Erstmals konnten anhand von Daten einer longitudinal angelegten Studie zerebrale MRT-Befunde vor und nach COVID-19 bei denselben Personen und mit einer Kontrollgruppe Nicht-Infizierter verglichen werden. Untersucht wurden 785 Personen der UK Biobank. Es zeigte sich bei den Infizierten ein Rückgang im orbitofrontalen Kortex sowie eine Abnahme der Gesamthirnmasse.
Bereits leichtere Verläufe einer SARS-CoV-2-Infektion können zu Auffälligkeiten der Gehirnstruktur führen, das ergab eine Studie [1], die kürzlich in der Zeitschrift Nature publiziert wurde. Die Studie wurde im Rahmen der longitudinalen UK Biobank Imaging Study [2] erhoben, bei der seit 2006 nach standardisierten Protokollen bei über 40.000 Menschen (> 45 Jahre) eine multimodale zerebrale MRT-Untersuchung durchgeführt wurde. Aufgrund der Pandemie pausierte die UK Biobank Imaging Study zunächst, doch ab Februar 2021 wurden wieder Teilnehmende zu einem weiteren MRT-Scan eingeladen. Viele der Probanden hatten zwischenzeitlich eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht.
Verschlechterungen der kognitiven Leistung
Für die Studie fanden sich 785 geeignete Personen in der UK Biobank (Alter 51 – 81), bei denen zwei zerebrale MRT-Untersuchungen durchgeführt wurden waren. 401 Personen hatten zwischen den beiden Scans eine SARS-CoV-2-Infektion erlitten, 15 von ihnen waren stationär behandelt worden. Durchschnittlich lagen zwischen der Infektionsdiagnose und dem zweiten Scan 141 Tage. Die Kontrollgruppe umfasste 384 nicht an COVID-19 erkrankte Personen. In beiden Gruppen lag das Intervall zwischen den beiden Gehirnscans im Mittel bei 3,2 ± 1,6 Jahren. Zudem waren die Gruppen umfassend gemachted: Es gab also keine signifikanten Unterschiede bei z. B. Alter, Geschlecht, Ethnizität, mittlerem Blutdruck, Diabetes mellitus, BMI, Alkohol- und Nikotinkonsum oder dem sozioökonomischen Status. Bei den Probanden mit einer SARS-CoV-2-Infektion zeigten sich signifikante longitudinale Effekte bzw. MRT-Veränderungen. Dazu gehörten eine Abnahme grauer Substanz und eine Verringerung des Gewebekontrasts im orbitofrontalen Kortex (Hirnrinde im vorderen Bereich über den Augenhöhlen) und im sogenannten parahippocampalen Gyrus (Teil des im Schläfenlappen gelegenen limbischen Systems). Außerdem ließen sich neben einer stärkeren Abnahme der Gesamthirnmasse Gewebeveränderungen bzw. -schäden in Hirnregionen nachweisen, die funktionell mit dem primären Riechkortex verbunden sind. Auch in kognitiven Tests zeigten sich Veränderungen: Die zwischenzeitlich an SARS-CoV-2-Infizierten wiesen deutlich mehr Verschlechterungen auf als die Nicht-Infizierten aus der Kontrollgruppe. Offen blieb allerdings, ob diese Veränderungen reversibel sind. Wenn die 15 Teilnehmenden, die wegen COVID-19 hospitalisiert waren, nicht in die Statistik einbezogen wurden, blieben die longitudinalen Gruppenunterschiede (in Bildgebung und Kognition) bestehen.
Forschungsbedarf hinsichtlich der Gehirnveränderungen
Abschließend stellten die Autoren der Studie fest, dass der Pathomechanismus SARS-CoV-2-assoziierter Gehirnveränderungen weiter erforscht werden müsste. Weiterhin diskutierten sie eine Verbreiterung des Virus über olfaktorisch-neuronale Wege und mögliche entzündliche Vorgänge. Außerdem gaben sie zu Bedenken, dass der Wegfall des sensorisch-olfaktorischen Inputs aufgrund des Verlustes des Geruchssinns (Anosmie) indirekt strukturelle Veränderungen verursacht haben könnte.
[1] Douaud G et al.; Nature 2022 Mar 7. doi: 10.1038/s41586-022-04569-5. Online ahead of print
[2] https://www.ukbiobank.ac.uk/explore-your-participation/contribute-further/imaging-study