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Dermatologie

Chamäleon diabetisches Fußulkus

Infektion als Trigger für das Outcome

Dr. med. Holger Diener

Der infizierte diabetische Fuß wird definiert als eine inframalleoläre Infektion bei einem Diabetiker. Meist entstehen die Infektionen beim Diabetiker auf der Grundlage eines Ulkus, welches ursächlich auf einer Neuropathie und/oder Arteriosklerose basiert.

Das Vorhandensein einer Durchblutungsstörung (wenn ABI, Knöchel-Arm-Index,

Die Studienlage

Malyar et al. haben anhand der Barmer-GEK-Datensätze 40.335 Patienten, die in den Jahren 2009–2011 wegen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) und/oder Diabetes mellitus stationär behandelt wurden, aufgearbeitet. Darunter waren 24.687 Patienten (61,2 %) mit pAVK, 8.652 Patienten (21,5 %) mit pAVK und Diabetes mellitus sowie 6.996 Patienten (17,3 %) mit diabetischem Fußsyndrom. Somit hatten 38,5 % der Diabetiker arterielle Durchblutungsstörungen.

5.884 Patienten mit Diabetes mellitus (entsprechend 14,58 % aller analysierten Patienten bzw. 37,6 % der Diabetiker mit pAVK) wiesen sogar ein pAVK Stadium Rutherford 5 oder 6 auf. 50,6 % der Patienten mit diabetischem Fußsyndrom hatten eine Infektion, hingegen nur 12,6 % der Patienten mit pAVK und Diabetes mellitus sowie 7,6 % der Patienten mit pAVK ohne Nachweis eines Diabetes mellitus. Jüngsten Auswertungen zufolge erleiden bis zu 25 % der Diabetiker Fußkomplikationen, welche wiederum die häufigste Ursache einer sta­tionären Therapie darstellen. Die durchschnittliche Heilungsdauer des diabetischen Fußulkus (DFU) beträgt nach aktuellen Studien 4,4 Monate, wobei die Heilung des neuroischämischen und ischämischen DFU mit einer prolongierten Heilung einhergehen.

Das Outcome bei Patienten mit infiziertem Diabetischen Fußulkus ist schlecht. Nach einem Jahr heilten lediglich 46 % der Ulzerationen, die Rezidivrate betrug 10 %, während 15 % der Patienten verstarben und 17 % eine Majoramputation der unteren Extremität benötigten. Vielfach erfolgt eine Majoramputation ohne vorherige ausreichende Gefäßdiagnostik. Ein Zweitmeinungsverfahren ist hier sinnvoll und wird von den Fachgesellschaften propagiert. Gerade dem Gefäßchirurgen kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu, da dieser mit den endovaskulären sowie operativen Revaskularisationen und der lokalen Wundbehandlung vertraut ist. Zudem ist er aber auch hinsichtlich der Beurteilung von Amputationsindikationen von Bedeutung.

Die Schweregradeinteilung

Der Schweregrad der Infektion erfolgt anhand der IWGDF- bzw. PEDIS-Klassifikation aufgrund von klinischen Kriterien. Es wird ein nicht infiziertes Stadium (I), leichtes (II), moderates (III) oder schweres und lebensbedrohliches Infektionsstadium (IV) unterschieden. In den letztgenannten Stadien ist eine stationäre Therapie, begleitend von einer intravenösen Breitband-Antibiotikatherapie sowie von einer dringlichen (Stadium III) oder sofortigen (Stadium IV) operativen Infektsanierung, notwendig. Die Behandlung sollte primär in spezialisierten Einrichtungen zur Behandlung des diabetischen Fußsyndroms durchgeführt werden. Prädominanter Keim ist Staphylococcus aureus. Weitere sind Streptokokken und andere ­aerobe grampositive Kokken. Bei chronischen und schweren Infekten lässt sich meist polymikrobielles Keimspektrum mit gramnegativen und anaeroben Erregern feststellen. Gewebeproben zur Keimdetektion sind besser geeignet als ein Abstrich.

Klinisches Bild und Diagnostik

Klinisch sollten zwei klinische Zeichen einer Wundinfektion oder das Vorhandensein von purulentem Sekret wegweisend sein. Systemische Zeichen wie Fieber, Leukozytose oder Schmerzen fehlen meist in den frühen Stadien.

Die Infektion kann in Form oberflächlicher Haut- und Weichteilinfektion auftreten, dazu zählen Cellulitis, Paronychie und Abszesse. Unter Mitbeteiligung tieferer Schichten kann die Infektion einen komplizierten Verlauf nehmen. Letztere umfassen Myositis, Tendinitis, nekrotisierende Fasziitis, septische Arthritis und Osteomyelitis.

Ein Röntgen des Fußes sollte in allen Fällen einer ausgedehnten Infektion erfolgen. Zur Diagnostik der Osteomyelitis bei vorliegenden Wunden ist der „probe to the bone“-Test heranzuziehen und korreliert mit einem hohen Vorhersagewert bei Hochrisikopatienten. Klinisch ist die Diagnose Osteomyelitis wahrscheinlich, wenn mehrere Diagnostiktools (probe to the bone; Röntgen; Magnetresonanztomografie, MRT; Computertomografie, CT) positiv sind. Das MRT hat zur Aussage einer Osteomyelitis eine Sensitivität von 90 %, bei einer Spezifität von 85 %. Wenn ein MRT nicht möglich ist, sind SPECT CT/CT (Sensitivität 87,5 %, Spezifität 71,4 % oder 18-Fluordesoxyglucose PET/CT (Sensitivität 74 %, Spezifität 91 %) Alternativen.

Eine definitive Diagnose der Osteomyelitis wird durch eine Knochenbiopsie und positiven Keimnachweis erreicht, sollte aber nur bei unsicherer Diagnose oder fehlendem Ansprechen der Antibiotikatherapie angestrebt werden.

Therapie

Revaskularisation und Infektsanierung sind neben der Druckentlastung wesentliche Eckpfeiler der Therapie. Hilfestellung leistet der WIfI-Score der Society of Vascular Surgery, der beim Diabetes die Faktoren Wunden, Infektion und Ischämie berücksichtigt und Empfehlungen zur frühzeitigen Revaskularisation vorgibt und den Infektstatus berücksichtigt. Der Score wurde in pro- und retrospektiven Studien inzwischen validiert.

Lokaltherapie

Regelmäßiges Debridement, Entfernung von Callus, Exsudatmanagement und feuchte Wundbehandlung mit Verwendung hydroaktiver Wundauflagen sind Eckpfeiler einer erfolgreichen Therapie.

Antiseptika sind in der Versorgung des infizierten diabetischen Fußes weitverbreitet, der Evidenzgrad jedoch gering. Silberhaltige Wundauflagen, Materialien mit Cadexomer-Jod oder hypochlorige Säuren reduzieren die Bakterienlast und haben einen antibakteriellen Effekt, mehrere systemische Übersichts­arbeiten konnten jedoch nur geringe evidenzbasierte Ergebnisse nachweisen, um eine generelle Empfehlung zur Prävention oder Therapie des infizierten ­diabetischen Fußes auszusprechen. Gleiches gilt für die antioxidative, antiinflammatorische Wirkung von medizinischem Honig, valide Studien zur Wirksamkeit fehlen.

Dagegen gibt es zahlreiche Studien zur Verwendung der Unterdrucktherapie (NPWT) einschließlich der Behandlung des diabetischen Fußes, die Qualität der Studien sind jedoch sehr heterogen.

In der Lokaltherapie chronischer Wunden beim DFU konnte in der hochrangig publizierten Explorer-Studie von 2018 gezeigt werden, dass Sucrose-Octasulfat-Wundauflagen Matrixmetalloproteinasen inhibieren, die in unphysiologisch hoher Konzentration in chronischen Wunden vorkommen. In der multizentrischen, doppelblinden RCT (randomisierte kontrollierte Studie) konnte bei 240 Patienten mit neuroischämischen DFU (Interventionsgruppe n = 126; Kontrollgruppe n = 114) bei Verwendung von Sucrose-Octasulfat-Wundauflagen signifikant mehr Wund­verschlüsse bei signifikant kürzerer Heilungsdauer aufgezeigt werden.

Der Autor

Dr. med. Holger Diener
Chefarzt Gefäßchirurgie
Abteilung für Gefäß- und Endovaskularchirurgie, Wundkompetenzzentrum
Krankenhaus Buchholz/Nordheide
21244 Buchholz

holger.diener@krankenhaus-buchholz.de

Facharzt für Allgemein- und Gefäßchirurgie
Klinik und Poliklinik für Gefäßmedizin, Universitätsklinikum Hamburg,
Herz- und Gefäßzentrum
20246 Hamburg

h.diener@uke.de

Leiter der Wundkommission der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin

Literatur beim Autor

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