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Gynäkologie

Ausbleibende Regelblutung

Ursachen und Differenzialdiagnostik der primären und sekundären Amenorrhoe

PD Dr. med. Bettina Böttcher, MA

Die Ursachen für das vorübergehende oder dauerhafte Ausbleiben der Regelblutung können vielfältig sein, eine sorgfältige Abklärung ist immer erforderlich. In dieser Übersicht werden die verschiedenen Ursachen und Möglichkeiten der Abklärung der primären und sekundären Amenorrhoe differenzialdiagnostisch dargestellt.

Eine Amenorrhoe ist durch das vorübergehende oder permanente Ausbleiben der Regelblutung definiert. Prinzipiell können Dysfunktionen des Hypothalamus, der Hypophyse, der Ovarien, des Uterus oder der Vagina hierfür ursächlich sein. Auf physiologische Ursachen der Amenorrhoe wie Schwangerschaft, Stillzeit oder Menopause soll hier nicht näher eingegangen werden.

Es wird zwischen der primären und der sekundären Amenorrhoe unterschieden. Die primäre Amenorrhoe ist durch den fehlenden Eintritt der Menarche bis zum vollendeten 16. Lebensjahr definiert. Die sekundäre Amenorrhoe bezeichnet das Ausbleiben der Regelblutung für mindestens drei Monate bei Frauen, die zuvor regelmäßige Zyklen hatten. Bei Mädchen mit unregelmäßigen Zyklen wird dieser Zeitraum auf sechs Monate erweitert [1]. Generell gilt, dass alle Ursachen einer sekundären Amenorrhoe sich auch bereits als primäre Amenorrhoe präsentieren können.  

Die primäre Amenorrhoe beschreibt das Ausbleiben der Menarche bis zum 16. Geburtstag bei vorhandenen sekundären Geschlechtsmerkmalen und normalem Längenwachstum [1,2]. Wenn allerdings mit 13 Jahren weder die Menarche noch die Entwicklung sonstiger Geschlechtsmerkmale wie die Brustentwicklung begonnen hat, sollte die Abklärung schon früher erfolgen [3].

Eine primäre Amenorrhoe muss immer abgeklärt werden. Meist liegt ihr eine genetische oder anatomische Ursache zugrunde. Zu den genetischen Ursachen gehören je nach Karyotyp Chromosomenfehlverteilungen und Gonadendysgenesien. Die häufigste Ursache stellt das Ullrich-Turner-Syndrom (45,X0) zusammen mit verschiedenen Mosaiken dar. Gonadendysgenesien, z.B. 46,XY, sind deutlich seltener, sollten aber wegen eines erhöhten Karzinomrisikos für Gonadoblastome und Dysgerminome frühzeitig erkannt werden. Bei einem Karyotyp 46,XY kann eine Dysfunktion im Testosteronstoffwechsel wie ein 5-alpha-Reduktase-Mangel oder ein komplettes Androgeninsensitivitätssyndrom (CAIS) für eine primäre Amenorrhoe bei fehlendem Uterus und bei weiblichem Phänotyp ursächlich sein.

Häufige anatomische Ursachen sind beispielsweise eine Hymenalatresie, transversale vaginale Septen oder Zervikalstenosen. Generell gehen Obstruktionen mit einem weiblichen Karyotyp 46,XX und adäquater Pubertätsentwicklung einher. Eine weitere anatomische Ursache stellt das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom dar [4], bei dem bei unauffälliger Brustentwicklung und typisch weiblichem Hormonprofil kein Uterus vorhanden ist. Dieses tritt bei einem von 5000 Mädchen und bei 15% der Mädchen mit primärer Amenorrhoe auf [5]. Nierenfehlbildungen und Skelettanomalien können assoziiert sein.

Sofern anatomische und genetische Ursachen nicht für eine primäre Amenorrhoe ursächlich sind, können verschiedene endokrine Dysfunktionen im Sinne einer Ovarialinsuffizienz vorliegen [6]. Hierzu zählen ein hypogonadotroper Hypogonadismus bei einer funktionellen hypothalamischen Ovarialinsuffizienz oder bei systemischen Grunderkrankungen wie der Zöliakie oder Typ-1-Diabetes oder eine hyperandrogenämische oder hyperprolaktinämische Ovarialinsuffizienz. Die hyperandrogenämische Ovarialinsuffizienz kann in einem polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS) oder dem adrenogenitalem Syndrom (AGS) begründet sein. Einer hyperprolaktinämischen Ovarialinsuffizienz kann ein Hypophysenmikro- oder -makroadenom zugrunde liegen. Eine primäre Ovarialinsuffizienz kann entweder genetisch, aber auch durch eine Chemo- oder Strahlentherapie wie auch Traumata in der Vorgeschichte hervorgerufen sein. Eine prämature Ovarialinsuffizienz (POI), also ein vorzeitiger Eintritt der Menopause, wird bei Frauen mit einer Amenorrhoe oder Oligomenorrhoe für mehr als vier Monate unter 40 Jahren mit zwei erhöhten FSH-Werten (>25 IU/l) im Abstand von wenigstens vier Wochen diagnostiziert [7]. Auch Tumoren wie Kraniopharyngeome können eine primäre Amenorrhoe verursachen. Sehr selten ist beispielsweise ein angeborener GnRH-Mangel. Eine verspätete Pubertätsentwicklung kann letztlich auch in einer konstitutionellen Entwicklungsverzögerung begründet sein, die keine Therapie erfordert. Eine Übersicht der Differenzialdiagnostik ist in der Abbildung 1 dargestellt.

Der sekundären Amenorrhoe liegen meist funktionelle Ursachen zugrunde, die unter dem Begriff der Ovarialinsuffizienz zusammengefasst werden können. Diese können nach unterschiedlichen Gesichtspunkten klassifiziert werden. Eine mögliche Einteilung, die Ursachen der jeweiligen Ovarialinsuffizienz berücksichtigt, hat sich aus Gründen der Übersichtlichkeit in der Praxis bewährt. Hierbei lassen sich die primäre, die hypothalamische, die hyperprolaktinämische und die hyper-androgenämische Ovarialinsuffizienz unterscheiden [6] (Abb. 2).

Die primäre Ovarialinsuffizienz ist in einer Störung im Ovar selbst begründet. Es sind entweder keine Follikel vorhanden – etwa nach einer gonadotoxischen Chemo- oder Strahlentherapie oder bei chromosomalen Störungen – oder das Ovar reagiert trotz ausreichender vorhandener Follikel nicht auf eine Gonadotropinstimulation. Bei der prämaturen Ovarialinsuffizienz (POI) tritt die Menopause zu früh ein, d.h., der Follikelpool ist vorzeitig erschöpft. Weitere Ursachen für eine primäre Ovarialinsuffizienz können Autoimmunerkrankungen, Enzymdefekte wie 17-alpha-Hydroxylasedefekt, Infektionen wie Mumps oder auch eine Galaktosämie sein. Die hypothalamische Ovarialinsuffizienz ist Folge einer reduzierten pulsatilen Sekretion von GnRH (Gonadotropin releasing hormone) aus dem Hypothalamus. Neben Tumoren im Hypophysen-Hypothalamus-Bereich und seltenen genetischen Befunden sind vor allem funktionelle Störungen wie Stress, Leistungssport, Essstörungen oder auch Drogenkonsum ursächlich für eine hypothalamische Ovarialinsuffizienz. Eine funktionelle hypothalamische Ovarialinsuffizienz ist eine Ausschlussdiagnose [2].

Bei der hyperprolaktinämischen Ovarialinsuffizienz führen erhöhte Prolaktinspiegel wie bei einem Hypophysenadenom oder unter bestimmten Medikamenten zu einer Hemmung der pulsatilen GnRH-Sekretion direkt am Hypothalamus. Bei der hyperandrogenämischen Ovarialinsuffizienz, die im Zuge eines polyzystischen Ovarsyndroms, bei Vorliegen eines adrenogenitalen Syndroms, bei einem Tumor der Nebennieren oder des Ovars oder durch exogen zugeführte Androgene auftreten kann, kommt es durch erhöhte Androgene zu einer Oligomenorrhoe bis hin zur Amenorrhoe.

Folgende diagnostische Maßnahmen sind zur Differenzialdiagnostik der Amenorrhoe erforderlich, um je nach Ursache eine spezifische Therapie einleiten zu können.

Anamnese

Mittels einer sorgfältig erhobenen Anamnese können die Differenzialdiagnosen einer Amenorrhoe schon eingegrenzt werden. Zunächst sollten im Zuge einer allgemeinen Anamnese chronische Erkrankungen, Medikamente, Drogenkonsum, gonadotoxische Therapien im Hinblick auf eine primäre Ovarialinsuffizienz und besondere Belastungssituationen wie Stress, sportliche Extremleistungen und das Essverhalten inklusiver Gewichtszunahmen und Gewichtsverlust erfragt werden. ­Diese Punkte können einen Anhalt für eine hypothalamische Ovarialinsuffizienz bieten. Bei einer primären Amenorrhoe sollte der Pubertätsverlauf mit Thelarche und Pubarche erfasst werden. Auch das Längenwachstum im Vergleich zu anderen Familienmitgliedern sollte thematisiert werden, da so Hinweise auf ein Ullrich-Turner-Syndrom oder einen Wachstumshormonmangel gewonnen werden könnten. Bei einer konstitutionellen Entwicklungsverzögerung könnten auch andere Familienmitglieder betroffen gewesen sein. Eine hyperandrogenämische Ovarialinsuffizienz sollte weiter in Betracht gezogen werden, wenn die Patientin über Zeichen einer Hyperandrogenämie wie Akne, Hirsutismus oder Virilisierungserscheinungen berichtet. Das Vorhandensein einer Galaktorrhoe, Kopfschmerzen und eine Einschränkung des Gesichtsfelds geben Hinweise auf ein mögliches Hypophysenadenom und eine hyperprolaktinämische Ovarialinsuffizienz. Klimakterische Symptome wie nächtliches Schwitzen oder Hitzewallungen deuten auf eine prämature Ovarialinsuffizienz hin. Es ist anzumerken, dass Hitzewallungen nur auftreten, wenn zuvor eine Estrogenexposition – im natürlichen Zyklus oder iatrogen – stattgefunden hat. Eine Einschränkung des Riechvermögens gibt einen Hinweis auf ein Kallmann-Syndrom (GnRH-Defizienz).

Körperliche Untersuchung

Generell gilt, dass die womöglich erste gynäkologische Untersuchung eines Mädchens in einem Rahmen stattzufinden hat, in dem das Mädchen sich sicher fühlt, mit den Untersuchungen einverstanden ist und auch Zeit für Erklärungen der Untersuchungsschritte ist. Bei der Abklärung einer Amenorrhoe handelt es sich in den meisten Fällen nicht um einen Notfall, sodass auch beim ersten Termin die Anamnese erhoben und die erste Untersuchung auf einen zweiten Termin verschoben werden könnte. Die körperliche Untersuchung erfasst Größe, Gewicht, Body-Mass-Index als auch  – insbesondere bei der Abklärung einer primären Amenorrhoe – die Pubertätsstadien nach Tanner. Somit werden das Brustwachstum und das Vorhandensein von Behaarung im Pubes- und Axillabereich beurteilt. Auf Zeichen einer Androgenisierung wie Hirsutismus, Seborrhoe und Akne sollte geachtet werden. Bei der Inspektion des äußeren Genitals wird die Anatomie der Vulva, der Klitoris, des Hymens und der Vagina beurteilt, um beispielsweise Hinweise auf ein Mayer-Rokitansky-Hauser-Syndrom, eine Hymenalatresie oder über einen Estrogenmangel zu erhalten.

Ultraschall

Ein entscheidender Schritt zur Planung der weiteren Untersuchungen bei einer primären Amenorrhoe ist die Durchführung eines vaginalen oder – sofern das Mädchen noch keinen vaginalen Geschlechtsverkehr hatte – abdominalen Ultraschalls zur Klärung der Frage, ob ein Uterus vorhanden ist. Hierbei sollten neben Größe des Uterus auch das Endometrium und die Ovarien inklusive dem antralen Follikelcount beurteilt werden.

Laboruntersuchungen

Die folgenden Parameter im Sinne einer Hormonbasisdiagnostik sollten laborchemisch erhoben werden: hCG, FSH, LH, TSH, Prolaktin, Estradiol, freies und Gesamt-Testosteron, DHEA-S, SHBG, AMH und 17-Hydroxyprogesteron [2]. Je nach Anamnese und klinischem Verdacht kann diese Diagnostik selbstverständlich erweitert oder limitiert werden. Wesentlich ist die Unterteilung in eine hyper-, normo- oder hypogonadotrope Situation, um die Differenzialdiagnosen weiter einteilen zu können. Bei erhöhtem FSH (und LH), also einem hypergonadotropen Hypogonadismus, muss eine primäre Ovarialinsuffizienz weiter abgeklärt werden. Ein hypogonadotroper Hypogonadismus weist auf eine funktionelle hypothalamische Amenorrhoe wie bei Stress, Essstörungen, Leistungssport oder chronischen Erkrankungen hin. In diesen Fällen und generell bei einer Amenorrhoe, die mehr als sechs Monate anhält, sollte auch eine Messung der Knochendichte erfolgen [2]. Seltenere Ursachen sind die konstitutionelle Entwicklungsverzögerung oder ein GnRH-Mangel [1]. Wenn eine normogonadotrope Situation vorliegt, müssen weitere Abklärungen erfolgen, um Ursachen einer hyperandrogenämischen und hyperprolaktinämischen Ovarialinsuffizienz oder auch anatomische Ursachen wie Obstruktionen festzustellen. Bei unauffälligen Laborwerten und einer operativen Therapie in der Vorgeschichte wie Abrasiones sollte auch an ein Asherman-Syndrom mit intrauterinen Adhäsionen gedacht werden. Sowohl eine Hypo- als auch eine Hyperthyreose können eine Amenorrhoe hervorrufen [1].

Genetische Untersuchungen

Bei nicht vorhandenem Uterus und/oder bei einer primären Ovarialinsuffizienz, bei der keine andere Erklärung wie eine gonadotoxische Therapie vorliegt oder ein Ullrich-Turner-Syndrom, das Vorhandensein eines Y-Chromatins (SRY) oder eine FMR-1-Mutation in Betracht gezogen wird, sollte eine Karyotypisierung erfolgen.

MRT

Im Falle eines hypogonadotropen Hypogonadismus oder bei erhöhten Prolaktinwerten sollte ein MRT des Schädels erfolgen, um Tumoren auszuschließen. Ein MRT des Beckens kann erforderlich sein, wenn sonografisch das innere Genitale mit Uterus und Ovarien nicht gut beurteilbar ist und beispielsweise keine Festlegung erfolgen kann, ob ein Uterus vorhanden ist. Ebenso kann ein MRT des Beckens bei Verdacht auf einen androgenproduzierenen Tumor der Nebennieren oder der Ovarien indiziert sein.

Estrogen-Gestagentest/Gestagentest

Ein Estrogen-Gestagen- oder ein reiner Gestagentest dienen der weiteren Abklärung der anatomischen Verhältnisse und der Transformationsfähigkeit des Endometriums. Beim Gestagentest wird in der zweiten Zyklushälfte für 12–14 Tage ein Gestagen verabreicht. Hierdurch wird die Transformation des Endometriums induziert. Wenn es nach Absetzen zu einer Blutung kommt, ist dieses ein Hinweis auf eine funktionierende ovarielle Estrogenproduktion. Wenn keine Blutung eintritt, kann ein Estrogen-Gestagentest veranlasst werden. Hierbei wird ein Estrogen für 14 Tage transdermal oder oral verabreicht, gefolgt von einem Gestagen für weitere 14 Tage. Wenn hiernach eine Blutung eintritt, sind intakte anatomische Verhältnisse anzunehmen. Wenn keine Blutung einsetzt, ist der Verdacht einer uterinen Ursache wie ein Asherman-Syndrom oder einer anatomischen Auffälligkeit weiter abzuklären.

GnRH- Test

Ein GnRH-Test dient der Unterscheidung hypophysärer und hypothalamischer Ursachen eines hypogonadotropen Hypogonadismus. Bei hypophysärer Ursache bleibt ein Anstieg der Gonadotropine nach Stimulation mit GnRH aus, bei hypothalamischer Ursache kommt es zum Anstieg von LH und FSH. Es erfolgt eine Blutabnahme der basalen LH- und FSH-Werte vor Gabe von 0,1mg GnRH i.v. und nachfolgende Blutentnahmen in definierten Zeitintervallen, z.B. nach 30, 60 oder 120 Minuten.

Operative Abklärung

Eine operative hysteroskopische oder laparoskopische Abklärung ist bei Verdacht auf uterine Malformationen, Obstruktionen oder andere anatomische Auffälligkeiten indiziert. Eine Ovarbiopsie im Zuge einer Laparoskopie kann bei Verdacht auf polyglanduläres Autoimmunsyndrom, bei dem lymphozytäre Infiltrate festgestellt werden, durchgeführt werden. Bei einem Resistant-Ovary-Syndrom sind in der Ovarialbiopsie zahlreiche Primordialfollikel zu finden; hier wäre zur weiteren Abklärung eine Analyse des FSH-Rezeptors indiziert.

1 Klein DA et al., Am Fam Physician 2019; 100: 39–48
2 Gordon CM et al., An Endocrine Society Clinical Practice Guideline 2017; 1413–1439
3 ACOG Committee Opinion No. 651, Obstet Gynecol 2015; 126: e143–e146
4 ACOG Committee Opinion No. 728, Obstet Gynecol 2018; 131: e35–e42
5 Fontana L et al., Clin Genet 2017; 91: 233–246
6 Mattle V, Wildt L, J Reproduktionsmed Endokrinol 2008; 5: 335–341
7 Webber L et al., Hum Reprod 2016; 31: 926–937

Bildnachweis: GettyImages: Avector, privat

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