Die Diagnostik sexuell übertragbarer Infektionen ist eine zentrale Aufgabe in der dermatologischen Versorgung und vielen anderen Fachrichtungen. Doch wen sollte man testen, welche Testmethoden sind die besten und welche Kosten übernimmt die Krankenkasse? Dieser Artikel liefert Antworten und gibt praktische Empfehlungen.
Sexuell übertragbare Infektionen (STI) sind weltweit ein wachsendes Problem. Das Robert Koch-Institut dokumentiert in Deutschland einen alarmierenden Anstieg bei Gonorrhö und Syphilis. Im Jahr 2018 war die Gonorrhö mit über 100 000 Infektionen aus 28 Ländern die zweithäufigste gemeldete STI in der Europäischen Union (EU) [1], während Chlamydien und HPV weiterhin zu den häufigsten STI-Infektionen weltweit zählen [2]. Verschiedene Fachrichtungen, darunter Allgemeinmedizin, Gynäkologie, Urologie und auch die Dermatologie, sind mit der Diagnostik solcher Infektionen konfrontiert.
Besonders besorgniserregend ist der signifikante Anstieg antibiotikaresistenter Gonokokken [3] und Mykoplasmen [4], der die Behandlungsoptionen stark einschränkt. Zusätzlich werden vulnerable Gruppen, darunter junge Menschen, ältere Erwachsene sowie marginalisierte Personengruppen, nicht ausreichend durch Prävention und Therapie erreicht. Sprachbarrieren, gesellschaftliche Tabus und der eingeschränkte Zugang zum Gesundheitssystem behindern eine umfassende Versorgung [5].
Diagnostik: Wen testen und wann?
Der Diagnostik soll immer ein ausführliches Gespräch vorangehen, da die Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Erreger in Betracht kommen, in hohem Maße von klinischem Befund, Alter, Geschlecht und Sexualanamnese abhängt. Besonders bei asymptomatischen Personen ohne klare Risikofaktoren sollte die Sinnhaftigkeit einer breiten Testung diskutiert werden. Hier kann ein positiver Befund oft zu unnötigen Ängsten und Behandlungen führen, ohne dass ein klinischer Nutzen besteht [6].
Symptomatische Personen mit Hautausschlagoder Ulzera im Genital- oder Analbereich
Diese Personengruppe sollte gezielt auf Infektionen untersucht werden, die typischerweise solche Erscheinungen hervorrufen. Dazu gehören:
Weisen die klinischen Zeichen und die Anamnese nicht eindeutig auf eine STI hin, sollten auch andere Differenzialdiagnosen berücksichtigt werden wie:
Symptomatische Personen ohne Hautausschlag oder Ulzera
Diese Patientinnen und Patienten weisen häufig Beschwerden wie Dysurie, Lymphknotenschwellung, skrotale Schwellung, rektale Blutung oder Ausfluss auf. Bei Frauen treten zusätzlich Fluor genitalis oder Unterbauchschmerzen auf, die mit oder ohne Dyspareunie einhergehen können. Die häufigsten Erreger, die solche Symptome verursachen, sind Neisseria gonorrhoeae, Chlamydia trachomatis, Trichomonas vaginalis, Erreger einer bakteriellen Vaginose oder Mycoplasma genitalis [6].
Asymptomatische Personen
Oft verursachen STI jedoch keine Schmerzen oder andere Symptome und bleiben deshalb unbemerkt und unbehandelt. Je nach Infektion ist eine Partneruntersuchung und ggf. Behandlung zur Vermeidung von Reinfektionen besonders wichtig [7]. Ebenfalls wichtig sind Kontrolluntersuchungen (Test of Cure) nach einer behandelten Infektion. Beide sind bei entsprechender Begründung Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen.
Gleiches gilt für Personen, die eine Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) gegen HIV einnehmen, und Schwangere, die im Zuge der Mutterschaftsvorsorge routinemäßig auf Syphilis, Chlamydien, HIV und Hepatitis B getestet werden, um Risiken für Mutter und Kind zu minimieren.
Abhängig vom Gebrauch von Kondomen sowie unter Berücksichtigung der Anzahl der Sexualpartner und -partnerinnen und ggf. des Drogenkonsums sollten bei wechselnden Geschlechtspartnerinnen und -partnern mindestens jährlich Untersuchungen, z. B. auf HIV, Syphilis, Gonorrhö, Chlamydien und Hepatitis C, durchgeführt werden. Anonyme und meist kostenlose Tests sind in den Gesundheitsämtern möglich [6].
Erreger und Testmethoden
Für eine zielgerichtete Diagnostik ist es entscheidend, die spezifischen Testmethoden sowie deren Indikationen zu kennen. Zur schnellen Orientierung in der Praxis kann der Leitfaden zur STI-Therapie wertvolle Hinweise anhand der aktuellen Leitlinien der DSTIG zu Diagnostik, Therapie und Prävention bieten (Kasten).
Die Multiplex-Diagnostik erlaubt eine gleichzeitige Untersuchung auf mehrere Erreger und ermöglicht eine gezielte Therapie. Sie reduziert die Entstehung von Resistenzen, die durch unzureichende Dosierungen bei unentdeckten Begleiterregern entstehen könnten. Dieses Verfahren hat sich zunehmend als Standard etabliert, ist aber auch umstritten, da die zur Verfügung stehenden Erregerpanels nicht immer klinisch sinnvoll sind. Die Möglichkeit zur genotypischen Resistenzbestimmung wird bisher aufgrund der fehlenden Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung nicht ausreichend genutzt [8,9].
Tabellarisch werden die häufigsten Erreger sexuell übertragbarer Infektionen aufgeführt, unterteilt in bakterielle Infektionen (Tab. 1) und virale Infektionen (Tab. 2). Jede Tabelle enthält die empfohlenen Testmethoden sowie ergänzende Erläuterungen zur diagnostischen Vorgehensweise.
Selbsttest
STI-Selbsttests als Selbstzahlerleistung ermöglichen es, sexuell übertragbare Infektionen wie eine Chlamydien-Infektion, Gonorrhö, Syphilis oder HIV-Erkrankung eigenständig zu Hause zu erkennen. Die Probenentnahme erfolgt dabei durch Urinproben, Abstriche oder Blutproben, die anschließend zur Analyse an ein zertifiziertes Labor gesendet wird. Die Qualität von selbst durchzuführenden „Schnell“-Tests ist sehr unterschiedlich. Zudem ist z. B. beim Syphilis-Test zu beachten, dass Reinfektionen nicht von vorherigen Infektionen unterschieden werden können.
Abrechnung: Was übernimmt die Krankenkasse?
Prävention
Die STIKO empfiehlt folgende Impfungen im Kontext sexuell übertragbarer Infektionen [12]:
Eine Impfung gegen Hepatitis A und B wird für Personen mit erhöhtem Risiko empfohlen (z. B. bei Analverkehr, MSM, sexuell aktiven Personen mit wechselnden Partnern bzw. Partnerinnen und Drogenkonsumenten).
Die HPV-Impfung wird von der STIKO für alle Mädchen und Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren mit 2 Impfdosen im Abstand von 5 bis 12 Monaten empfohlen. Nachholimpfungen sollten bis zum Alter von 17 Jahren erfolgen – dann sind 3 Impfstoffdosen erforderlich. Der Impfstoff kann jedoch auch für ältere Personen von Bedeutung sein, insbesondere MSM, sowie Personen mit (geplanter) Immunsuppression. Je nach Krankenkasse kann eine Kostenübernahme auf Antrag erfolgen. Viele Kassen übernehmen bis zum 27. Lebensjahr auch ohne Antrag die Kosten.
Die STIKO empfiehlt außerdem die Impfung gegen Mpox für die Post-Expositions-Prophylaxe nach Mpox-Exposition von asymptomatischen Personen im Alter von ≥ 18 Jahren oder als Indikationsimpfung von Personen mit einem erhöhten Expositions- und Infektionsrisiko (z. B. während eines Mpox-Ausbruchs). Hierzu zählen derzeit MSM ≥ 18 Jahre, die häufig die Partner wechseln. Die Immunisierung erfolgt mit 2 Impfdosen im Abstand von mindestens 28 Tagen.
Die Autorin
Dr. med. Anja Potthoff
Leitende Abteilungsärztin
anja.potthoff@klinikum-bochum.de
WIR – Walk In Ruhr, Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Ruhr-Universität Bochum
Die Autorin
Inas Al Aloush
Assistenzärztin
inas.alaloush@klinikum-bochum.de
WIR – Walk In Ruhr, Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Ruhr-Universität Bochum
Bildnachweis: Dr. med. Viktor Czaika, Peakstock (Adobe Stock); privat