so hoch (8,8 vs. 4,1 %).
Interessanterweise zeigte sich in Studien mit einer Nachbeobachtungsphase, dass rund ein Fünftel trotz Delabeling Betalaktam-Antibiotika weiterhin mieden. Hier sei noch einige Aufklärungsarbeit zu leisten, betonte Wedi.
Um ein sicheres Delabeling zu gewährleisten, sei eine standardisierte Risikostratifizierung zu fordern, betonte Wedi, gerade wenn ein Delabeling durch Nicht-Allergologen angestrebt wird.
Prof. Dr. med. Bettina Wedi: Hot Topic „Medikamentenallergien”, Allergo Update, Berlin (hybrid), März 2024