Nicht nur wegen der geschätzten acht bis zehn Millionen Nierenkranken hierzulande stellen Prävention und Management einer chronischen Niereninsuffizienz (cNI) eine Herausforderung dar. Es gilt z. B. Komplikationen und Folgeschäden zu vermeiden. Die Kompensation der Azidose mit Bicarbonat kann dabei eine Maßnahme sein.
Die neue S3-Leitlinie zielt auf Erwachsene mit eingeschränkter, aber nicht dialysepflichtiger cNI.[1] Viele Erkrankte sind – besonders im Alter – nur leichtgradig betroffen und bedürfen keiner besonders intensiven Therapie. Das Serumkreatinin allein ist zur Beurteilung der Nierenleistung aufgrund des „kreatininblinden“ Bereichs nicht ausreichend. Es beginnt erst bei einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) < 75 ml min="" 1,73 m2="" körperoberfläche="" (normal="" gfr-mdrd:=""> 90 ml/min) anzusteigen. Zur besseren Abschätzung der Nierenfunktion (geschätzte GFR) existieren verschiedene Formeln, die aber für Alter, Geschlecht, Gewicht oder Rasse eine unterschiedliche Genauigkeit aufweisen. Fehler bei der Kreatininbestimmung gibt es z. B. bei Menschen nicht europäischer oder afrikanischer Herkunft, < 18 oder> 70 Jahre, bei sehr viel oder wenig Muskelmasse, bei hoher Proteinaufnahme (Bodybuilding), bei stark abweichenden Körpermaßen, Kachexie, Muskelerkrankungen und unter Medikation (z. B. Cimetidin, Fibrate, Trimethoprim). Mittels einer Bestimmung des glomerulär vollständig filtrierten Proteins Cystatin-C (Normbereich: 0,5–0,96 mg/l) lässt sich die GFR genauer errechnen. Im kreatininblinden Bereich, entsprechend den Stadien 1 und 2 der cNI, ist dieser Wert von besonderer Bedeutung, da er dann bereits ansteigt. Im Stadium 1 wird die Einschränkung der Nierenfunktion als noch normal (z. B. im Alter > 70 Jahre), im Stadium 2 als leichtgradig eingeschränkt bezeichnet. Die Veränderungen der Laborparameter müssen außerdem mindestens drei Monate andauern und die Patientengesundheit beeinflussen (z. B. andauernde Müdigkeit, merklicher Leistungsabfall), um die Diagnose cNI zu rechtfertigen. Komplikationen sind Hypertonie, Anämie, Azidose, Hypalbuminämie, Hyperparathyreoidismus, Hyperphosphatämie, 25(OH)-Vitamin-D-Mangel. </ 18 oder></ 75 ml>
Etwa ab einem Serumkreatinin von 2,0 mg/dl (177 mmol/l) beginnt eine Azidose – schleichend und zunächst recht symptomlos. Eine anhaltend azidotische Stoffwechsellage hat jedoch im menschlichen Organismus vielerlei Auswirkungen:
• Abnahme von Enzymaktivitäten, Verquellen und Verformung von Zellen und Gewebe, Ernährungsstörung im Gewebe durch Behinderung der Diffusion, Verschlechterung der Sauerstoffausnutzung und damit der Organfunktion, Mitwirkung bei degenerativen Prozessen
• erhöhter Eiweißabbau, Hemmung der Albuminsynthese, Störung der Lymphozytenproliferation (Infektabwehr), Reduktion der ATP-vermittelten Auflösung von Tumorzellen, Aktivitätsverlust der NK-Zellen (natürliche Killerzellen)
• Steigerung der Knochenresorption, Freisetzung von Knochenphosphat zwecks Gewinnung weiterer Puffersubstanz, Hemmung der Knochenreparatur
• Behinderung der Vitamin-D-Hormonaktivierung, Steigerung der körpereigenen Kortikoidsekretion, Effekte im Glucose- und Schilddrüsenstoffwechsel, Minderung der Erythropoietinwirkung
Diabetes mellitus ist neben Bluthochdruck häufig Ursache der cNI. Beide Erkrankungen können weiter als Komorbiditäten existieren, was wiederum die Progression bis hin zur Dialysepflichtigkeit vorantreiben kann. Positive Aspekte stellen eine relativ einfache Diagnostik und die leicht durchführbare Therapie der Azidose dar. Ob eine Azidose besteht, lässt sich mittels Blutgasanalyse (BGA) ermitteln. Hier reicht in der Praxis die Blutentnahme aus dem hyperämisierten Ohrläppchen. Auch die Bestimmung aus Venenblut ist geeignet, es sind aber etwas andere Normwerte zu beachten. Nach der Blutentnahme liegt das Ergebnis innerhalb von Minuten vor. Der BG-Analysator ermittelt u. a. den pH-Wert und den CO2-Partialdruck (pCO2 in mmHg). Daraus errechnet er den Bicarbonatwert (HCO3¯/std in mmol/l), der nicht direkt gemessen werden kann. Weiterhin wird der Gesamtgehalt von Kohlendioxid (CO2 in mmol/l) bestimmt. Dieser resultiert zu 95 % aus Bicarbonat. Der pH-Wert allein ist also für die Diagnose Azidose nicht ausreichend.
Eine konsequente, andauernde Korrektur der chronischen metabolischen Azidose (cmA) macht Sinn. Wichtig für das Management ist der Bicarbonatwert. Liegt er
Der Autor
Dr. med. Dr. PH Herbert Stradtmann
Arzt für Innere Medizin/Nephrologie,
Hypertensiologe-DHL® und Rehabilitationswesen
Im Wölftegrund 27
34537 Bad Wildungen
[1] S3-Leitlinie; AWMF-Register-Nr. 053-084