Die stetig zunehmende Zahl der gynäkologischen Tumoren führt dazu, dass nicht nur die rein onkologische Versorgung, sondern vielmehr auch die psychologische Betreuung der Krebspatientinnen mehr und mehr zum Alltag des Frauenarztes gehört.
Die psychoonkologische Betreuung hat in den vergangenen Jahren in der Gynäkologie eine stetig wachsende Bedeutung. In der täglichen Praxis müssen nicht nur Fragen zur Diagnostik und Therapie gynäkologischer Tumoren kompetent beantwortet werden, sondern auch die psychischen Auswirkungen der Krebserkrankung müssen im Blick behalten werden: Das Überbringen schlechter Nachrichten, die mit einer Krebserkrankung verbundene Angst und Depression sowie Fatigue sind nur ein paar Bestandteile in der Nachsorge, die hier eine Rolle spielen.
An dieser Stelle kommen auch für den Gynäkologen die Leistungen der 800er-Reihe ins Spiel. Gemeint sind damit die Leistungen des Abschnitts G „Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie“ der GOÄ. Für die Erbringung und Abrechnung der Leistungen dieses Abschnitts der GOÄ ist, mit Ausnahme der speziellen psychiatrischen Leistungen ab GO-Nr. 860 bis GO-Nr. 867, kein gesonderter Qualifikationsnachweis erforderlich. Es ist jedoch für jeden Arzt die Verpflichtung gemäß Berufsordnung zu beachten, die fundierte Kenntnisse auf dem entsprechenden Gebiet fordert. Somit bieten sich gerade im Zuge der Betreuung von Tumorpatientinnen durchaus die Leistungen der 800er-Reihe als therapeutische Option an.
Natürlich steht in erster Linie die Abklärungsdiagnostik im Vordergrund. Hier ist insbesondere an die neurologische Untersuchung nach GO-Nr. 800 und die psychiatrische Untersuchung nach GO-Nr. 801 im Zuge der Abklärungsdiagnostik zu denken. Die eingehende psychiatrische Untersuchung nach GO-Nr. 801 impliziert bei vielen Ärzten Berührungsängste. Nutzen Sie doch die Möglichkeit der Modifizierung der Leistungslegenden der Gebühren der GOÄ und nennen Sie die Leistung nach GO-Nr. 801 einfach: „Psychophysischer Status“. Bei funktionellen Störungen, bei psychovegetativen Störungen, bei vegetativer Labilität, bei Schlafstörungen, bei Angstneurosen, Depression, funktionellen Oberbauchbeschwerden, Dyspepsie usw. wäre beispielsweise eine entsprechende Exploration denkbar und medizinisch sinnvoll. Gerade hier sollten die Möglichkeiten der Kommunikation und Rhetorik genutzt werden. Die Problematik sollte bei den Patientinnen angesprochen werden und auf mögliche psychische oder psychosomatische Ursachen bzw. Zusammenhänge der Befindensstörungen und der beruflichen, familiären wie auch hormonellen Situation hingewiesen werden.
In der Folge sind dann die entsprechenden therapeutischen Maßnahmen durchzuführen und nach den Gebühren entsprechend der GO-Nrn. 804 bzw. 806 und 849 abzurechnen.
Der Fall
Eine 47-jährige Patientin, in der Praxis bekannt, arbeitet in leitender Position in einem großen Unternehmen. Sie ist selten krank, hat zwei Kinder (normale Schwangerschaften) und geht regelmäßig zur gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung. Bei einer solchen wird ein Mammakarzinom entdeckt. Nach erfolgter Operation und abgeschlossener Nachbehandlung treten bei der Patientin erste Zeichen einer depressiven Verstimmung auf. Im Zuge einer gynäkologischen Kontrolluntersuchung – einschließlich sonografischer Untersuchung – wird der Patientin die Verdachtsdiagnose einer reaktiven Depression als Ursache besprochen und ein erstes therapeutisches Gespräch geführt. Weiterhin werden die psychosomatischen Zusammenhänge zwischen körperlichen und psychischen Beschwerden besprochen.
Zum nächsten Termin wird das Laborergebnis besprochen, das keinerlei pathologische Werte zeigte. Die Patientin gab an, dass die aktuelle Situation für sie mittlerweile sehr belastend sei. Deshalb werden weitere Termine für eine unterstützende Gesprächstherapie vereinbart.
Die nachfolgenden Termine dienen dann regelmäßig der therapeutischen Gespräche, die mit der GO-Nr. 804 bzw. 806 zu berechnen sind. Dabei ist zu beachten, dass für die Berechnung der GO-Nr. 806 eine Mindestzeit von 20 Minuten vorgeschrieben ist. Gegebenenfalls wäre auch die GO-Nr. 849 zu berechnen.
Psychoonkologische Leistungen bei Privatpatientinnen – was Sie beachten müssen!
Die Berechnung der GO-Nr. 801 für die psychiatrische Untersuchung erfordert nicht die Erhebung des vollständigen psychiatrischen Status. Vielmehr hebt die Leistungslegende auf die „eingehende“ psychiatrische Untersuchung ab. „Eingehend“ heißt eben nicht vollständig.
Der vollständige psychiatrische Status beinhaltet die Beurteilung bzw. Untersuchung von: Bewusstsein, Orientierung, Affekt, Antrieb, Wahrnehmung, Denkablauf und mnestische Funktionen. Für die Berechnung der GO-Nr. 801 sollten im Grunde mindestens drei der aufgeführten Bereiche untersucht sein. Von Vorteil ist es auch, die Leistungslegende der Gebühr zu ändern. Das ist nach den Regelungen der GOÄ grundsätzlich erlaubt. Es darf dabei nur nicht der Leistungsinhalt so verändert werden, dass die wirkliche Leistung, die tatsächlich erbracht wurde, nicht mehr korrekt bezeichnet ist. Somit wäre zum Beispiel mit der Leistungslegende: „Erhebung des psychophysischen Status“, durchaus der Leistungsinhalt korrekt dargestellt.
Der Diagnose folgt in der Regel die Therapie. Die Therapie psychischer und psychosomatischer Erkrankungen in Form eines therapeutischen Gesprächs ist manchmal auch gar nicht so schwierig wie die darauffolgende Abrechnung. Diese erfolgt zum Beispiel nach GO-Nr. 804 GOÄ: „Psychiatrische Behandlung durch eingehendes therapeutisches Gespräch – auch mit gezielter Exploration.“ Diese Leistungslegende hat natürlich einen eindeutigen „psychiatrischen“ Charakter und ist für die eine oder andere Patientin nicht so einfach zu akzeptieren. Jedoch kann der Leistungslegende etwas der „psychiatrische“ Charakter genommen werden, indem die Leistungslegende in „Therapeutisches Gespräch“ geändert wird. Natürlich muss die (Gesprächs-)Leistung eindeutig einen psychiatrischen Charakter haben. Der wiederum kann und muss in der eigenen Dokumentation dargestellt sein.
Liegen die Störungen tiefer, z. B. bei der Angstneurose oder bei Depressionen, so wäre für die zeitaufwendige Gesprächstherapie die Leistung nach Nr. 806 zu berechnen. Bei notwendiger Notfallintervention ist dann auch an die Nr. 812 (Psychiatrische Notfallbehandlung) zu denken. Bei Psychosomatischen Krankheitsbildern, die meist mit Depressionen und Angstneurosen vergesellschaftet sind, ist das psychosomatische Gespräch nach Nr. 849 die häufigste Leistungsposition.
Mindestzeiten und betriebswirtschaftliche Abwägung
Für die Berechnung der GO-Nr. 804 (bewertet mit 150 Punkten) ist keine Mindestzeit gefordert. Dahingegen muss die gezielte Exploration zur Berechnung der GOP 806 mindestens 20 Minuten dauern. Auch für das Gespräch bei psychosomatischen Störungen, berechnungsfähig mit der GO-Nr. 849, ist eine Mindestzeit von 20 Minuten gefordert.
Für die Leistung nach GO-Nr. 806 wie auch die nach GO-Nr. 849 ist jeweils eine Mindestzeit von 20 Minuten gefordert. Die Bewertung ist jedoch bei der GO-Nr. 849 mit 230 Punkten deutlich unter der Bewertung für die GO-Nr. 806 mit 250 Punkten. Insofern sollte penibel darauf geachtet werden, welcher Schwerpunkt im Zusammenhang mit dem therapeutischen Gespräch gelegt wird.
Der Autor
Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Schlüter
Arzt für Allgemeinmedizin
Arzt für Naturheilverfahren
76684 Tiefenbach
schlueter@vital-arzt-praxis.de
www.vital-arzt-praxis.de
Dr. Dr. Peter Schlüter ist promovierter Naturwissenschaftler und Mediziner. Seit 1982 ist er als Arzt für Allgemeinmedizin mit betriebswirtschaftlich optimierter Praxis niedergelassen. Als Berater zu allen Fragen der Praxisorganisation, Praxismanagement und Abrechnung ist er seit 1987 tätig.
Bildnachweis: privat