Nahrungsmittelallergien können einen Triggerfaktor für die Neurodermitis darstellen. Allerdings sollte eine Diagnostik nur bei Patienten mit moderater bis schwerer atopischer Dermatitis (AD) und begründetem Verdacht erfolgen. Das unbegründete Weglassen zahlreicher Lebensmittel sollte dagegen vermieden werden.
Etwa 30 % der Säuglinge und Kinder mit moderater bis schwerer AD haben gleichzeitig eine Lebensmittelallergie. In der Regel entwickeln diese Kinder bis zum Erwachsenenalter aber eine Toleranz [1,2]. Lange wurde angenommen, dass Nahrungsmittelallergien über eine orale Exposition entstehen. Folglich wurden präventiv Risiko-assoziierte Nahrungsbestandteile gemieden. Inzwischen ist bekannt, dass eine dermale Allergenexposition über die beeinträchtigte Hautbarriere bei AD Sensibilisierungen auslöst, die zu Nahrungsmittelallergien führen können, z. B. bei Erdnüssen [1]. Die daraus resultierende Hypothese von der dualen Exposition besagt, dass Toleranz entstehen kann, wenn die orale vor der dermalen Allergenexposition liegt [3].
Wann ist die Abklärung empfehlenswert?
Über 80 % der Kinder mit AD sind von milden Ekzemen betroffen. Sind bisher keine Sofortreaktionen aufgetreten, ist keine Abklärung von Nahrungsmittelallergien notwendig. Diese sollte nur bei – unabhängig von einer adäquaten Behandlung – moderat bis schwer ausgeprägter AD erfolgen [1]. Bei hohem Sensibilisierungsgrad oder anamnestischen Hinweisen kann eine Abklärung der klinischen Relevanz von Nahrungsmitteln als Triggerfaktoren auch bei Jugendlichen und Erwachsenen sinnvoll sein [4].
Diagnostik der Nahrungsmittelallergie
Die häufigsten Nahrungsmittelallergene bei Kleinkindern sind Kuhmilch, Hühnerei, Erdnuss und Soja, bei älteren Kindern sind es Weizen, Fisch, Nüsse und Schalentiere. Bei Verdacht auf eine IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie beginnt die Diagnostik mit der Anamnese – ggf. mit Ernährungs- und Symptomprotokoll. Werden zum Sensibilisierungstest bei Patienten mit AD quantitative IgE-Konzentrationen bestimmt, ist zu berücksichtigen, dass ein hohes Gesamt-IgE (z. B. > 2 000 kU/l) häufig mit zahlreichen Sensibilisierungen fraglicher klinischer Relevanz verknüpft ist. Hauttestungen wie der Prick-Test zeigen bei Nahrungsmittelallergie beispielsweise gegen Milch, Ei oder Erdnüsse bei Kindern mit AD eine hohe diagnostische Sensitivität und einen hohen negativen, jedoch begrenzten positiven prädiktiven Wert. Der Atopie-Patch-Test, z. B. mit frischen Nahrungsmitteln, bietet nur selten eine wertvolle Zusatzinformation und wird von der EAACI bisher nicht in der klinischen Praxisroutine empfohlen, da es dem Verfahren an Standardisierung mangelt [1,2].
Zur Ermittlung der klinischen Relevanz der Befunde kann eine diagnostische Eliminationsdiät eingesetzt werden [2]. Diese birgt gemäß dem Konzept der dualen Exposition bei Kindern mit AD das Risiko einer Sensibilisierung, wenn zuerst die Haut und später dann die Schleimhaut mit dem Nahrungsmittelallergen in Kontakt kommt [3].
Nur in Ausnahmefällen sollte die kontrollierte Vermeidung von Nahrungsmitteln länger als ein bis maximal zwei Wochen dauern. Kommt es unter der Eliminationsdiät zur Besserung der klinischen Symptome, folgt die orale Nahrungsmittelprovokation. Da sich das Ekzem erst nach mehreren Stunden oder am nächsten Tag verschlechtern kann, sollte die Haut erst am Folgetag beurteilt werden. Die doppelblind placebokontrollierte Nahrungsmittelprovokation wird als Goldstandard für die Diagnose einer Nahrungsmittelallergie angesehen und von der EAACI bei verzögerten oder subjektiven Reaktionen empfohlen. Sie ist offenen Provokationen vorzuziehen [2], die allerdings bei sofortigen oder objektiven Reaktionen unverblindet durchgeführt werden können [1].
Evelyn Brückner-Esslinger
Ärztin mit Schwerpunkt Ernährungsmedizin
76227 Karlsruhe
Bei Säuglingen und Kindern mit mittlerer bis schwerer Symptomatik einer atopischen Dermatitis (AD) sollte eine gleichzeitig bestehende Nahrungsmittelallergie abgeklärt werden. Dafür stehen Labortests wie die IgE-Bestimmung und der Prick-Test mit hoher diagnostischer Sensitivität zur Verfügung. Den Goldstandard bildet jedoch die doppelblind placebokontrollierte Nahrungsmittelprovokation. Diese wird gemäß EAACI-Empfehlung bei verzögerten und subjektiven Reaktionen eingesetzt.
Die Abklärung von Nahrungsmittelallergien sollte vornehmlich bei Patienten mit moderater bis schwerer AD mit begründetem Verdacht durchgeführt werden. Bei positivem Nachweis sollte der Triggerfaktor in der Ernährung über sechs Monate eliminiert und dies kontinuierlich evaluiert werden [1]. Das ungerechtfertigte Auslassen spezifischer Lebensmittel kann die (Mikro-)Nährstoffversorgung gefährden und zum Toleranzverlust führen, mit dem Risiko einer Anaphylaxie bei Wiedereinführung [1,4]. Eine Immuntoleranz kann durch die frühe orale Einführung von Nahrungsmittelallergenen erreicht werden [1]. Die Stärkung der Hautbarriere mit Emollienzien auch während läsionsfreier Phasen kann das Risiko für Lebensmittelallergien ebenfalls reduzieren.
1 Domínguez O et al., Curr Pediatr Rev 2020; 16: 115–122
2 Worm M et al., S2k-Leitlinien-Update Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien. AWMF-Reg.-Nr. 061-031; 2021
3 Singh AM et al., J Allergy Clin Immunol Pract 2022; 10: 697–706
4 Werfel T et al., S2k-Leitlinie Neurodermitis. AWMF-Reg.-Nr. 013-027; 2015
Bildnachweis: privat