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Allgemeinmedizin

Anaphylaxie

Was tun beim anaphylaktischen Schock in der Hausarztpraxis?

Steffen Robens

14.8.2022

Ein anaphylaktischer Schock ist ein lebensbedrohliches Ereignis. Unter anderem können bisher unbekannte Arzneimittelallergien eine einfache medikamentöse Therapie in einen hochdynamischen Notfall verwandeln. Wenn sich eine Anaphylaxie bis ins Schockstadium steigert, muss zügig therapiert werden.

Wie bei allen Schockformen handelt es sich bei einem durch eine allergische Reaktion ausgelösten Schock um eine Kreislaufstörung, die zu einer Minderperfusion in vitalen Organsystemen führt. So entsteht eine globale Hypoxie mit einer metabolischen Störung. Ultimativ führt dies zu einem Kreislaufversagen. Epidemiologisch werden 1–2 % der von einer Anaphylaxie Betroffenen in einem Krankenhaus der Maximalversorgung vorgestellt. Laut Schätzungen sterben pro Jahr ein bis drei Personen pro eine Million Einwohner durch eine Anaphylaxie. Während in Deutschland bei Kindern Nahrungsmittelallergien die häufigsten Auslöser einer Anaphylaxie sind, sind es bei Erwachsenen Arzneimittel und Insektenstiche. Die Entwicklung bis hin in den Schockzustand ist sehr selten, kann aber insbesondere bei der Gabe neuer Medikamente nicht ausgeschlossen werden.

Bei einer nicht immunologischen Überreaktion, etwa infolge der Gabe eines Medikamentes, sorgt das Antigen für eine Ausschüttung von Mediatorsubstanzen aus den Basophilen und den Mastzellen. Histamin, Bradykinin, Serotonin, Leukotriene und Prosta­glandine führen zu den Symptomen der allergischen Reaktion. Letztendlich kommt es durch eine Vasodilatation und eine Volumenverschiebung zu einer relativen Hypovolämie. Die anaphylaktische Reaktion wird gemäß der S2k-Leitlinie „Akuttherapie und Management der Anaphylaxie“ in vier Grade unterteilt (Tab.).

In der Praxis reagieren die Patienten mit heftigen, sehr deutlichen Symptomen. Im Gegensatz zu anderen Schockformen wird die Haut rot und warm (Flush). Begleitet durch Juckreiz können sich Urtikaria und ein Angioödem entwickeln. Vital entscheidend sind die respiratorischen und kardiozirkulatorischen Veränderungen. Hämodynamisch markant ist die arterielle Hypotension (RRsys < 100 mmHg) bei gleichzeitiger Tachykardie. Durch die schlechte Gewebeperfusion ist die Rekapillarisierungszeit länger als zwei Sekunden. Das Histamin sorgt für ein Anschwellen der Atemwege. Es kann zu einem Larynxödem mit gut hörbarem inspiratorischem Stridor und ausgeprägter Dyspnoe kommen. In den unteren Atemwegen kann das Histamin zu einer vermehrten Sekretion führen und einen Bronchospasmus auslösen.

Erstlinientherapie: Adrenalin i.m. so früh wie möglich

Was also tun, wenn der Patient etwa bei einem erstmals gegebenen Medikament in der Hausarztpraxis akut anaphylaktisch reagiert? Erkennt der Arzt bereits erste Anzeichen für ein laufendes Schockgeschehen, sollte er unmittelbar den Rettungsdienst zu Hilfe rufen und mit der Erstversorgung nach Leitlinie beginnen. So sollte jeder Hausarzt einen Notfallkoffer besitzen, der alles enthält, um die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes überbrücken zu können – auch eine kleine Sauerstoffflasche. Die Notfallversorgung verläuft gewohnt nach cABCDE-Schema. Ist der Grund der Anaphylaxie bekannt, sollte die Antigenzufuhr sofort gestoppt werden.

Adrenalin (Epinephrin) ist beim anaphylaktischen Schock das entscheidende Medikament. Gemäß S2k-Leitlinie wird eine sofortige intramuskuläre Gabe von 0,15 bis 0,6 mg Adrenalin in die Außenseite des Oberschenkels empfohlen. Das kann alle fünf bis zehn Minuten wiederholt werden. Damit im Notfall keine wertvolle Zeit vergeht, bietet sich die Verwendung eines Adrenalin-Autoinjektors an. Adrenalin erweitert die Bronchiolen, bewirkt eine arterielle Vasokonstriktion, erhöht die myokardiale Kontraktilität und hemmt die Histaminausschüttung. In der Leitlinie wird die intramuskuläre Gabe gegenüber der i. v.-­Gabe bevorzugt, weil das Risiko kardialer Nebenwirkungen so geringer ist. Droht jedoch eine Kreislaufdekompensation, sollte zusätzlich 1 mg Adrenalin in einer Infusion mit 100 ml NaCl 0,9 % (entspricht 10 µg/ml) aufgelöst und intravenös verabreicht werden.

VIP: Ventilation, Infusion, Pumpen

Die Hypovolämie wird – beim kardial suffizienten Patienten – mit zwei großlumigen venösen Zugängen und 2 000 – 3 000 ml kristalloider Flüssigkeit bekämpft. Diese sollte der Patient in den ersten 30 Minuten erhalten. Das passive Anheben der Beine ist als unterstützende Maßnahme immer noch durch die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) empfohlen. Sauerstoff wird nicht in allen Hausarztpraxen bevorratet. Ist aber ein entsprechendes Gerät vorhanden, sollte der Patient sofort hochdosiert reinen Sauerstoff (15 l/min) per Maske mit Reservoir erhalten. Gegen einen Bronchospasmus kann Adrenalin unverdünnt (1 mg/ml) vernebelt werden. Inhalativeβ-Adrenozeptor-Agonisten wie etwa Salbutamol können zusätzlich verabreicht werden.

Für diese wichtigsten Maßnahmen kann sich der Arzt das Akronym VIP (Ventilation, Infusion, Pumpen) als Eselsbrücke merken. Ist danach noch Zeit, bieten sich folgende ergänzende Maßnahmen an: Da Hista­min bei der anaphylaktischen Reaktion eine zentrale Rolle zukommt, liegt der Griff zu Antihistaminika nahe. Die Wirkung bei akuter Urtikaria oder Rhinokonjunktivitis ist unbestritten. Zur i. v.-Therapie sind aktuell nur Histamin-1(H1)-­Antagonisten der ersten Generation wie Dimetinden (0,1 mg/kg KG) und Clemastin (0,05 mg/kg KG) zugelassen. Auch Glukokortikoide werden von der Leitlinie empfohlen (500 – 1 000 mg unabhängig von der Potenz der Substanz). Leider wirken sie frühestens nach 10 – 30 Minuten. Bereits 2012 konnte ein Cochrane-Review keine Evidenz für den Benefit von Glukokortikoiden finden. Sowohl Antihistaminika als auch Glukokortikoide retten dem Patienten nicht das Leben und dürfen daher den VIP-Maßnahmen nicht im Wege stehen.

Literatur bei der Redaktion

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