Im Jahr 2022 belegte die operative Oberlidstraffung in Deutschland mit einem Anteil von 16,3 % erstmals den ersten Platz unter den invasiven ästhetischen Maßnahmen. In Zeiten von Maskentragen und häufigen Video-Meetings auf Patientenseite durchaus nachvollziehbar – aus ärztlicher Sicht jedoch ein Eingriff mit Risiken.
Bei der Blepharoplastik des Oberlides wird überschüssige Haut durch Erschlaffung des Bindegewebes (Blepharochalasis) reseziert. Der Eingriff erfolgt meist in Lokalanästhesie. Die Auswirkungen der Blepharoplastik auf das Erscheinungsbild sind im Vergleich zu anderen ästhetischen Maßnahmen (abgesehen vom Facelift) gravierend und v. a. anhaltend. Klar ist aber: es handelt sich nicht um eine „Einsteiger-OP“, denn relevante Risiken existieren und die Korrektur misslungener Eingriffe ist anspruchsvoll.
Indikationsstellung
Die Oberlidstraffung soll die Lidhauterschlaffung inkl. prolabierender Fettpolster korrigieren. Differenziert wird zwischen medizinischer und ästhetischer Indikation. Die medizinische liegt bei starker Erschlaffung der Lidhaut mit auf den Wimpern liegender Hautfalte vor. Eine präoperative ophthalmologische Vorstellung zur perimetrischen (objektiven) Dokumentation der Gesichtsfeldeinschränkung empfiehlt sich. Bei Indikationsstellung ist unbedingt ein „Pseudo-Schlupflid“ durch Ptose der Augenbrauen auszuschließen, das eine Kontraindikation für eine Lidstraffung darstellt und die Absenkung der Brauen durch Brauen- oder Stirnlift erfordert.
Präoperative Vorbereitungen
Wesentlichste Aufgabe präoperativ ist die Patientenaufklärung. Die wichtigsten Risikofaktoren sind Hämatome, Schwellungen, Nachblutungen, Entzündungen, Asymmetrie, Über- und Unterkorrektur, Rezidive sowie Narbenbildung. Aus juristischer Sicht sind Verletzungen der Augenmuskeln und Verlust des Sehvermögens zu nennen, auch wenn sie im „medizinischen Alltag“ kaum vorkommen.
Eingriffe unter Antikoagulation sind möglich, jedoch mit erhöhtem Risiko für Nachblutungen und Hämatome. Von Operationen unter Clopidogrel plus ASS ist abzuraten. Die präoperative Perimetrie kann bei der Begründung einer medizinischen Indikation helfen. Auf Fotodokumentationen prä- und postoperativ sollte aus forensischen Gründen geachtet werden.
Ästhetische Eingriffe werden nach GOÄ zuzüglich Mehrwertsteuer abgerechnet. Hier sollte unbedingt vorab mit dem Patienten ein Behandlungsvertrag mit Kostenvoranschlag abgeschlossen werden. Abrechnungen mit Pauschalen sind nicht statthaft. Laut Rechtsprechung hat jeder Patient ein Anrecht auf eine Abrechnung nach GOÄ. Bei medizinisch indizierten Lidstraffungen (nach GOÄ bzw. EBM abgerechnet) kann eine vorherige Kostenübernahmeanfrage je nach Krankenkasse sinnvoll sein. Lidstraffungen werden in der Regel ambulant durchgeführt. Ein Eingriffsraum ist ausreichend.
Anästhesie
Lidstraffungen sind in verschiedenen Anästhesieformen durchführbar. Am verbreitetsten ist die Lokalanästhesie mit oder ohne Adrenalinzusatz sowie die Tumeszenz-Lokalanästhesie. Lokalanästhetika mit Adrenalinzusatz reduzieren intraoperative Blutungen und postoperative Hämatome, erfordern aber eine sorgfältigere Blutstillung intraoperativ. Bei unruhigen Patienten kann eine zusätzliche Sedierung und Anästhesiebegleitung erwogen werden. Vollnarkosen sind möglich, meist aber nicht erforderlich.
OP-Planung
A und O einer gelungenen Lidstraffung ist das Festlegen der Schnittführung (Abb. 1 A). Sie sollte am sitzenden Patienten unter alltagsüblichen Schwerkraftverhältnissen erfolgen. Zunächst wird die Umschlagfalte des Lides eingezeichnet, beginnend auf Höhe des Tränenpünktchens und im Bogen zur Außenseite des Oberlides führend. Der durchschnittliche Abstand von der Lidkante zur Umschlagfalte beträgt bei Männern ca. 8 mm, bei Frauen 9–10 mm. Im zweiten Schritt wird abhängig vom Hautüberschuss die Breite des zu resezierenden Hautlappens in einem Bogen über der markierten Umschlagfalte festgelegt und eingezeichnet [1]. Eine anatomische Pinzette zum Fassen der Hautfalte hat sich bewährt (Pincing). Wichtigste Regel für die Planung der Schnittführung: „Lieber zu wenig als zu viel.“ Unterkorrekturen sind leicht zu beheben, Überkorrekturen ziehen aufwendige Re-Operationen mit Interponaten und teils dauerhaften Funktionseinbußen nach sich.
OP-Durchführung
Die OP wird in Rückenlage durchgeführt, unter z. B. 6–8 ml Tumeszenz-Lösung (TLA 0,21 %) pro Seite. Zunächst wird der eingezeichnete Hautlappen reseziert, meist unter Mitnahme von Teilen des M. orbicularis (Abb. 1 B) [2]. Die anschließende Blutstillung mittels bipolarer Pinzette sollte sorgfältig erfolgen, um Nachblutungen/Hämatome zu minimieren. Prolabierende Fettpolster im medialen Augenwinkel können unter Eröffnung des orbitalen Septums nun reseziert werden. Die Blutstillung im Stiel des Fettpolsters muss mit größter Sorgfalt erfolgen, um schwer kontrollierbare Blutungen zwischen Orbita und Bulbus zu verhindern. Fettpolster können auch mit dem Elektrokauter verödet und geschrumpft werden, was die Blutungsgefahr reduziert [3]. Die Adaptation der Wundränder erfolgt mit feinen Nähten – je nach Operateur durch Einzelknopfnähte oder fortlaufend (Abb. 1 C). Skalpell-Varianten für die Resektion überschüssiger Hautlappen: CO2-Laser mit fokussiertem Strahl oder Radiofrequenz-Chirurgie.
Nachsorge
Der Patient sollte postoperativ intermittierend kühlen, den Oberkörper erhöht halten und körperliche Anstrengung vermeiden. Brillenhämatome nach Lidstraffung sind normal und klingen meist nach 1 Woche ab. Ebenso Oberlidschwellungen, die aber mehrere Wochen anhalten können. Die Wunde sollte trocken gehalten werden. Der Fadenzug erfolgt etwa nach 1 Woche. Ab dann kann der Patient auch mit einer intensiven Pflege von Haut und Narbe mit nicht spreitenden Kosmetika beginnen. Sonnenschutz ist in den ersten 8 Wochen besonders wichtig, um Hyperpigmentierung der Narben zu vermeiden.
Komplikationen
Wundheilungsstörungen und Infekte sind insgesamt sehr selten. Nachblutungen sind bei sorgfältiger intraoperativer Blutstillung selten und sistieren bei oberflächlichen Gefäßen unter Kühlung meist von selbst. Gefährlich sind größere Blutungen, die zu Druck auf Bulbus und Sehnerv führen und entlastet sowie sorgsam gestillt werden müssen, da sonst Verluste des Sehvermögens resultieren (Risiko 1 : 10 000) [4]. Asymmetrien bestehen in jedem Gesicht, leichte Ausprägungen sind daher bei der Schnittführung nicht bedeutsam, v. a. wenn die Schnittführung korrekt in der Umschlagfalte erfolgt. Asymmetrien der Lider durch unterschiedlich ausgedehnte Hautresektionen können eine Korrekturoperation erforderlich machen. Unterkorrekturen sind ärgerlich für Patient und Operateur, lassen sich jedoch einfach durch Resektion eines weiteren Hautlappens korrigieren. Überkorrekturen führen zu einem inkompletten Lidschluss mit konsekutiver Austrocknung der Cornea. Übergangsweise können befeuchtende Augentropfen verwendet werden. Relevante Überkorrekturen lassen sich nur operativ durch Einsetzen eines Interponates, z. B. vom Unterlid, beheben. Das ästhetische Ergebnis nach solchen Korrekturoperationen ist oft unbefriedigend. Ektropium ist eine gängige Komplikation der unteren Lidstraffung, am Oberlid tritt sie aufgrund der besonderen Anatomie des Lides quasi nicht auf. Ptosis kann bei inkorrekter Resektion der überschüssigen Haut oder Vernarbungen auftreten [5]. Allergien gegen perioperativ verwendete Substanzen (Lokalanästhesie, Desinfektion, Latexhandschuhe) sind sehr selten.
Alternativen zur OP
Plasma Pen: Punktuelle Schrumpfung der Lidhaut durch Wärmeeffekte bei milder Blepharochalasis.
Fraktionierter CO2-Laser: Oberlidstraffung bei milder Blepharochalasis (ggf. mehrere Sitzungen) oder Korrektur leichter Asymmetrien postoperativ.
Der Autor
PD Dr. med. Wolfgang Koenen
Facharzt für Chirurgie, Facharzt für Dermatologie und Venerologie
Privatärztliches Haut-, Ästhetik- und Laserzentrum
67098 Bad Dürkheim
1 Radulesco T et al., Eur Ann Otorhinolaryngol Head Neck Dis 2021; 138: 141–2
2 Weissmann JD et al., Facial Plast Surg 2013; 29: 16–21
3 Lyon DB, Mo Med 2010; 107: 383–90
4 Hass AN et al., Ophthalmic Plast Reconstr Surg 2004; 20: 426–32
5 Baek JS et al., J Craniofac Surg 2018; 29: 1208–11
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