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Allgemeinmedizin

Antibiotikatherapie

Penicillinallergie seltener als angenommen

Prof. Dr. med. Ludger Klimek

Ungefähr 10 % der Bevölkerung sind der Ansicht, an einer Penicillinallergie zu leiden. Aufgrund dessen weichen Behandler oft auf andere Antibiotika aus. Die Folgen sind vermehrtes Therapieversagen, mehr Nebenwirkungen und die Ausbildung von Problemkeimen.

ß-Laktamantibiotika wie Penicillin spielen eine wichtige Rolle in der Behandlung von Atemwegsinfektionen. Sie können einen Großteil der beteiligten Bakterien behandeln und somit den Einsatz von Reserve-Antibiotika überflüssig machen. Nach Daten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e. V. ist das Breitspektrum-Penicillin Amoxicillin das am häufigsten zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen verordnete Antibiotikum. Allerdings sind ca. 10 % der Gesamtbevölkerung der Ansicht, eine Penicillinallergie zu haben und werden daher gegebenenfalls die Einnahme eines ß-Laktamantibiotikums verweigern – bzw. werden verantwortungsvolle Ärzte oder Apotheker für diese Patienten nach anderen Möglichkeiten einer antibiotischen Therapie suchen. Tatsächlich haben aber nur etwas mehr als 1 % der Bevölkerung eine echte Penicillinallergie. Nicht selten werden pharmakologische Antibiotikanebenwirkungen als Allergien fehlinterpretiert, und virale Atemwegsinfekte können selbst Exantheme verursachen oder eine Urtikaria triggern.
Die verfehlte Annahme einer Penicillinallergie führt oftmals zur Verwendung alternativer Antibiotika, was zu vermehrten Therapieversagern, mehr Nebenwirkungen und Ausbildung sogenannter Problemkeime wie Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) führt. Das Entstehen von Antibiotikaresistenten Bakterien wird als zunehmende weltweite Bedrohung angesehen.

Was ist eine Penicillinallergie?

Antibiotikaallergien werden in der deutschen Leitlinie definiert als Überempfindlichkeitsreaktionen, denen eine immunologische Reaktion der Typen I–IV nach Coombs und Gell zugrunde liegt. In der europäischen Leitlinie werden sie definiert als Reaktionen auf Medikamente, bei denen IgE- oder T-Zell-vermittelte immunologische Mechanismen nachweisbar oder zumindest sehr wahrscheinlich sind.
Penicillinallergien können in allergische Sofortreaktionen (innerhalb von Minuten bis wenigen Stunden zwischen Einnahme und Symptomatik) oder Spätreaktionen (nach mehreren Stunden bis einigen Tagen) eingeteilt werden. Ein relativ typisches Sofortphasen-Symptomspektrum kann von akuter Urtikaria und Angioödemen bis hin zum anaphylaktischen Schock (allergischer Schock bis zum Tod) reichen. Das Spektrum klinischer Spätreaktionen ist weitaus vielgestaltiger, es reicht von unkomplizierten makulo­papulösen Exanthemen über arzneimittelinduzierte Systemreaktionen bis hin zu den potenziell lebensbedrohlichen schweren bullösen Arzneimittelreaktionen (Stevens-Johnson-Syndrom und toxische epidermale Nekrolyse).

Allergiediagnostik

Die allergologische Diagnostik bei einem Allergieverdacht gegen ß-Laktamantibiotika wird anhand der anamnestischen Angaben geplant und beinhaltet die serologische Messung von IgE-Antikörpern, Haut- und Provokationstests.
Die Diagnostik sollte möglichst innerhalb eines Jahres nach der klinischen Reaktion erfolgen, da man davon ausgeht, dass Sensibilisierungen mit der Zeit langsam abnehmen und diagnostische Tests (falsch-)negativ werden. IgE-vermittelte Sensibilisierungen können serologisch und in Hauttests mitunter bereits innerhalb eines Jahres nach dem Ereignis nicht mehr nachweisbar sein, was jedoch keinesfalls mit einer klinischen Toleranzentwicklung gleichzusetzen ist.
In den meisten Fällen hat der allergologisch tätige Arzt die klinischen Symptome nicht selbst gesehen und ist auf anamnestische Schilderungen von Patien­ten, Dokumentationen in Krankenakten oder Informationen von behandelnden Kollegen angewiesen.
Für die Planung der Diagnostik ist neben der genauen Identifikation des verdächtigen ß-Laktamantibiotikums die Einordnung der Symptomatik besonders wichtig, entweder als anaphylaktische Sofort- oder als exanthematische Spätreaktion.
Die Allergiediagnostik mit den sogenannten Amino- benzylpenicillinen (abgekürzt Aminopenicilline) ist von besonderer praktischer Bedeutung, denn Amoxicillin und Ampicillin gehören zu den am häufigsten verordneten Antibiotika und sind gleichzeitig häufige Auslöser allergischer Exantheme (sehr viel seltener auch anaphylaktischer Sofortreaktionen). Eine Aminopenicillinallergie als Ursache für eine exanthematische Hautreaktion kann mit hoher Sensitivität und Spezifität bereits durch Ampicillin- und Amoxicillin-Hauttestungen diagnostiziert oder ausgeschlossen werden.
Während zwischen Aminobenzylpenicillinen und Benzyl-/Phenoxymethylpenicillin zu einem Teil Kreuzreaktionen beobachtet werden, in einer Studie mit Spättypallergikern lag die Kreuzreaktivität bei 40 %, vertragen Aminopenicillinallergiker sehr ­häufig Cephalosporine mit andersartigen R1-Seitenketten, z. B. Cefpodoxim, Ceftriaxon oder Cefuroxim. Dagegen werden Kreuzallergenitäten zwischen Aminopenicillinen und bestimmten oralen Cephalosporinen der ersten Generation wie den Aminocephalosporinen, Cefalexin, Cefaclor und Cefadroxil, aufgrund gemeinsamer Aminobenzyl-R1-Seiten­ketten häufiger beobachtet.
In Situationen, in denen keine therapeutischen Alternativen zur Verfügung stehen, z. B. intravenöse Neuroluestherapie mit Penicillin G, ist bei gesicherter IgE-vermittelter Benzylpenicillinallergie (Anaphylaxieanamnese, positive IgE-Tests) in Einzelfällen eine Toleranzinduktion zu erwägen. Eine mittels Toleranzinduktion einmal erreichte Penicillintoleranz besteht in der Regel nur passager (man spricht von Kurzzeittoleranz), nach Therapieunterbrechung sollte daher von einem Toleranzverlust ausgegangen werden.
Der sichere Ausschluss von Penicillinallergien ist eine wichtige allergologische Aufgabe, weil dadurch zukünftige Antibiotikatherapien optimiert und zudem Resistenzentwicklungen vorgebeugt werden.

Der Autor

Prof. Dr. med. Ludger Klimek
Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen
Zentrum für Rhinologie und Allergologie
65183 Wiesbaden

ludger.klimek@allergiezentrum.org

Literatur beim Autor

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