Misteltherapien werden im Zuge der onkologischen Versorgung zunehmend von Patientinnen und Patienten nachgefragt. Insbesondere Patientinnen mit Mammakarzinom zeigen ein großes Interesse. Was sollte dabei vor der Verordnung und für die Dokumentation beachtet werden?
Die Misteltherapie gehört zu den am häufigsten verwendeten komplementärmedizinischen Therapien in der Onkologie. Die erste Misteltherapie wurde 1917 von Frau Dr. Ita Wegman in der Universitäts-Frauenklinik Zürich durchgeführt. Somit ist die Misteltherapie die am längsten verwendete Behandlung in der Onkologie. In den von der NATUM e. V. (Naturheilkunde, Akupunktur, Komplementärmedizin und Umweltmedizin in der Frauenheilkunde) veranstalteten Fortbildungskursen wird regelmäßig auch die Misteltherapie thematisiert. Dabei stehen wissenschaftliche Aspekte im Vordergrund sowie praktische Aspekte zur Durchführung. Zunehmend rücken dabei auch Fragen zu Dokumentation, Leistungserfassung und Kostenträgerschaft in den Fokus des Interesses.
Die NATUM ist eine 1993 durch Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard in der Universität Heidelberg gegründete Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Die NATUM ist heute eine kooperierende Arbeitsgemeinschaft der DGGG mit mehr als 550 Mitgliedern und multidisziplinär ausgerichtet. Die NATUM-Mitglieder sind v. a. schulmedizinisch und ganzheitlich, insbesondere naturheilkundlich tätige Ärzte und Ärztinnen sowie Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.
Die NATUM verfolgt das Ziel, die Erforschung, Anwendung und Lehre von Naturheilverfahren, Akupunktur, Komplementärmedizin und Umweltmedizin in der Gynäkologie und Geburtshilfe zu fördern sowie diese in eine moderne ganzheitliche Medizin zu integrieren.
Ein weiteres Anliegen ist es, Ärztinnen und Ärzte in der Komplementärmedizin auszubilden. Dafür bietet sie aufeinander aufbauende Kurse, spezielle Symposien und Informationsveranstaltungen an, von denen mehrere mit einem Zertifikat abgeschlossen werden können.
Die Misteltherapie ist die am längsten eingesetzte Behandlungsform in der Onkologie.
Immer wieder werden Anfragen zur Abrechenbarkeit komplementärmedizinischer Leistungen an die NATUM gerichtet. Im Bereich der Onkologie wird oft nach der Abrechenbarkeit der Misteltherapie gefragt. Wir haben dies zum Anlass genommen, nachfolgend aktuelle Aspekte zur Misteltherapie und den Möglichkeiten sowie Limitationen der Verordnungen und der Abrechnung von Leistungen zusammenzustellen.
Misteltherapie in der Onkologie
Insbesondere von Patientinnen mit Mammakarzinom wird häufig nach der Misteltherapie gefragt. In der ärztlichen Beratung können der Patientin Informationen auf folgender Basis vermittelt werden: Die Wirksamkeit der Misteltherapie ist durch zahlreiche präklinische und klinische Studien belegt, darunter auch prospektive randomisierte Studien und Metaanalysen. Fast alle Studien zeigen eine Verbesserung der Lebensqualität. Etwa die Hälfte der Studien zeigt einen Trend zur Verbesserung der Prognose. Die Misteltherapie kann als Ergänzung zu konventionellen onkologischen Therapien eingesetzt werden. Die Misteltherapie wurde in internationale Leitlinien von mehreren Fachgesellschaften aufgenommen. Die Misteltherapie kann helfen, dem Fatigue-Syndrom entgegenzuwirken.
Die nachfolgenden Informationen basieren auf einem Kurs zur Misteltherapie von Jan Matthias Hesse (Stuttgart) sowie einem gemeinsamen Kurs zur Misteltherapie der NATUM mit Dr. med. Reinhild Georgieff (Leipzig).
Erstattung der Misteltherapie
In der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) sind die allgemeinen Grundsätze für die Verordnung von Arzneimitteln, stofflichen Medizinprodukten und Verbandmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung festgehalten. Grundsätzlich ist bei geplanter Misteltherapie zu unterscheiden, ob eine adjuvante oder eine palliative onkologische Situation vorliegt.
1) Kassenleistung in palliativer Situation mit Diagnose maligner Tumor als Therapiestandard in der anthroposophischen Medizin. § 12 Abs. 6 AM-RL lautet: „Für die in der Anlage I aufgeführten Indikationsgebiete kann die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt bei schwerwiegenden Erkrankungen auch Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie verordnen, sofern die Anwendung dieser Arzneimittel für diese Indikationsgebiete und Anwendungsvoraussetzungen nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist.“
Palliative Tumortherapie bedeutet in diesem Kontext die Behandlung von Patienten mit einer noch nicht finalen, jedoch auch nicht mehr kurativ zu behandelnden Erkrankung. Ziel dieser Therapie ist sowohl die Linderung von Symptomen als auch die Verbesserung der Lebensqualität und, wenn möglich, auch eine Verlängerung der Überlebenszeit [1]. Konkrete Situationen für einen palliativen Therapieansatz:
Dokumentationsanforderungen bei palliativem Therapieansatz:
2) Adjuvante Situation
Zur Verordnungsfähigkeit begleitend zu einer kurativen onkologischen Therapie mit dem Ziel der Reduktion schwerwiegender Nebenwirkungen gilt:
Anthroposophische Mistelpräparate können im Zuge einer kurativen Tumortherapie auf Kassenrezept verordnet werden, wenn sie zur Reduktion schwerwiegender Nebenwirkungen verwendet werden, die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines zugelassenen und verordnungsfähigen Arzneimittels auftreten. Dabei muss die Nebenwirkung Gesundheitsstörungen verursachen, die die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigen oder sogar lebensbedrohlich sind (AM-RL § 12 Abs. 8).
Hauptanwendungsgebiet ist dabei das Chemotherapie-assoziierte Erschöpfungssyndrom (Cancer-Related Fatigue Syndrome, CRFS).
Dokumentation in der Krankenakte
In der Krankenakte ist aufzunehmen:
Verordnungsfähigkeit bestätigt
Die Verordnungsfähigkeit anthroposophischer Mistelpräparate zur Behandlung maligner Tumoren in der palliativen Therapie wurde höchstrichterlich vom Bundessozialgericht im Urteil vom 15.12.2015 (B 1 KR 30/15 R) bestätigt. Auch der G-BA hat dies kürzlich nochmals schriftlich bestätigt [2].
Misteltherapie in der Abrechnung
Da die Misteltherapie individuell auf den betreffenden Patienten abgestimmt ist, ist vor Einleitung der Therapie eine eingehende Beratung erforderlich. Diese Beratung ist nach GOÄ mit den Gebühren nach den GO-Nrn. 1 und/oder 3 ggf. auch mit der GO-Nr. 34 für die eingehende Erörterung zu berechnen. Ist die individuelle Mistelsorte bestimmt, wird das entsprechende Mistelpräparat etwa zwei- bis dreimal pro Woche subkutan verabreicht. Die Abrechnung erfolgt über die GOÄ-Nr. 252 für die subkutane Applikation.