Auch wenn die aktuelle COVID-19-Welle zurückgeht, bleibt die Lage kritisch, denn viele Menschen sterben weiterhin an der Infektion. Bislang gibt es lediglich für eine kleine Patientengruppe eine bedingte Zulassung für die Behandlung mit Remdesivir ¬‒ umso dringender ist ein Therapiebedarf, der jedoch immer greifbarer wird.
Neben den Impfungen trägt eine erfolgreiche Therapie von COVID-19 zur Entlastung des Gesundheitssystems bei. In den USA wurden von der FDA (Food and Drug Administration) bereits Notfallzulassungen für Kombinationen neutralisierender Antikörper erteilt. Die ersten Antikörper-Kombinationen sind Casirivimab und Imdevimab sowie Bamlanivimab und Etesevimab. Auch Einzel-Antikörper wie GSK4182136 und Regdanvimab befinden sich in Untersuchung.
Das Wirkprinzip der Präparate ist stets ähnlich: Antikörper haben die Fähigkeit, sehr spezifisch an Ziele zu binden. Die genannten Therapien binden an das Spike-Protein des SARS-CoV-2-Virus. Dadurch kann das Virus nicht mehr in Körperzellen eindringen, und dessen Vermehrung wird unterbunden. Studien bestätigen die Wirksamkeit: In der Phase-II/III-Studie REGN-COV 2067 waren Patienten mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf eingeschlossen. Sie erhielten entweder die Antikörper-Kombination aus Casirivimab und Imdevimab oder ein Placebopräparat. Das Risiko für Hospitalisierung oder Tod war unter der Antikörper-Kombination gegenüber Placebo signifikant um 70% reduziert. Die mittlere Symptomdauer verkürzte sich von 14 auf 10 Tage. Des Weiteren konnte die Phase-II-Studie REGN-COV 20145 mit symptomatisch oder asymptomatisch erkrankten COVID-19-Patienten mit niedrigem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zeigen, dass die Kombination aus Casirivimab und Imdevimab die Viruslast signifikant reduziert. Die Antikörper binden nicht kompetitiv an unterschiedliche Epitope des Spike-Proteins. Dadurch ist eine anhaltende Wirksamkeit auch im Falle einer Mutation des Virus sehr wahrscheinlich, was das Paul-Ehrlich-Institut bestätigte.
Eine frühe Identifikation der Risikopatienten ist entscheidend, denn die Therapie funktioniert zu Beginn einer Infektion (innerhalb von 10 Tagen nach Symptombeginn) besonders gut. Patienten mit hohem Risiko für einen schweren Verlauf profitieren am meisten. Zu den Risikofaktoren zählen: fortgeschrittenes Alter, Adipositas, kardiovaskuläre Erkrankungen, chronische Lungenerkrankungen, Diabetes mellitus Typ 1 oder 2, chronische Nierenerkrankungen, chronische Lebererkrankungen und Immunsuppression.
Das Bundesgesundheitsministerium hat die Arzneimittel zentral beschafft und stellt diese kostenlos für Behandlungen zur Verfügung. Die Behandlungsoption steht allen Ärzten als „individueller Heilversuch“ offen. Es handelt sich um eine Einmalinfusion mit Nachbeobachtung von einer Stunde. Die Details zu den Zuständigkeiten und Abrechnungen sind im Bundesanzeiger rechtskräftig veröffentlicht. Bislang liegt jedoch für keine der Therapien mit neutralisierenden Antikörpern eine Zulassung der EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) vor. Allerdings hat der CHMP (Committee for Medicinal Products for Human Use) „scientific opinion“ für die Kombinationen ausgesprochen, was eine nationale Lösung ermöglicht.
Chefarzt
Klinik für Innere Medizin I - Gastroenterologie, Hämatologie, Onkologie, Palliativmedizin, Hämostaseologie, Nephrologie,
Infektiologie und Pneumologie
Städtisches Klinikum Dessau
06847 Dessau-Roßlau
Wie erfolgt die Abrechnung für Privatärzte/Hausärzte?
Die Monoklonalen Antikörper Casirivimab/ Imdevimab sind kostenfrei vom Bundesministerium für Gesundheit erhältlich. Die Infusion der Antikörper wird zusätzlich vergütet.
Ab wann ist mit einem deutschlandweiten Einsatz der Medikamente zu rechnen?
Casirivimab/ Imdevimab sind bereits jetzt vom Bundesministerium für Gesundheit bzw. ausgewählten Apotheken erhältlich und können eingesetzt werden.
Ist der Einsatz auch bei asymptomatischen Patienten sinnvoll, um die Viruslast zu senken?
Monoklonale Antikörper können schwere Verläufe einer COVID-19 Erkrankung verhindern, wenn man sie in den ersten 7 Tagen nach Beginn der Beschwerden einsetzt. Grundsätzlich werden Casirivimab/ Imdevimab bei Risikopatienten eingesetzt, d.h. Menschen im Alter > 65 Jahre oder Alter > 55 Jahre mit Adipositas, Bluthochdruck, Blutzucker, Atemwegserkrankung, Nierenschwäche, durch Medikamente ausgelöste Abwehrschwäche oder Erkrankungen, Herzerkrankung oder Krebserkrankung.
Literatur bei der Redaktion