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Dermatologie

Aknetherapie 2020

EU-Leitlinie & Selektive Therapien

Dr. Lissette Gerke

4.11.2020

Zur Behandlung der Akne stehen aktuell verschiedene Topika, u.a. eine topische Neuzulassung und systemische Therapien, zur Verfügung. Wichtig ist, die Behandlung den individuellen Bedürfnissen der Patienten anzupassen und auch soziale Faktoren wie den Leidensdruck der Patienten zu berücksichtigen.

Jede Haut ist anders und hat daher unterschiedliche Ansprüche. So können sich die Hautreaktionen bei Patienten unterscheiden, obwohl sie dasselbe Produkt anwenden. Ein „One-fits-all“-Produkt gibt es daher nicht. Aus diesen Gründen ist es essenziell, dass Dermatologen die Therapie individuell an die Haut des Patienten anpassen. Hilfreich bei der Wahl der Therapie ist die aktuelle Datenlage der Aknetherapie, denn es liegen einige kontrollierte Studien vor, in denen die Wirksamkeit unterschiedlicher Wirkstoffe beurteilt werden. Leichte und mittelschwere Akneformen werden fast immer mit einer topischen Therapie behandelt. Bei schweren Verlaufsformen wird die Behandlung mit einer systemischen Therapie ergänzt.

Leidensdruck, Aufklärung und Motivation

Beim ersten Gespräch mit dem Patienten empfiehlt es sich, nachzufragen: Welche Pflege wurde bereits angewandt? Welche Ängste beschäftigen ihn? Welche Erwartungen hat er an die Therapie? So kann sich der behandelnde Arzt einen ersten Eindruck vom Leidensweg sowie -druck des Patienten verschaffen und unrealistische Erwartungen ausräumen. Zur Ersteinschätzung wird zudem der Schweregrad der Akne ermittelt, um anschließend eine individuelle Therapie zusammenstellen zu können. Im Aufklärungsgespräch wird der Patient über die Auslöser der Akne, die Dosierung und Anwendung der topischen Therapie, das mögliche Auftreten von Hautreizungen und die orale Einnahme der systemischen Therapie informiert. Wichtig ist, zu vermitteln, dass trotz Therapie die Erkrankung nicht von heute auf morgen verschwindet, sondern, dass der Patient Geduld mitbringen muss. Um die Veränderungen des Hautbildes beurteilen zu können, sind daher Kontrolluntersuchungen in regelmäßigen Abständen notwendig. So kann die Therapie dem aktuellen Befund angepasst werden. Für eine gute Adhärenz ist es hilfreich, den Patienten zu motivieren, indem er darüber aufgeklärt wird, dass durch eine rechtzeitige Therapie schwere Verläufe, Narbenbildung und Pigmentstörungen vermieden werden können.

Therapie orientiert sich am Schweregrad (1–4)

Die EU-Leitlinie[1] zur Behandlung der Akne klassifiziert die Akne in vier Schweregrade. Die Therapiemöglichkeiten der Akne werden zudem in unterschiedliche Empfehlungsgrade eingeteilt (starke Empfehlung bis geringe Empfehlung, Tab.).

Behandlung der acne comedonica

acne comedonica
Für die Acne comedonica existiert laut Leitlinie[1] keine starke Empfehlung hinsichtlich der Therapie, sondern lediglich ein mittlerer Empfehlungsgrad. Dieser umfasst die Therapie mit topischen Retinoiden. Nicht empfohlen werden hingegen topische Antibiotika, hormonelle Antiandrogene, systemische Antibiotika und/oder Isotretinoin und künstliche UV-Bestrahlung. Eine offene Empfehlung gilt für folgende Therapien: sichtbares Licht als Monotherapie, Laser im sichtbaren Wellenlängenspektrum, Laser im infrarot Wellenlängenspektrum, Intense Pulsed Light (IPL) und photodynamische Therapie (PDT).

Therapie der leichten bis mittelschweren papulopustulösen Akne laut EU-Leitlinie

Leichte bis mittelschwere papulo­pustulöse Akne
Eine starke Empfehlung wird für die Fixkombination Adapalen/BPO sowie die Fixkombination BPO/Clindamycin als Therapie der leichten bis mittelschweren papulopustulösen Akne in der Leitlinie[1] ausgesprochen. Ein topisches Antibiotikum als Monotherapie, künstliche UV-Bestrahlung, die Fixkombination Erythromycin/Zink, systemische Therapie mit Antiandrogenen sowie Antibiotika und/oder Isotretinoin werden nicht empfohlen. Eine Therapie mit Rotlicht, IPL, Laser oder PDT wird in der Leitlinie offen empfohlen.

Therapie der schweren papulostupustulösen und mäßigen nodulären Akne

Schwere papulopustulöse und mäßige noduläre Akne
Eine orale Isotretinoin-Monotherapie wird für die Behandlung der schweren papulopustulösen Akne/mittelschwere noduläre Akne stark empfohlen.[1] Für die Therapie der schweren papulopustulösen Akne/mäßigen nodulären Akne werden einzelne oder kombinierte topische Therapien, orale Antibiotika als Monotherapie, orale Antiandrogene als Monotherapie (nur bei Frauen), künstliche UV-Bestrahlung und sichtbares Licht als Monotherapie nicht empfohlen. Eine offene Empfehlung gilt bei der Therapie mit Rotlicht, IPL, Laser und PDT.

Therapie der schweren nodulären Akne / Acne conglobata gemäß EU-Leitlinie 2020

Schwere noduläre Akne/Acne conglobata
Stark empfohlen wird für die Behandlung der schweren nodulären Akne/Acne conglobata eine orale Isotretinoin-Monotherapie.[1] Nicht empfohlen werden als Monotherapie topische/orale Antibiotika, Antiandrogene, künstliche UV-Bestrahlung und sichtbares Licht für die Behandlung der nodulären Akne/Acne conglobata. Für die IPL- und Lasertherapie sowie für die PDT wird aktuell in der Leitlinie eine offene Empfehlung ausgesprochen.

Neuzulassung Topisches Retinoid

Seit September 2020 steht mit Trifaroten ein topisches Retinoid der vierten Generation für die Behandlung der Acne vulgaris im Gesicht oder am Rumpf bei Patienten ab zwölf Jahren zur Verfügung. Es ist indiziert, wenn viele Komedonen, Papeln und Pusteln vorhanden sind.[2] Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Vorgängerpräparate, da Trifaroten selektiv an den Retinoid-Rezeptor-Gamma (RAR-gamma) bindet und nicht wie die Vorgänger-Retinoide zusätzlich zu gamma noch an die Untereinheiten alpha und beta. Durch den selektiven Wirkansatz kann die Effektivität verbessert und die Therapiesicherheit gefördert werden (S. 16–17). Das Topikum wird in einer dünnen Schicht einmal täglich abends auf die zu behandelnden Gesichts- und/oder Körperareale aufgetragen. Die Wirksamkeit und Sicherheit wurde in zwei randomisierten, multizentrischen, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studien (PErFEcT 1 und PErFEcT 2) belegt.[3] Trifaroten ist in der Schwangerschaft oder bei Frauen, die eine Schwangerschaft planen, kontraindiziert.[2]

Reduktion der Akneläsionen mit FMX101 4% vs. Schaum-Vehikel

Innovative Wirkstoffe

Für die topische Lokaltherapie der Akne befinden sich aktuell FMX101 4%-Minocyclin-Schaum (FMX101 4%) und Clascoteron-Creme 1% in der Entwicklung:

FMX101 4%-Minocyclin-Schaum

Die Wirksamkeit und Sicherheit des FMX101 4%-Minocyclin-Schaums wurde in einer 12-wöchigen, multizentrischen, randomisierten (1:1), doppelblinden, vehikelkontrollierten Phase-III-Studie für die Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Acne vulgaris bewertet. Koprimäre Endpunkte waren die absolute Veränderung der Anzahl der entzündlichen Läsionen gegenüber Baseline, die Erfolgsrate der Behandlung (Investigator’s Global Assessment Score [IGA] von 0 [erscheinungsfrei] oder 1 [fast erscheinungsfrei]) und einer Verbesserung von 2 oder mehr Graden gegenüber Baseline sowie eine absolute Veränderung der nicht inflammatorischen und inflammatorischen Läsionen gegenüber Baseline ab Woche 12. In die Intent-to-treat-Population wurden 1.488 Teilnehmer eingeschlossen. Eine Gruppe erhielt FMX101 4% und die andere Gruppe erhielt ein Vehikel. Die Studienergebnisse zeigten, dass die FMX101- 4%-Gruppe eine signifikant größere Reduktion der Anzahl entzündlicher Läsionen gegenüber Baseline (p  < 0,0001) aufwies. Zudem stellten die Forscher auf Grundlage des IGA (p < 0,0001) eine höhere Erfolgsrate der Behandlung bei der FMX101-4%-Gruppe im Vergleich zur Vehikel-Gruppe in Woche 12 fest. FMX101 4% war im Allgemeinen sicher und gut verträglich. Die Wirksamkeit und Sicherheit von FMX101 4% wurde bei Teilnehmern mit leichter Acne vulgaris nicht beschrieben. Die Studienautoren resümierten, dass die FMX101 4% für die Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Acne vulgaris sicher und wirksam sei und als topische Behandlungs­option verwendet werden könne (Abb.).[4]

Clascoteron-Creme 1%

In zwei identischen, multizentrischen, randomisierten, vehikelkontrollierten, doppelblinden Phase-III-Studien (CB-03-01/25 und CB-03-01/26) wurden  die Wirksamkeit und Sicherheit von Clascoteron-Creme 1%, einem neuartigen topischen Androgenrezeptor-Inhibitor, beurteilt.  Die Studien wurden von November 2015 bis April 2018 durchgeführt. Die Wirk­samkeit und Sicherheit der Clascoteron-Creme 1%-Anwendung wurde bei Männern und nicht schwangeren Frauen sowie Kindern ab 9 Jahren mit mittelschwerer oder schwerer Akne im Gesicht anhand der IGA-Skala ermittelt. In die Studie wurden Personen mit 30–75 entzündlichen Läsionen und 30–100 nicht entzündlichen Läsionen aufgenommen. Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip entweder in die Clascoteron-Creme-1%-Gruppe oder in die Vehikel-Gruppe eingeteilt. Zwölf Wochen lang trugen die Teilnehmer zweimal täglich etwa 1 g Clascoteron-Creme 1% bzw. das Vehikel auf das ganze Gesicht auf. In den beiden Studien wurden ­insgesamt 1.440 Patienten randomisiert.[5] In die Studie CB-03-01/25 waren 353 Teilnehmer eingeschlossen, die eine Behandlung mit Clascoteron-Creme 1% erhielten und 355 Teilnehmer bekamen eine Behandlung mit einer Vehikel-Creme. In der Studie CB-03-01/26 erhielten 369 Clascoteron-Creme 1% und 363 Teilnehmer das Vehikel. In Woche 12 betrug die Erfolgsrate der Behandlung in beiden Studien 18,4 % (Punktschätzung: 2,3; 95%-KI 1,4–3,8; p < 0,001) bzw. 20,3 % (Punktschätzung: 3,7; 95%-KI 2,2–6,3; p < 0,001) bei der Clascoteron-Creme vs. 9,0 % bzw. 6,5 % mit dem Vehikel. In Woche 12 zeigte sich zudem in beiden Studien (CB-03-01/25 und CB-03-01/26) eine Reduktion der absoluten nicht inflammatorischen Läsionen gegenüber Baseline von -19,4 (Punktschätzungsdifferenz: -6,4; 95%-KI -10,3 bis -2,6; p < 0,001) bzw. -19,4 (Punktschätzungs­differenz: -8,6; 95%-KI -12,3 bis -4,9; p < 0,001) mit der Clascoteron-Creme vs. -13,0 und -10,8 mit dem Vehikel. Ebenso wurde eine Reduktion der ­inflammatorischen Läsionen gegenüber Baseline von -19,3 (Punktschätzungsdifferenz: -3,8; 95%-KI -6,4 bis -1,3; p < 0,001) und -20,0 (Punktschätzungs­differenz: -7,4; 95%-KI -9,8 bis -5,1; p < 0,001) mit der Clascoteron-Creme vs. -15,5 und -12,6 mit dem Vehikel festgestellt. Die Studienautoren schluss­folgerten, dass die Verwendung von Clascoteron-Creme 1 % zur Aknebehandlung eine günstige ­Wirksamkeit und Sicherheit mit niedrigen Neben­wirkungsraten zu zeigen scheine.[5]

Die Autorin

Dr. Lissette Gerke
Privatpraxis für Dermatologie und Ästhetik
40699 Erkrath-Unterfeldhaus

info@duesseldorf-hautarzt.com

[1] Nast A et al., European Evidence-based (S3) Guideline for the Treatment of Acne (Update 2016), long version
[2] Fachinformation Selgamis®, Stand: April 2020
[3] Tan J et al., J Am Acad Dermatol 2019; 80(6): 1691–1699
[4] Raoof TJ et al., J Am Acad Dermatol 2020; 82(4): 832–837
[5] Hebert A et al., JAMA Dermatol 2020; 156(6): 621–630

Bildnachweis: aprott, (istockphoto;) privat

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