Neueste Erkenntnisse zeigen auf, dass das Mikrobiom eine wichtige Rolle in der menschlichen Alterung spielt und mögliche Ansatzpunkte für die Therapie alterungsbezogener Krankheiten bietet. Auch in der Therapieantwort scheint es eine Rolle zu spielen.
Die bakterielle Gemeinschaft in unserem Darm, das Darmmikrobiom, spielt eine wichtige Rolle in unserer Gesundheit. Dabei ist bekannt, dass dessen Zusammensetzung von einer Vielzahl an Faktoren wie der Ernährung, dem Lebensstil, physischer Aktivität, Medikation und Erkrankungen beeinflusst wird. Da diese bakterielle Gemeinschaft tausende Spezies umfassen kann, gewinnen wir nur langsam Einblick in das komplexe Netzwerk an Interaktionen zwischen dem Menschen und seinem Mikrobiom.
Während Veränderungen im Mikrobiom im Säuglings- und Kindesalter relativ schnell ablaufen, ist das Mikrobiom nach der Pubertät relativ stabil und verändert bis ins hohe Alter nur noch langsam seine Zusammensetzung. Dabei wurde beobachtet, dass mit zunehmendem Alter die Häufigkeit von kommensalen bakteriellen Spezies abnimmt, die einen positiven Effekt auf den Wirt haben, während die Häufigkeit von potenziell pathogenen Spezies zunimmt. So konnte eine Computersimulation des Mikrobioms zeigen, dass die Interaktion zwischen dem Wirt und seinem Mikrobiom im Laufe der Alterung abnimmt. Dabei zeigte sich, dass das Mikrobiom von älteren Probanden weniger Stoffwechselprodukte produziert, die der Wirt nutzen kann (bestimmte Vitamine, kurzkettige Fettsäuren), während es gleichzeitig stärker mit dem Wirt um gemeinsame Nährstoffe konkurriert. Gleichzeitig nimmt auf der Seite des Wirtes die Häufigkeit von gastrointestinalen Pathologien, z. B. Obstipation oder eine reduzierte Darmbarrierefunktion, zu, durch die vermehrt entzündungsfördernde bakterielle Produkte in die Blutbahn gelangen.
Jedoch ist bisher nur wenig verstanden, welche der Änderungen im Mikrobiom im Laufe der Alterung nur Konsequenzen von Änderungen im Wirt sind und welche tatsächlich kausal zur Alterung im Wirt beitragen. Um diesem Problem zu begegnen, wurden Computermodelle des Stoffwechsels von Wirt und Mikrobiom entwickelt, mit denen untersucht wird, welche altersbezogenen Veränderungen im Mikrobiom tatsächlich kausal zur Alterung beitragen. Dass das Mikrobiom eine kausale Rolle in der Alterung spielt, konnte im Tiermodell durch Stuhltransplantation gezeigt werden, bei dem das Mikrobiom von einem Spender in einen Empfänger transferiert wird. Es wurde beobachtet, dass die Stuhltransplantation aus älteren in junge Tiere verschiedene Aspekte der Alterung im Empfänger induziert, z. B. eine reduzierte Darmbarrierefunktion oder ein leichtgradiger systemischer Entzündungsphänotyp, wie er bei vielen Alterungskrankheiten beobachtet wird („Inflammaging“). Gleichzeitig führt der Transfer des Mikrobioms aus jungen Tieren in alte Tiere zu einer Umkehr verschiedener Aspekte der Alterung.
Auch bei der Therapie von Alterungskrankheiten spielt das Mikrobiom eine wichtige Rolle. So konnte gezeigt werden, dass das Mikrobiom einen wichtigen Beitrag zum Wirkmechanismus von Metformin leistet, einem zentralen Therapeutikum bei Diabetes Typ 2. Metformin ist von besonderem Interesse, da Studien darauf hindeuten, dass das Medikament eine lebensverlängernde Wirkung auch im Menschen hat. Bei Fadenwürmern konnte gezeigt werden, dass die Wirkung von Metformin durch die bakterielle Produktion von Agmatin vermittelt wird. Wenn das Mikrobiom abgetötet wurde oder die Produktion von Agmatin durch genetische Veränderungen in Bakterien unterbunden wurde, hatte Metformin keinen Einfluss mehr auf die Lebensspanne der Würmer. Gleichzeitig wurde bei humanen Probanden beobachtet, dass die Gabe von Metformin mit einer erhöhten Fähigkeit der Produktion von Agmatin im Mikrobiom einhergeht. Dies deutet darauf hin, dass Agmatin auch im Menschen eine wichtige Komponente des Wirkmechanismus von Metformin sein könnte. Agmatin ist dabei von besonderem Interesse, da dieser Metabolit auch ein Neurotransmitter ist und eine positive Wirkung bei verschiedenen altersbezogenen neurodegenerativen Erkrankungen zeigt.
Auch wenn sich die Stuhltransplantation als ein möglicher Ansatz zur Behandlung von Alterungskrankheiten andeutet, wurde ein therapeutischer Nutzen im Menschen bisher noch nicht nachgewiesen. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Stuhltransplantation eine ganze bakterielle Gemeinschaft (inklusive Bakterien, Pilze und Viren) transferiert wird, die sich in engem Wechselspiel mit ihrem Wirt entwickelt hat. Aufgrund der Komplexität einer solchen Gemeinschaft sind potenzielle Nebenwirkungen nur schwer abzuschätzen. Dementsprechend ist das Ziel der Mikrobiomtherapie im Kontext der Alterung eher die gezielte Modulation von Wirts-Mikrobiom-Interaktionen. Mögliche Ansatzpunkte sind dabei die Gabe von Stoffwechselprodukten, die im Alter in geringeren Mengen durch das Mikrobiom produziert werden (Postbiotika) sowie die gezielte Beeinflussung der Häufigkeit von vorteilhaften bakteriellen Spezies durch Aufnahme entsprechender bakterieller Kulturen (Probiotika) oder Einnahme von Stoffen, die das Wachstum dieser Bakterien fördern (Präbiotika).
Der Autor
Prof. Dr. rer. nat. Christoph Kaleta
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Institut für Experimentelle Medizin
24105 Kiel
Literatur beim Autor
Bildnachweis: privat