Seit Monaten wird darüber berichtet, dass aussichtsreiche Totimpfstoff-Kandidaten gegen SARS-CoV-2 möglicherweise bald ihre Zulassung in Europa erhalten. Insbesondere Impfskeptiker warten darauf, um sich erstimpfen lassen zu können. Macht das Sinn? Ein erster Impfstoff erhielt derweil Ende 2021 die Zulassung.
Seit Monaten wird darüber berichtet, dass aussichtsreiche Totimpfstoff-Kandidaten gegen SARS-CoV-2 möglicherweise bald ihre Zulassung in Europa erhalten. Insbesondere Impfskeptiker warten darauf, um sich erstimpfen lassen zu können. Macht das Sinn? Ein erster Impfstoff erhielt derweil Ende 2021 die Zulassung.
Totimpfstoffe umfassen aktive Impfstoffe, die zwar Erregerbestandteile oder Erreger-Erbinformationsteile enthalten, aber keine vermehrungsfähigen, abgeschwächten Erreger darstellen. Gegen Viren gerichtete Totimpfstoffe können aus verschiedenen Komponenten aufgebaut sein. Sie können ganze, etwa durch Bestrahlung oder Chemikalien abgetötete, Erreger enthalten (Ganzkeim-Impfstoffe), einzelne Erregerbestandteile, z. B. Teile der Hülle oder andere antigene Strukturen (Subunit-, Komponenten-, Protein-Impfstoffe), oder virusähnliche Partikel (virus-like-particles, VLP) verkörpern. Auch mRNA-basierte sowie Vektor-basierte Impfstoffe gegen COVID-19 stellen Totimpfstoffe dar, da sie keine vermehrungsfähigen Erreger enthalten. Trotz der hohen Wirksamkeit und der Masse an Sicherheitsdaten aus der Erfahrung mit bereits allein in Deutschland verabreichten 148 010 358 COVID-19-Impfdosen (Datenstand 29.12.2021) bestehen bei Impfskeptikern Bedenken gegen die neuartigen mRNA- und Vektor-basierten Impfstoffe. Die Hoffnung auf einen klassischen Ganzkeim-, Subunit- oder VLP-basierten Totimpfstoff ist daher groß.
Es wird argumentiert, dass diese klassischen Totimpfstoffe den Vorteil einer breiteren Immunantwort (insbesondere Ganzkeim-Impfstoffe) bieten und keine Erbinformation des Virus enthalten. Mit dieser Art von Impfstoffen gibt es bereits jahrzehntelange Erfahrungen. Jedoch ist die Anregung des Immunsystems zur Antikörperbildung und der zellulären Immunantworten oftmals schwächer, weshalb Adjuvanzien als Wirkverstärker zugesetzt werden (Abb.). Das Herstellungsverfahren dieser Impfstoffe ist zudem aufwendiger und eine Massenproduktion somit schwieriger als bei mRNA-Impfstoffen.
Mehrere klassische Totimpfstoffe befinden sich im Zulassungsverfahren im Zuge eines Rolling Reviews. Einer wurde Ende Dezember 2021 zugelassen – der Protein-Impfstoff NVX-CoV2373 von Novavax, der als Antigen das Volllängen-Präfusions-Spike-Protein in Form von VLP und das Adjuvans Matrix-M1 auf Saponin-Basis enthält. Die Wirksamkeit beträgt nach einer Phase-III-Zulassungsstudie mit knapp 30 000 Menschen in den USA und Mexiko 90,4 %.
Das Vakzin von Sinovac umfasst einen abgetöteten SARS-CoV-2-Virus mit Aluminiumhydroxid als Adjuvans. In Studienergebnissen schwankt die Schutzwirkung zwischen 50 % bis über 90 %. Der Impfstoff von Sinopharm basiert ebenfalls auf einem inaktivierten SARS-CoV-2-Stamm, der auf Verozelllinien gezüchtet wurde, und in einer Phase-III-Zwischenauswertung eine Wirksamkeit von 79 % zeigte.
Die Impfstoffe VLA2001/VLA2101 von Valneva stellen ebenfalls Ganzkeim-Impfstoffe dar, die als Wirkverstärker Aluminiumhydroxid und CpG1018 enthalten. CpG1018 ist ein neuartiges Adjuvans, das am Toll-like Rezeptor 9 (TLR9) bindet und so die Antigen-präsentierenden Zellen stimuliert. Es ist in einem neuen Hepatitis-B-Impfstoff, der in Deutschland noch nicht auf dem Markt ist, zugelassen.
Sanofi Pasteur entwickelt einen Protein-basierten, adjuvantierter Impfstoff. Medicago hat in Zusammenarbeit mit GlaxoSmithKline, die das squalenhaltige Öl-in-Wasser Adjuvans AS03 (bekannt aus Influenza-Impfstoffen) zur Verfügung stellt, den VPL-basierten Impfstoff CoVLP seit März 2021 in einer Phase-III-Zulassungsstudie.
Zusammenfassend stellen Totimpfstoffe auf Ganzkeim-, Protein- oder VLP-Basis einen vielversprechenden klassischen Ansatz der Impfstoffherstellung gegen SARS-CoV-2 dar, die als Vorteile die langjährige Erfahrung bei relativ gutem Sicherheitsprofil und hoher Praktikabilität bieten, deren Wirksamkeit aber schwächer ist und durch Adjuvanzien verstärkt werden muss. Da das individuelle Immunsystem verschieden stark auf Adjuvanzien und die unterschiedlichen antigenen Strukturen gerade im Ganzkeim-Impfstoff reagieren kann, sind Nebenwirkungen zu erwarten. Da bei fast allen Protein-basierten Impfstoffen die Spike-Komponente die hauptsächliche antigene Struktur darstellt, ist nicht unbedingt von einer breiteren Immunantwort als bei den mRNA- und Vektor-basierten Impfstoffen auszugehen, die ebenfalls die Erbinformation für das Spike-Protein enthalten. Immunologisch gesehen eignen sich die Impfstoffe als Primär- und Booster-Impfung, die Vor- und Nachteile eines heterologen Impfschemas erfordern aber noch eine zusätzliche Evaluation. Für die vierte Welle der Pandemie kommen aber die eingereichten Zulassungen für Ganzkeim- und Protein-Impfstoffe mit Verzug, weshalb dringend davon abgeraten werden muss, mit einer Erstimpfung auf die Zulassung bzw. Markteinführung zu warten.
Totimpfstoffe beruhen auf inaktivierten Viren oder Virusbestandteilen und benötigen meist Adjuvanzien als Wirkverstärker. Es wird postuliert, dass insbesondere auf inaktivierten SARS-CoV-2-Viren basierende Vakzine, eine breitere Stimulation des Immunsystems erzeugen als mRNA- und Vektor-Impfstoffe, die „nur“ den Bauplan für das Spike-Protein liefern. Im Zuge der fünften Coronawelle stellt sich nun die Frage nach der Wirksamkeit von Totimpfstoffen gegen die Omikron-Variante.
Der Ende 2021 von der EMA bedingt zugelassene Volllängen-Präfusions-Spike-Protein-Impfstoff NVX-CoV2373 von Novavax und alle zurzeit in Studienphasen befindlichen Totimpfstoffe beruhen auf dem ursprünglichen SARS-CoV-2-Typ oder früheren Varianten. Studien zur Wirksamkeit neutralisierender Antikörper von mit Totimpfstoff gegen die Omikron-Variante Geimpften sind zum Teil ernüchternd. Chinesische Forscher konnten anhand von 25 Seren von kürzlich mit dem Totimpfstoff von Sinovac Geimpften zeigen, dass keine der Seren neutralisierende Antikörper gegen Omikron enthielt, während bei 25 mit dem mRNA-Vakzin von BioNTech/Pfizer Geimpften zumindest 20–24 % eine Neutralisierungskapazität zeigten. Diese Tests weisen aber nur die Neutralisationsfähigkeit von Antiköpern nach. Nach der Impfung generierte T-Zellen könnten trotzdem einen ausreichenden Schutz gegen schwere COVID-19-Verläufe vermitteln. Die Anpassung der Impfstoffe an die Omikron-Variante erscheint allerdings vor dem Hintergrund der Ergebnisse zu neutralisierenden Antikörpern dringend notwendig.
Die Autorin
Prof. Dr. med. Martina Prelog,
Master of Science
Fachärztin für Kinderheilkunde
Zusatzbezeichnung Infektiologie
Fachimmunologin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie
Universitäts-Kinderklinik Würzburg
Literatur bei der Autorin
Bildnachweis: privat