In der Kontrazeptionsberatung sehen wir jetzt zunehmend junge Frauen der Generation Z (Gen Z), die zwischen 1995 und 2010 geboren sind. Sie haben ein anderes Selbstbild und andere Ansprüche als Frauen der Generationen vor ihnen. Und sie verändern die Ansprüche an unsere Beratung nochmal grundlegend.
Wenn man einen Blick auf die Veränderungen in der Kontrazeptionsberatung in den vergangenen 20 Jahren wirft, fällt vor allem eins auf: Die Frauen sind selbstbewusster und selbstbestimmter geworden. Das sehen wir im gesamten Bereich der medizinischen Entscheidungen, aber vielleicht nirgendwo so deutlich wie hier. Daneben haben wir ein viel größeres Portfolio an verschiedenen Verhütungsmethoden dazubekommen. Wenn ich vor 20 Jahren mit meinen Patientinnen über Verhütung gesprochen habe, wurde wenig gefragt.
Frauen sind aber nicht nur selbstbestimmter, sondern werden in ihrer Meinung durch die sozialen Medien, in denen viele Informationen zu Verhütungsmethoden kursieren, getriggert und sind dadurch „hellhöriger“ geworden. Sie wollen nicht nur aufgeklärt werden, sie wollen berechtigterweise mitbestimmen. Seit etwa 10 Jahren stellen Frauen auch zunehmend die Einnahme von Hormonen infrage. Und da geht es nicht mehr um die Angst vor Gewichtszunahme, sondern um das Grundsätzliche: Was machen diese Hormone wohl in meinem Körper und ist das wirklich gut für mich?
Die Generation Z
Die Soziologie definiert eine Generation als „die Gesamtheit von Menschen ungefähr gleicher Altersstufe mit ähnlicher sozialer Orientierung und einer Lebensauffassung, die ihre Wurzeln in den prägenden Jahren einer Person hat“. Als prägende Jahre bezeichnen Soziologen den Zeitraum im Leben eines Menschen ungefähr zwischen dem 11. und 15. Lebensjahr [1]. Eine Generation umfasst etwa 15 bis 20 Jahre, und die Soziologen unterscheiden Traditionalisten (geb. vor 1946), Babyboomer (geb. 1946–1964), Generation X (geb. 1965–1979), Generation Y (geb. 1980–1995) und Generation Z (geb. 1996–2010).
In Deutschland wuchs die Gen Z in sicheren politischen Verhältnissen auf, profitiert von relativem Wohlstand und einem breiten Bildungsangebot. Gleichzeitig sind die Nachrichten geprägt von internationalen Konflikten, Finanzkrisen und Umweltkatastrophen. Daraus resultiert ein großes Bedürfnis nach Sicherheit einerseits, ein vermeintlicher Anspruch auf ein sorgenfreies Leben andererseits (Tab.).
Die Gleichstellung der Frau ist für die Generation Z schon immer Realität gewesen, sie wächst mit Touchscreens und mobilen Endgeräten auf. Soziale Medien und permanente Online-Kommunikation sind Teil der Lebenswelt dieser Generation und prägen ihr Verhalten [1]. Das gilt es zu berücksichtigen, wenn diese Frauen zur Verhütungsberatung in die Praxis kommen.
Von TANCO nach COCO: der Hormonabsturz
In den vergangenen 10 Jahren haben wir einen deutlichen Wandel bei der Nutzung der verschiedenen Verhütungsmethoden beobachten können. Weg von den hormonellen Methoden, hin zum Kondom, zur Verhütungs-App – oder zu gar keiner Verhütung. Bei Veröffentlichung der TANCO-Studie mit 18 500 Frauen im Jahr 2015 nutzten 56 % eine Kombi-Pille, 9 % Kondome und 9 % sagten „ich verhüte nicht“ (Abb. 1) [2].
Bei der COCO-Studie aus dem Jahr 2019 hatte sich die Anwenderzahl schon deutlich verändert: Die Kombi-Pille kam jetzt auf 41 %, Kondome auf 22 % und 17 % sagten „ich verhüte nicht“ (Abb. 1) [3]. Das ist vor allem deshalb bedenklich, weil die Frauen nicht auf andere zuverlässige Methoden umsteigen – und so die Rate der ungewollten Schwangerschaften steigt. Dokumentiert ist das in der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche. Hier war zuletzt 2022 eine Zunahme von 9,9 % gegenüber 2021 zu verzeichnen.
Eher selten – in meinen Augen zu selten – werden andere sichere Verhütungsmethoden genutzt, z. B. die estrogenfreien Pillen, die Hormonspirale oder der Verhütungsring, aber auch Pillen mit natürlichem Estrogen. Und das liegt vor allem daran, dass diese Methoden in unserer Kontrazeptionsberatung zu kurz kommen. Spätestens seit der COCO-Studie wissen wir, dass sich Frauen auch für solche Methoden entscheiden würden, wenn sie mehr Information dazu erhalten würden [2].
Einer Umfrage bei Instagram aus dem Jahr 2021 zufolge informieren sich mittlerweile mehr Frauen im Internet, auf sozialen Medien oder im Fernsehen (44,8 %) als in der gynäkologischen Praxis (34,4 %). Ein wesentlicher Aspekt der TANCO-Studie war es, herauszufinden, was Frauen über die Wirkweise der verschiedenen Verhütungsmethoden wissen. Dabei traten zum Teil erhebliche Lücken bzw. Falschinformationen auf – auch bei der selbst verwendeten Verhütungsmethode. Das vermeintliche Wissen der Frauen wurde von den behandelnden Gynäkologinnen und Gynäkologen deutlich überschätzt [2]. Dieses Unwissen kann verständlicherweise zu großer Unsicherheit beim Thema Hormone führen.
Kontrazeption: Was Frauen wirklich wollen
Das veränderte Verhalten der jungen Frauen der Gen Z äußert sich nicht nur bei der Kontrazeption. Auch schlägt es sich in der Nutzung von Hygieneprodukte nieder, so werden Tampons fast gar nicht genutzt. Es geht um mehr Nachhaltigkeit und Natürlichkeit, was ja durchaus begrüßenswert ist. Aber was tatsächlich dahinter steckt, wissen wir letztendlich nicht.
Wenn eine Influencerin sagt, mir ging es total schlecht mit der Pille und seit ich sie abgesetzt habe, ist alles wieder gut, dann ist das für die Frauen zunächst einmal plausibel. Wir als Frauenärztinnen und Frauenärzte haben da einen schlechten Stand, weil wir viel schlechter an unsere Frauen herankommen – gerade an die jüngeren. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, es wenigstens zu versuchen. Der beste Weg in der Gesprächsführung ist es, die Vorbehalte ernst zu nehmen und dann gezielt und evidenzbasiert diese Vorbehalte aufzulösen.
Nach den Ansprüchen an die Verhütungsmethode befragt, lag die Verhütungssicherheit in der TANCO-Studie weit vorn [2]. Aber eine geringe Hormondosis nannten ebenfalls schon 43 %. Bei einer Community-Umfrage von 2020 waren die am meisten gewählten Antworten „keine oder wenig Hormone“ und „natürlicher hormoneller Zyklus bleibt erhalten“. Es ist also nicht die Angst vor Thrombosen oder Krebserkrankungen, die Frauen umtreibt. Auch in der COCO-Studie beruhte der Wunsch nach hormonfreier Verhütung eher auf schwer fassbaren Ängsten, denn auf konkreten Risiken (Abb. 2) [3].
Auf TikTok oder YouTube finden sich Tausende von – fast ausschließlich kritischen – Beiträgen. Dadurch entsteht eine vermehrte Angst, vor allem vor Depressionen oder Libidoverlust. Man sollte das durchaus hinterfragen: „Wie äußert sich das denn genau bei Ihnen?“ Auf Nachfragen antworten viele Frauen nämlich: „So wirklich habe ich das noch gar nicht gespürt, aber ich lese es ständig.“
Dass Hormone auch viele positive Effekte haben, merken viele Patientinnen erst nach dem Absetzen. Das Gefühl, sich jetzt wieder super im eigenen Körper zu fühlen, überstrahlt am Anfang womöglich alles. Aber spätestens dann, wenn das PMS wieder zurückkommt und die Regelblutung wieder schmerzhafter wird, merken die Patientinnen, was die Pille verbessert hatte. Auch darauf sollte man achten und darüber informieren, und dann sagen viele Patientinnen: „Ach ja, stimmt eigentlich, das war dann schon besser.“
Für viele Patientinnen ist die Blutungsstabilität wichtig, sie sagen sich: Wenn ich schon eine Pille nehme, sollte sich das Blutungsmuster nicht verschlechtern. Deshalb sollten die Patientinnen wissen, dass anfängliche Blutungsstörungen sich bei praktisch allen Präparaten nach 6–8 Zyklen deutlich bessern. Gerade bei jungen Frauen sollte das Thema Dysmenorrhoe angesprochen werden. Mädchen und junge Frauen tun das selten von alleine. Fragen Sie deshalb unbedingt nach Regelschmerzen.
Natürliche Familienplanung und Kondom haben natürlich durchaus ihre Berechtigung – es hängt wie immer vom individuellen Umfeld ab. Wenn eine Patientin mit 27 die Pille absetzen möchte („Ich nehme die schon so lang“) und gleichzeitig einen Kinderwunsch in zwei Jahren angibt, frage ich immer: „Wie sieht es aus, wenn es schon früher passiert?“ Und antwortet die Patientin dann „Ist jetzt nicht geplant, es wäre aber auch okay“, sind Zyklus-Apps und/oder Kondome gut. Das gilt aber nicht für alle Frauen, die diese Methoden nutzen.
Die Kontrazeptionsberatung strukturieren
Eine gute Kontrazeptionsberatung ist zeitaufwendig und wird nur unzureichend vergütet. Das ist leider so. Auf der anderen Seite hilft uns die investierte Zeit dabei, einen guten Draht zu unseren Patientinnen aufzubauen. Grundvoraussetzung ist eine gute Anamnese, die aber ohne Weiteres schon Ihre MFA machen können, die Sie als Arzt/Ärztin nur noch vervollständigen. Dann weiß man schon: Wie ist der Zyklus der Frau? Was hat die Frau für mögliche Kontraindikationen? Raucht sie? Wie groß ist sie und wie schwer? Was hat sie für Erkrankungen? Was nimmt sie für Medikamente? All diese Informationen sind wesentlich für die Auswahl. So haben Sie bereits einen Überblick aller möglichen Verhütungsmethoden, wenn Sie das Gespräch beginnen.
Wir haben dazu im Praxiscomputersystem eine Vorlage. Hier sind alle relevanten Aspekte vermerkt – das gibt Ihnen einen groben Überblick und ermöglicht gezieltes Nachfragen. Und damit kann es auch gelingen, Ängste oder Bedenken aufzugreifen. Die müssen wir ernst nehmen und trotzdem können wir den Patientinnen klarmachen, wenn Ängste nicht zutreffen. Das sollten wir ja generell tun, wenn wir eine Patientin vor uns sitzen haben. Natürlich gelingt uns das nicht immer, es gibt solche und solche Tage. Kontrazeptionberatung kann mal spaßig, aber manchmal auch frustrierend sein – tatsächlich ist fast immer die Psychologin in uns gefragt.
1 Mangelsdorf M. Von Babyboomer bis Generation Z. Gabal Verlag 2015
2 Oppelt PG et al., Arch Gynecol Obstet 2017; 295: 1483–91
3 Bitzer J et al., Eur J Contracept Reprod Health Care 2021; 26: 326–33