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Onkologie

Neue Leistungen, neue Probleme

Die Zervixkarzinom-Früherkennung läuft aktuell nicht rund

Dr. rer. nat. Reinhard Merz

Zum Jahresende 2019 hat der Bewertungsausschuss Änderungen des EBM beschlossen. Dazu gehören auch die Leistungen im neuen Programm für die Früherkennung des Zervixkarzinoms. Doch in der Praxis läuft aktuell nicht alles rund.

Primärscreening und Abklärungsdiagnostik zum Zervixkarzinom sollen ab 2020 nach der Richtlinie für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme (oKFE-RL) durchgeführt werden. Dannach haben Frauen zwischen 20 und 34 Jahren jährlich Anspruch auf eine zytologische Diagnostik. Versicherte ab dem 35. Lebensjahr können alle drei Jahre einen kombinierten Test (Zytologie und HPV-Test) vornehmen lassen. Diesen Test können ab Jahresbeginn auch die Frauen machen lassen, die 2019 oder 2018 nach den Vorgaben der bisherigen Richtlinie untersucht wurden. In den zwei Jahren zwischen den kombinierten Tests besteht zukünftig nur der Anspruch auf eine klinische Untersuchung ohne Zytologie und HPV-Test.

Neues Vorgehen, neue Ziffern

Gynäkologische Untersuchung und Abstrichentnahme im Zuge des Primärscreenings sind seit Januar über die Gebührenordnungsposition (GOP) 01761 abzurechnen (179 Punkte / 19,67 Euro). Sobald die vorerst ausgesetzte Dokumentation zum Programm aufgenommen wird, soll die Vergütung auf 23,73 Euro (216 Punkte) steigen. Abrechenbar sind außerdem die GOP 01762 (81 Punkte / 8,90 Euro) für die zytologische Untersuchung und die GOP 01763 (171 Punkte / 18,79 Euro) für den HPV-Test. Gynäkologische Untersuchungen ohne Abstrich können zwischen dem dreijährigen Untersuchungsintervall einmal jährlich erbracht werden (GOP 01760; 159 Punkte / 17,47 Euro). Die bisherige GOP 01730 ist gestrichen. Zur Abklärung auffälliger Befunde aus dem Primärscreening gibt es für die Abklärungsdiagnostik mit Abstrichentnahme nun die GOP 01764 (67 Punkte / 7,36 Euro). Die Abklärungskolposkopie nach GOP 01765 ist als neue Leistung Gynäkologen mit entsprechender Qualifikation und Abrechnungsgenehmigung vorbehalten (658 Punkte / 72,30 Euro) vergütet. Sobald die Dokumentation zum Programm startet, sollen auch die Bewertungen der GOP 01764 und 01765 angepasst werden. Kontrovers diskutiert wird nach wie vor das Vor­gehen nach vollständiger Hysterektomie. Aktuell wird ein Abstrich nur bei Frauen empfohlen, bei denen HPV nachgewiesen wurde. Alle andere fallen ­komplett aus dem Früherkennungsprogramm heraus. Neu ist auch, dass die Kassen Einladungen an anspruchsberechtigte Frauen verschicken. Diese Einladungen müssen in der Praxis aber nicht vorgelegt werden, sie dienen für die Patientinnen lediglich als Erinnerung.[1]

Erhebliche Startprobleme

So weit, so gut. In der Praxis läuft es leider nicht wirklich rund. Der Berufsverband für Frauenärzte (BVF) meldete in seinem Newsletter 3/2020, dass immer mehr Regionen Deutschlands melden, dass Probengefäße nicht in ausreichender Menge oder gar nicht mehr geliefert werden können.[2] Mit der Folge, dass der Kombi-Test gemäß oKFE-RL in der Altersgruppe 35+ nur eingeschränkt durchführbar ist. Dadurch wird natürlich auch die Abrechnungsfähigkeit infrage gestellt, weil die in der GOP 01761 definierte Leistung ja nicht vollständig erbracht werden kann. Im gleichen Newsletter wird auf weitere Probleme hingewiesen. Lehnt eine Patientin z. B. den HPV-Test ab, ist völlig ungeklärt, welche Auswirkungen das auf die Abrechnungsfähigkeit hat. Nach Auffassung des BVF sollte in diesen Fällen die Abrechnungsfähigkeit der GOP 01761 erhalten bleiben, da sie auch für Frauen unter 35 ohne HPV-Test vorgesehen ist. Amtlich ist das aber nicht. Last but not least wird über den Abrechnungsausschluss der GOP 01760 und 01764 am gleichen Behandlungstag diskutiert. Kommt eine Patientin in der Altersgruppe 35+ gemäß Abklärungsalgorithmus (z. B. Pap I und HPV-positiv) nach zwölf Monaten für eine Wiederholung des Kombi-Tests und nimmt im nächsten Jahr an der Untersuchung gemäß oKFE-RL teil, können die GOP 01760 und 01764 nicht zusammen abgerechnet werden. Grund: Abrechnungsausschluss am Behandlungstag. Aus Sicht des BVF ist es jedoch unpraktikabel, die Patientin zu zwei unterschiedlichen Terminen einzubestellen.

Interview
Dr. med. Christiane von Holst
Mönchhofstraße 4 a
69120 Heidelberg

info@frauenaerztin-neuenheim.de

Das neue Zervixkarzinom-Screening ist angelaufen, wie sind Ihre ersten Erfahrungen?

Um es ehrlich zu sagen: Bei uns herrscht Chaos. Nach all den Jahren ist es durchaus schon eine Aufgabe, den Patientinnen zu erklären, was sich geändert hat und vor allem warum. Denn ich persönlich bin vom 35+-Intervall „alle drei Jahre“ auch nicht wirklich überzeugt. Ich sehe zu viele Patientinnen, bei denen sich der Befund einfach innerhalb eines Jahres schon deutlich verschlechtert hat, die können durchs Raster fallen. Keine Frage: Die Patientinnen sind verunsichert.

Wie läuft es auf Seite der Labore?

Unser Labor ist noch mit HPV-Tests versorgt, das ist die gute Nachricht. Es gibt leider aber auch genügend Labore, die keine HPV-Tests mehr vorrätig haben. Damit haben wir dann natürlich sofort ein Abrechnungsproblem, weil ich Leistungen, die ich mangels Test nicht erbringen kann, natürlich auch nicht abrechnen kann.

Und wie beim Abklären unklarer Befunde mittels Kolposkopie?

Bei uns in der Region gibt es genau zwei Praxen, die kolposkopieren. Wie die das zeitlich schaffen sollen, ist mir ein absolutes Rätsel. Und es ist ja auch nicht wirklich absehbar, dass sich daran was ändert. Die Anforderungen für die Kolposkopie stehen in keiner Relation zum Ertrag. Ich persönlich finde auch die Vorgaben – wann kolposkopieren, wann nicht und wann wieder einbestellen – nicht wirklich glücklich. Die einzige praktikable Lösung, die ich sehe, sind die Terminservicestellen. Dann wird sich zeigen, ob das System so funk­tionieren kann.

[1] Ärzte Zeitung, 20.12.2019
[2] BVF@ktuell Nr. 3-2020

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