Dermatologen trifft eine besondere Aufklärungspflicht – etwa bei ästhetischen Eingriffen oder individuellen Rezepturarzneimitteln. Verstöße dagegen gelten als Aufklärungspflichtverletzung und können zu Ansprüchen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld im Arzthaftpflichtprozess führen.
Der Gesetzgeber sieht ein gesteigertes Maß an Beratung und Aufklärung bei operativen Eingriffen vor, die die Ästhetik beeinflussen, da viele ästhetische Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit und Indikation durchgeführt werden. Das ist von Bedeutung, da eine Aufklärungspflichtverletzung im Prozess vom Patienten oft als „Ersatzhaftungsgrund“ geltend gemacht wird, wenn er einen Behandlungsfehler, d. h. Fehler, Schaden, Kausalität und Verschulden des Arztes, nicht eindeutig beweisen kann. Die Beweislast für eine ordnungsgemäße Aufklärung liege dagegen beim Arzt, erklärte Prof. Dr. med. Thomas Dirschka (Wuppertal). Dabei müssen zwei Formen der ärztlichen Aufklärung unterschieden werden: Die Risikoaufklärung ist Kern der Selbstbestimmungsaufklärung. Es geht darum, dem Patienten im Großen und Ganzen die Gefahren einer ärztlichen Behandlung zu erläutern. Bei der Sicherungsaufklärung oder therapeutischen Aufklärung geht es dagegen etwa um die Aufklärung über das Verhalten nach einer Behandlung oder einem Eingriff zur Sicherung des therapeutischen Ergebnisses.
Risikoaufklärung bei ästhetischen Operationen besonders wichtig
Besonders wichtig ist eine korrekte Risikoaufklärung, die – nach ständiger Rechtsprechung – in einem Arzt-Patienten-Gespräch stattfinden muss. Sie ist zwar generell formfrei und bedarf eigentlich keiner Schriftform sowie auch keiner Unterschrift des Patienten; gerade aus Beweisgründen ist aber eine schriftliche Aufklärung mit Patientenunterschrift dringend anzuraten.
Der Nachweis eines individuellen Arzt-Patienten-Gesprächs kann durch den Einsatz von Kommentaren, Zeichnungen etc. auf dem (vorformulierten) Aufklärungsbogen, durch Hervorhebung von Behandlungsalternativen und eingriffstypischen Risiken, geführt werden. Aufgeklärt werden muss in groben Zügen über das Behandlungsverfahren einschließlich existierender Diagnostik- und/oder Behandlungsalternativen.
Dabei seien die eingriffstypischen Risiken bis zu einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 1 : 5 Millionen (!) mitzuteilen, betonte Dirschka. Zudem ist die Aufklärung dem jeweiligen geistigen und intellektuellen Niveau des Patienten anzupassen. Die Aufklärungsverpflichtung kann zwar vom behandelnden Arzt an einen Kollegen delegiert werden, der delegierende Arzt muss jedoch wissen, dass sämtliche Fehler und Unzulänglichkeiten in diesem Arzt-Patienten-Gespräch zu seinen Lasten gehen. Weiter muss die Aufklärung zeitgerecht erfolgen, wobei insbesondere bei ästhetischen Eingriffen eine zeitliche Distanz von etwa 24 Stunden gesetzt wird. Dieser Zeitraum kann allerdings gerade bei stationären Patienten problematisch und nicht immer einzuhalten sein.
Besondere Anforderungen stellen sich bei der Aufklärung nicht deutschsprachiger Patienten sowie von Jugendlichen und Heranwachsenden; hier ergibt sich ggf. ein erhöhtes Haftungsrisiko für den Arzt: Beim nicht Deutschsprachigen muss der Arzt sich in der Landessprache des Patienten verständlich machen können. Falls ein Dolmetscher hinzugezogen wird, gehen dessen Fehler zulasten des behandelnden Arztes!
Bei Jugendlichen und Heranwachsenden ist nicht deren Geschäftsfähigkeit, die mit Vollendung des 18. Lebensjahres erreicht wird, entscheidend, sondern deren geistige Entwicklung und Reifezustand. Bei entsprechender Eignung muss keine Einwilligung der Eltern eingeholt werden.
Minderjährige dürfen somit in eine ästhetische Behandlung einwilligen. Diese Einwilligungsfähigkeit gehe aber mit einer beschränkten Geschäftsfähigkeit einher, erklärte Dirschka: So sei der minderjährige Leistungsempfänger (im Bereich der Selbstzahler-Medizin) nicht zur Zahlung verpflichtet, sofern er nicht von einem gesetzlichen Vertreter zu diesem Geschäft bevollmächtigt wurde.
Rezepturarzneimittel erfordern eine umfassende Aufklärung
Auch bei individuellen Rezepturarzneimitteln, wie sie in der Dermatologie nicht selten eingesetzt werden, ist in jedem Fall eine umfassende mündliche Aufklärung erforderlich. Hier gibt es zudem keine Erleichterung der Aufklärungspflicht durch die Gebrauchsinformation wie bei Fertigarzneimitteln, weil eine solche Gebrauchsinformation schlichtweg nicht vorhanden ist.
Die umfassende mündliche Aufklärung muss sich gegebenenfalls auch darauf erstrecken, dass ein äquivalentes Fertigarzneimittel verfügbar ist, und die Notwendigkeit begründen, trotzdem das Rezepturarzneimittel zu verschreiben. Auch müssen bestimmte Inhaltsstoffe (z. B. Kortikosteroide) dem Patienten mitgeteilt werden.
Jede Rezeptur benötigt zudem verbindlich eine Signatur: Gemäß der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) muss die sachgerechte Anwendung durch eine „Gebrauchsanweisung“ erläutert werden, denn ohne Angaben zum Gebrauch darf der Apotheker das Arzneimittel nicht aushändigen. Zudem dient die Signatur auch dazu, den Apotheker in die Lage zu versetzen, die Verordnung auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Ein Rezept ohne Signatur könne für den Arzt erhebliche haftungsrechtliche Bedeutung haben, falls nämlich der Patient durch fehlerhafte Anwendung einer Rezeptur Schäden erleide, warnte Dirschka.
Vortrag Prof. Dr. med. Thomas Dirschka „Hot Topic – Dermatologie“, 15. Dermatologie-Update-Seminar und 16. DGIM-Internisten-Update-Seminar (Veranstalter: med update GmbH), November 2021