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Gynäkologie

Offen oder minimalinvasiv?

Operative Therapie im Wandel am Beispiel des Zervixkarzinoms

Talina Schmidt, Katharina Stroschein, Prof. Dr. med. Lars C. Hanker, Prof. Dr. med. Achim Rody, Dr. med. Franziska Hemptenmacher

23.8.2024

Trotz der minimalinvasiven Techniken ist die abdominale, radikale Hysterektomie in Deutschland noch das Standardverfahren beim Zervixkarzinom, das auch in der Leitlinie empfohlen wird. Doch zunehmend werden Studien publiziert, in denen das minimalinvasive Operieren nicht unterlegen ist – oft bei besserer Lebensqualität.

Das Zervixkarzinom ist weltweit die vierthäufigste maligne Erkrankung und das am vierthäufigsten tödlich verlaufende Malignom der Frau [1]. Länder mit einem niedrigen Entwicklungsindex weisen hierbei eine höhere Inzidenz auf [2]. In Deutschland lag 2020 die Neuerkrankungsrate bei 4 640 [3]. Durch die Einführung der Krebsfrüherkennungsuntersuchung in den 70er-Jahren konnten die Inzidenz und Mortalität des Zervixkarzinoms gesenkt werden [4-6].

Primärprävention und Früherkennung

Über 90 % der Zervixkarzinome sind HPV-assoziiert [7]. Die Vaccinierung sowie Geschlechtsverkehr mit Barrieremethoden wie dem Kondom gelten als Schutz vor der Entstehung eines Zervixkarzinoms [8]. In Deutschland besteht ein organisiertes Screening-Programm, und durch die Primärprävention in der Kombination mit der Krebsfrüherkennung konnte die Inzidenz weiter gesenkt werden. Frauen im Alter von 20 bis 65 Jahren werden hierzu eingeladen.

Zwischen 20 und 34 Jahren wird ein PAP-Abstrich durchgeführt. Die Patientinnen werden darüber mit einem öffentlichen Schreiben informiert. Ab dem 35. Lebensjahr soll alle 3 Jahre eine Kombinationsuntersuchung aus zytologischem Abstrich und einem HPV-Test erfolgen. In Deutschland liegen laut Daten des Robert Koch-Instituts die HPV-Impfquoten für eine vollständige Impfserie bei 15-jährigen Mädchen lediglich bei 54 % und bei Jungen bei 27 %. Um das Ziel einer weiteren Reduktion der HPV-assoziierten Genitalmalignome zu erreichen, muss sich die Impfquote dringend verbessern.

Therapieoptionen

Die Therapieplanung des Zervixkarzinoms wird durch das Tumorstadium bestimmt. Daher ist eine exakte Bestimmung nach FIGO essenziell. Hierbei werden sowohl Ergebnisse aus der klinischen Untersuchung, bildgebende Verfahren (Sonografie, Röntgen/CT-Thorax, MRT, i. v. Pyelografie), endoskopische Untersuchungen (Kolpo-/Zysto-/Rektoskopie) als auch histologische Untersuchungsergebnisse zusammengeführt. Einer der bedeutendsten Prognosefaktoren ist der Nodalstatus [9].

Für die finale Therapieplanung wird daher mehrheitlich ein operatives Staging mittels pelviner und ggf. paraaortaler Lymphonodektomie durchgeführt [10]. Vermieden werden sollte eine Kombination der beiden primären Therapieoptionen, der operativen radikalen Operation und der Radiochemotherapie, um kumulierte Morbiditäten zu reduzieren.

Die primäre operative Therapie ist den Frühstadien des Zervixkarzinoms vorbehalten. Bis zum Tumorstadium FIGO IIB (invasives Karzinom mit Parametrienbefall) ist die radikale Hysterektomie die Therapie der Wahl in Deutschland. Hierbei wird eine ausgedehnte Präparation, Ureterolyse, Neurolyse und Entfernung der Parametrien vorgenommen [11].

Ab dem Stadium IIB wird eine primäre Radiochemotherapie nach operativem Staging und Bestimmung des lymphatischen Ausmaßes durchgeführt. In den FIGO-Stadien IB–IIA sind die primäre Radiochemotherapie und Operation als gleichwertig anzusehen. In vielen Ländern erfolgt die primäre ­Radiochemotherapie als Therapie der Wahl ab dem Tumorstadium IB2 [11].

Aufgrund der hohen Morbiditätsrate der radikalen Hysterektomie durch Lymphödeme, chronische Schmerzen, Dyspareunie und Blasenentleerungsstörungen wird die operative Therapie des Zervixkarzinoms kritisch evaluiert [12]. Die Zugangswege sind überwiegend laparoskopisch und laparoto­misch. Auch vaginale Eingriffe mit Fertilitätserhalt gehören jedoch zum Operationsspektrum [11].

Der Beginn der operativen Therapie des Zervixkarzinoms liegt bereits mehr als 100 Jahre zurück, die erste beschriebene Hysterektomie bei Zervixkarzinom wurde bereits 1878 durchgeführt [13,14]. Die Operation war mit einer hohen Morbidität und einer Mortalitätsrate von 18,6 % verbunden [15].

In den folgenden Jahren wurden Zugangswege und Techniken evaluiert. Ziel war es, eine standardisierte Operationstechnik zu etablieren. So führte Schauta 1901 eine vaginale radikale Hysterektomie mit geringerer Mortalitätsrate von 10,8 % durch [16]. Im Jahr 1944 definierte Meigs die radikale Hysterektomie mit systematischer pelviner Lymphonodektomie beidseits. Der Fokus wurde zunehmend auf Prognose und die Kontrolle perioperativer Parameter, z. B. Blutverlust, gelegt [17].

Piver etablierte die ansteigende Gruppierung der Radikalität der Parametrienresektion in Abhängigkeit des Tumorstadiums [18]. Diese Einteilung hat auch heute noch Relevanz im klinischen Alltag. Nach PIVER III wird die Arteria uterina am Ursprung der Arteria iliaca interna, das Sacrouterinligament am Ansatz des Sacrums, das Ligamentum rotundum an der Beckenwand und zusammen mit den pelvinen Lymphknoten sowie die Hälfte der oberen Vagina entfernt. Diese Operationsmethode kann schwerwiegende chronische Schmerzen und Blasenfunktionsstörungen neben sexuellen Einschränkungen nach sich ziehen.

Es folgten diverse Publikationen, die sich dem ­Thema der nervsparenden und gefäßschonenden Technik widmeten, um postoperative Folgen reduzieren zu können [19-21]. Die ersten laparoskopischen radikalen Hysterektomien wurden in den 90er-Jahren durchgeführt [22]. Auch Querleu et al. etablierten eine Definition der operativen Radika­lität in anatomischen Grenzen, die heute noch ­Bedeutung hat [23].

Offenes vs. minimalinvasives Operieren

Einen Meilenstein in der Geschichte des Operierens stellt die minimalinvasive Chirurgie nach wie vor auch für das Zervixkarzinom dar. Die moderne Laparoskopie wurde maßgeblich durch Kurt Semm an der Universitätsklinik Kiel entwickelt und eta­bliert [24]. Vorteile der minimalinvasiven Chirurgie sind kürzere Hospitalisierungsdauern, geringerer perioperativer Blutverlust und die Abnahme postoperativer Komplikationen [25,26]. Dennoch wird aktuell regelhaft die offene Hysterektomie praktiziert. Begründet ist dies mit den Ergebnissen der LACC-Studie im Jahre 2018. Dort wurde gezeigt, dass die offene der laparoskopischen Hysterektomie bis zum Stadium IB1 in Bezug auf das Gesamtüberleben und das erkrankungsfreie Überleben überlegen ist. Das 3-Jahres-Gesamtüberleben lag bei 99,0 % für die Patientinnen, welche offen operiert wurden vs. 93,8 % für die Patientinnen, die minimalinvasiv therapiert wurden. Das krankheitsfreie Überleben nach 4,5 Jahren lag bei 96,5 % vs. 86 % [27].

Zudem wurde die Lebensqualität im postoperativen Verlauf evaluiert. Patientinnen nach offener Hysterektomie hatten keinen Nachteil, sodass aufgrund dieser Daten den Patientinnen überwiegend eine offene Operation trotz der sonst bekannten Vorteile des minimalinvasiven Vorgehens empfohlen wird.

Diverse Diskussionen und mögliche Erklärungen folgten. Unter anderem wurden operative Techniken beim minimalinvasiven Ansatz wie der Uterusmanipulator für eine Tumorzelldissemination verantwortlich gemacht. Auch die Expertise des Operateurs und dessen Lernkurve wurden diskutiert [28]. Die aktuelle S3-Leitlinie empfiehlt eindeutig ein offenes abdominelles Vorgehen für die primäre operative Therapie. Nichtsdestotrotz wird im Sinne der Reduktion der Radikalität die Sentinel-Node-Biopsie bis zu einer Tumorgröße von 2 cm und ab einem Tumorstadium 1A1 L1 empfohlen [11].

Aktuelle Trends

Neuere Studien unterstützen die Reduktion der operativen Radikalität. Hier sind unter anderem die Ergebnisse der SHAPE-Studie (Radical versus Simple Hysterectomy and Pelvic Node Dissection with Low-Risk Early-Stage Cervical Cancer) aus dem vergangenen Jahr zu nennen. In dieser internationale Phase-­III-Studie wurden 700 Patientinnen randomisiert. Es sollte gezeigt werden, dass die einfache Hyste­rektomie der radikalen Hysterektomie in frühen ­Tumorstadien nicht unterlegen ist.

Neue Studien unterstützen weniger radikale Operationen.

Eingeschlossen wurden Patientinnen mit Stadium FIGO IA2–IB1, einer Stromainvasionstiefe < 10 mm, einer geringeren stromalen Invasion von 50 % im MRT und einer maximalen Tumorgröße von 2 cm. Primärer Endpunkt war die Beckenwandrezidivrate nach 3 Jahren. Die Nichtunterlegenheit der einfachen Hysterektomie konnte gezeigt werden. Darüber hinaus zeigten die Patientinnen mit einfacher Hysterektomie eine höhere Lebensqualität und eine bessere sexuelle Gesundheit [12,29]. Unter diesen strengen Bedingungen kann den Patientinnen mit frühem Zervixkarzinom eine einfache Hysterektomie angeboten werden. Zu bemerken ist, dass in dieser Analyse bei jeweils 50 % der Patientinnen ein minimalinvasiver Zugangsweg gewählt wurde.

Eine zentrale Säule in der Diagnostik und Therapie des Zervixkarzinoms stellt das operative Staging zur Detektion von Lymphknotenmetastasen dar. Die Minimierung von Morbidität durch Reduktion der Radikalität bestimmt auch diesen Teilaspekt der Therapie des Zervixkarzinoms. Es liegen aktuell diverse, wenn auch überwiegend retrospektive, Analysen mit dem Thema der Sentinel-Node-Biopsie vor, welche onkologische Sicherheit mit guten Detektionsraten aufweisen.

Die SENTIX-Studie liefert wertvolle Daten. Diese internationale Beobachtungsstudie schloss Patientinnen im Stadium IA1, LVSI positiv bis IB1 (< 4 cm Tumorgröße) ein. Es wurde eine bilaterale Sentinel-Node-Biopsie durchgeführt, welche im Anschluss bei negativem intraoperativem Schnellschnittergebnis von einer radikalen Hysterektomie gefolgt wurde. Eine adjuvante Behandlung erhielten die Patientinnen, wenn sich im Ultrastaging doch ein positiver Lymphknotenstatus nachweisen ließ. In 92,3 % gelang eine bilaterale Detektion und Entfernung der Sentinel-Lymphknoten.

Erfolgreich waren sowohl die präoperative Markierung (mit Patentblau oder radioaktivem Tracer) als auch die intraoperative Indocyaningrün(ICG)-basierte Sentinel-Darstellung bzw. eine Kombination aus den genannten Methoden. Es wurde bei allen Patientinnen ein histologisches Ultrastaging durchgeführt. Die Studie war ebenfalls als Nichtunterlegenheits-Analyse ausgelegt. Die Referenz-Rezidivrate basierte auf historischen Kohorten und lag bei 7 %. Es konnte die Nichtunterlegenheit der Sentinel-Node-Biopsie dargestellt werden, das Überleben war vergleichbar mit der Kohorte nach systematischer Lymphonodektomie und das Ultrastaging konnte die Detektionsrate von Lymphknotenmetastasen deutlich erhöhen [30,31].

In diesem Zusammenhang werden zukünftig die Ergebnisse der SENTICOL-III-Studie erwartet. In dieser randomisierten Studie wurden 2 Therapiearme miteinander verglichen. Eingeschlossen wurden Patientinnen mit Stadium IA1 LVSI positiv, IA2–IIA1 (< 4 cm Tumorgröße). Intraoperativ wurde nach durchgeführter Sentinel-Node-Biopsie und negativem Schnellschnittergebnis randomisiert, in den Kontrollarm mit sich anschließender systematischer Lymphonodektomie oder in den experimentellen Arm, in dem es bei der Sentinel-Node-Biopsie allein blieb. Die Ergebnisse des Follow-ups werden 2026 erwartet [32].

Trotz der zunehmenden Verfügbarkeit der minimalinvasiven Chirurgie ist die abdominale, radikale Hysterektomie in Deutschland mehrheitlich das Standardverfahren in der Behandlung des frühen Zervixkarzinoms [11,33]. Einen Fokus auf die minimalinvasive Therapie des Zervixkarzinoms werden die Ergebnisse der RACC-Studie setzen. Diese vergleicht die roboterassistierte, minimalinvasive, radikale Hysterektomie mit der abdominalen Hysterektomie unter Verzicht von Uterusmanipulatoren. Erste Daten werden 2027 erwartet [34].

Es ist international herausfordernd, eine einheitliche Therapie für Patientinnen mit Zervixkarzinom zu generieren. Trotz der zunehmenden Verfügbarkeit der minimalinvasiven Chirurgie ist die abdominale, radikale Hysterektomie in Deutschland mehrheitlich noch das Standardverfahren.

Im Fokus sollte immer die höchste onkologische Sicherheit bei geringster Morbiditätsrate stehen. Insbesondere bei den zum Teil sehr jungen Patientinnen darf die Lebensqualität nicht außer Acht gelassen werden. Reduktion in der Radikalität wird daher sicherlich eine der entscheidenden Entwicklungen in der Therapie des Zervixkarzinoms sein, einige offene Fragen werden bald durch Studienergebnisse noch beantwortet werden. Letztendlich sollte die Therapieentscheidung gemeinsam mit der aufgeklärten Patientin getroffen werden.

KORRESPONDIERENDE AUTORIN

Talina Schmidt
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
23538 Lübeck

talina.schmidt@uksh.de

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  2. Bray F et al., CA Cancer J Clin 2018; 68: 394–424
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