Bei länger anhaltenden Gelenkschmerzen, die scheinbar ohne Ursache auftreten, sollte immer eine Erkrankung des rheumatischen Formenkreises in Betracht gezogen werden. Bestätigt sich der Verdacht, müssen sich die Betroffenen auf eine lebenslange Therapie inklusive regelmäßiger Anpassungen einstellen.
Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine chronische, länger als sechs Wochen anhaltende Gelenkentzündung. Die ältere Bezeichnung chronische Polyarthritis bezieht sich darauf, dass die Entzündung mehr als drei Gelenke gleichzeitig betrifft. Meist tritt sie an beiden Körperhälften gleichzeitig auf. Obwohl sie in jedem Lebensalter auftreten kann, erkranken Männer jedoch häufig zwischen dem 65. und 75. Lebensjahr, Frauen zwischen dem 55. und 64. Lebensjahr. Aber auch Kinder können an einer Form der rheumatoiden Arthritis erkranken (juvenile idiopathische Arthritis). Die rheumatoide Arthritis zählt zu den Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem das körpereigene Gewebe angreift. Durch ein komplexes Zusammenspiel zwischen verschiedenen T- und B-Zellen sowie Zytokinen, kommt es zunächst zu einer Schleimhautschwellung im entzündeten Gelenk. Die Gelenkschleimhaut beginnt zu wuchern und bildet knorpel- und knochenzerstörende Substanzen. Wenngleich viele Erkenntnisse über den Pathomechanismus gewonnen wurden und intensive Forschungen betrieben werden, sind die eigentlichen Ursachen dieser Fehlsteuerung nicht bekannt. Auf eine genetische Veranlagung weist die Tatsache hin, dass die RA bei eineiigen Zwillingen sowie in manchen Familien gehäuft auftritt. Auch Umweltfaktoren scheinen eine Rolle zu spielen.
Die Diagnostik erfolgt durch Labor, Klinik und bildgebende Verfahren. Als diagnostische Kriterien gelten in Deutschland die RA-Verdachtskriterien der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh):
• zwei oder mehr geschwollene Gelenke
• Morgensteifigkeit von mehr als einer Stunde
• erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) oder CRP-Werte
• der Nachweis von Rheumafaktoren oder Autoantikörpern gegen anti-CC
Cave: Ein negativer Befund schließt die Diagnose RA nicht zwingend aus.
In der Behandlung rheumatischer Erkrankungen werden traditionell Medikamente eingesetzt, wobei sich vier Hauptgruppen von Medikamenten unterscheiden lassen:
• Analgetika (Schmerzmittel)
• nicht steroidale Antirheumatika (NSAR)
• Glukokortikoide
• Basistherapeutika (LWAR, lang wirksame Antirheumatika), krankheitskontrollierende Medikamente (Disease modifying anti-rheumatic drugs, DMARD)
Oftmals ist es sinnvoll, die verschiedenen Medikamentengruppen mit den unterschiedlichen Wirkungen und therapeutische Zielsetzungen in Kombination einzusetzen.
Fallbeispiel
56-jähriger Patient (athletischer Typ, 182 cm, 71 kg) beklagt plötzlich – ohne körperliche Anstrengung – auftretende Gelenkschmerzen. Zudem habe er seit einiger Zeit massive Rückenschmerzen, vorwiegend im Bereich der HWS. Von Beruf ist er Malermeister im eigenen Unternehmen. Als sportliche Aktivitäten werden Wandern und Radfahren genannt. Die Schmerzen machten sich zuerst in den Schultergelenken bemerkbar. Danach kamen Schmerzen und Schwellungen in den Kniegelenken dazu. Oft habe er auch Schmerzen an Hand- und Fingergelenken inklusive Schwellungen, was ihn in seiner Berufsausübung einschränkt.
Auffällig sei auch eine extreme Bewegungseinschränkung am Morgen. Es folgt eine körperliche Untersuchung (insbesondere des Bewegungsapparats). Dabei fiel neben Bewegungsschmerzen in den Knie und Schultergelenken sowie einer deutlichen Schwellung der Kniegelenke eine HWS-Lordose und eine Wirbelblockade in Höhe Th4/Th5 auf. Die Blockade wird sofort chirotherapeutisch gelöst und eine therapeutische Lokalanästhesie durchgeführt. Nach der Erörterung der Verdachtsdiagnose einer Erkrankung des rheumatischen Formenkreises wird dem Patienten Blut abgenommen. Es sollte auch das Vorliegen einer Spondylitis ankylosans ausgeschlossen werden. Der Patient wird der weiteren bildgebenden Diagnostik zugeleitet. Es soll ein MRT der Kniegelenke sowie der Iliosakralgelenke durchgeführt werden. Für das Vorliegen einer Spondylitis ankylosans gibt es zwar keinen eindeutigen Labortest. Dennoch haben 90 % der Betroffenen das HLA-B27-Gen, wobei dieses Gen allerdings auch bei etwa 9 % der deutschen Bevölkerung vorkommt. Zur akuten Schmerztherapie wird ein NSAR verabreicht. Ein Termin für die Besprechung der Laborergebnisse und des weiteren Vorgehens wird vereinbart.
Die Laborergebnisse (erhöht sind BKS, CRP, IgA, ANA; erniedrigt sind Eisen und Hb; HLA-B27 war negativ) deuten auf eine entzündliche Reaktion des Bewegungsapparates im Sinne einer rheumatoiden Arthritis hin. Zum nächsten Termin sollte das radiologische Ergebnis vorliegen, sodass zu dem Datum ein ausführliches Gespräch vereinbart wurde. Zum nächsten Termin lagen die radiologischen Ergebnisse vor. Insgesamt musste tatsächlich vom Vorliegen einer rheumatoiden Arthritis ausgegangen werden. Die Diagnose sowie die therapeutischen Optionen wurden dem Patienten im Detail erläutert.
Um den Verlauf der Erkrankung aufzuhalten bzw. zu verlangsamen, wurde eine medikamentöse Therapie mit dem Mittel der ersten Wahl, Methotrexat, begonnen. Weiterhin wurde eine physiotherapeutische Behandlung eingeleitet. Diese soll die Beweglichkeit der Gelenke sowie deren Funktionsfähigkeit in Beruf und Alltag sichern. Patienten mit rheumatoider Arthritis sind betreuungsintensive Dauerpatienten. Für die gesamten administrativen Aufgaben des Arztes innerhalb dieser kontinuierlichen Betreuung ist einmal im Kalenderjahr die GO-Nr. 15 zu berechnen.
Der Autor
Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Schlüter
Arzt für Allgemeinmedizin
Arzt für Naturheilverfahren
76684 Tiefenbach
schlueter@vital-arzt-praxis.de
www.vital-arzt-praxis.de
Dr. Dr. Peter Schlüter ist promovierter Naturwissenschaftler und Mediziner. Seit 1982 ist er als Arzt für Allgemeinmedizin mit betriebswirtschaftlich optimierter Praxis niedergelassen. Als Berater zu allen Fragen der Praxisorganisation, Praxismanagement und Abrechnung ist er seit 1987 tätig.
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