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Allgemeinmedizin

Aktualisierte Leitlinien zur Hypertonie

Therapieadhärenz im Fokus der NVL Hypertonie sowie der ESH-Leitlinie

Dr. med. Laura Nickel, Prof. Dr. med. Joachim Weil

24.11.2023

Die in diesem Jahr zur arteriellen Hypertonie publizierte Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) räumt ebenso wie die gleichzeitig aktualisierte Leitlinie der European Society of Hypertension (ESH) der Therapieadhärenz einen hohen Stellenwert ein. Die Häufigkeit des Monitorings spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.

In Deutschland leiden etwa 30 % der Bevölkerung an Hypertonie; sie ist die am häufigsten zum Tod führende Erkrankung und begünstigt das Auftreten von kardiovaskulären Komplikationen. Mit den heutzutage zur Verfügung stehenden Behandlungsmethoden lassen sich mittels konsequenter Blutdruckeinstellung das kardiovaskuläre Risiko und damit Morbidität und Mortalität der Betroffenen signifikant reduzieren.

Nationale VersorgungsLeitlinie 2023

Ein Ziel der neuen NVL Hypertonie ist die Stärkung der patientenzentrierten Versorgung. Diese soll durch eine optimierte Arzt-Patienten-Kommunikation, die Vereinbarung individueller Therapieziele sowie durch eine verbesserte Therapieadhärenz erreicht werden.

Die NVL definiert einen Zielkorridor für die Therapie der arteriellen Hypertonie zwischen 120/70 mmHg und 160/90 mmHg, mit einem mittleren Wert < 140/90 mmHg, der in einer gemeinsamen Entscheidungsfindung zwischen Patienten und Ärzten festgelegt werden soll. Dabei richtet sich der oben genannte Wert nach Alter, Lebenserwartung, Anzahl der jeweils eingenommenen Medikamente und dem kardiovaskulären Risiko. Eine Kontrolle des Therapieerfolgs sollte alle 4 bis 6 Wochen nach Änderung der Medikation erfolgen.

Monitoring nach NVL 2023

Zur Verbesserung klinisch relevanter Endpunkte soll bei initial hohen Blutdruckwerten eine Kombinationstherapie angewendet werden, wobei sich die Erstlinientherapie erneut auf die gängigen Substanzklassen  ACE-Hemmer/AT1-Rezeptorantagonist, Calciumantagonist und Thiazid beschränkt. Bei ausbleibendem Erreichen des Zielwerts können dann β-Blocker, Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten oder α-Blocker hinzugefügt werden.

Ferner definiert die NVL Blutdruckwerte > 180 mmHg/

110 mmHg ohne Zeichen für Endorganschädigung als hypertensive Entgleisung. Hier soll die Akutthera­pie mit zeitnaher Blutdrucksenkung kritisch evaluiert werden, da es sich um eine potenziell chronische Entgleisung handeln kann und differenzialdiagnostisch Auslöser wie Stress, Schmerz oder Medikamente bedacht werden müssen. Beim Hinzukommen von klinischen Symptomen von Herz, Lunge, Niere oder ZNS ist weiter die Definition eines hypertensiven Notfalls erfüllt, der eine zügige Blutdrucksenkung sowie eine stationäre Behandlung rechtfertigt.

Neuigkeiten ergeben sich auch für die strengere Einstellung im Zuge der Schwangerschaftshypertonie, da hier die Inzidenz von Präeklampsie, ohne Nachteile für den Fetus, gesenkt werden konnte.

Bei Patienten mit therapieresistenter Hypertonie kann die renale Denervation in Erwägung gezogen werden. Allerdings muss eine sekundäre Form der Hypertonie ausgeschlossen sein.

ESH-Leitlinie 2023

Eine Änderung der Grenzwerte für die Behandlung der Hypertonie erfolgte hier nicht; sie liegen weiter bei > 140/> 90 mmHg für unter 80-Jährige und bei > 160/> 90 mmHg für über 80-Jährige. Diesbezüglich rückt jedoch die Selbstmessung zur Diagnostik und Therapiekontrolle stärker in den Fokus. Auch die Zielblutdruckwerte liegen nach wie vor bei 121–129/71–79 mmHG, lediglich bei über 80-Jährigen sollen systolische Werte von 140–150 mmHg angestrebt werden und nur bei guter Verträglichkeit niedrigere Ziele toleriert werden.

Zur medikamentösen Therapie definiert die ESH-Leitlinie fünf Erstlinientherapeutika: ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptorblocker, Diuretika, Calciumkanalblocker und β-Blocker. Hierbei empfiehlt sich der Einsatz einer dualen Fixkombination, da so die Tablettenlast reduziert und die Therapieadhärenz gestärkt werden können. Und Ziel der neuen Leit­linie ist es ja, die Therapieadhärenz in den Mittelpunkt zu stellen und die Kontrollrate in Europa drastisch zu erhöhen. Besonders die Substanzklasse der β-Blocker erhielt diesbezüglich eine deutliche Aufwertung in der Initialtherapie, da eine Reduktion kardiovaskulärer Endpunkte nachgewiesen werden konnte (mit Ausnahme des Schlaganfallrisikos) und bereits Fixkombinationen zur Verfügung stehen.

Bei über 80-Jährigen sollen laut ESH systolisch 140–150 mmHg angestrebt werden und nur bei guter Verträglichkeit Werte < 140 mmHg.

Sollte es unter Anwendung von Lebensstilmaßnahmen und optimierter Pharmakotherapie nicht gelingen, den Blutdruck auf die empfohlenen Zielwerte einzustellen, kann eine renale Denervation (RDN) in Erwägung gezogen werden. In Anbetracht der neuen, konsistenten Evidenzlage zur Effektivität und Sicherheit wird die renale Denervation als sichere, additive Therapieoption bei ausgewählten Patienten mit schwer einstellbarer arterieller Hypertonie empfohlen (Empfehlungsklasse II, Evidenzgrad B).

Um eine hohe Therapiequalität zu gewährleisten, besteht für behandelnde Einrichtungen die Möglichkeit der Zertifizierung als Renales Denervationszentrum. Dies beruht auf einer gemeinsamen Initiative der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, der Deutschen Hochdruckliga und der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie. Ziel ist es, einen national verbindlichen Mindeststandard für Zentren zur Durchführung der RDN zu definieren sowie über eine Netzwerkbildung die Betreuung der Patienten mit unkontrollierter Hypertonie zu optimieren.

Korrespondierende Autorin

Dr. med. Laura Nickel
Assistenzärztin für Innere Medizin und Kardiologie
Medizinische Klinik II Sana Kliniken Lübeck GmbH

laura.nickel@sana.de

Literatur bei den Autoren

Bildnachweis: privat

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