Im Zuge der Corona-Pandemie werden viele Operationen verschoben. Bei arthrotischen Beschwerden bedeutet dies chronische Schmerzen und Funktionseinschränkungen der betroffenen Gelenke. Diese Symptome lassen sich aber auch mit anderen Optionen, etwa der intraartikulären Applikation von Hyaluronsäure, lindern.
Aufgrund der Corona-Wellen wurden immer wieder elektive Eingriffe verschoben, um Kapazitäten für COVID-19-Erkrankte frei zu halten. Denn je nach Operation können Patienten ein bis zwei Tage auf der Intensivstation liegen, bei Komplikationen auch länger. Somit wurden neben vielen anderen Eingriffen häufig auch Knie- oder Hüftgelenkersatz-Operationen für Patienten mit Arthrose verschoben. Schon in der ersten und zweiten Welle wurden viele Termine auf Eis gelegt – manche Kliniken kämpfen noch heute mit dem Rückstau. Die Prothese soll Mobilität und Lebensqualität erhöhen, doch ohne OP leiden die Patienten oft unter chronischen Schmerzen und sind auf Schmerzmittel angewiesen, die wiederum Nebenwirkungen haben können. Zudem werden Termine auch von Arthrose-Patienten selbst verschoben. Entweder haben sie Angst vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 oder sie befürchten, von Angehörigen nur eingeschränkt betreut/besucht werden zu können.
Arthrose gehört weltweit zu den häufigsten Gelenkerkrankungen bei Erwachsenen. Die Knochen- und Knorpelstruktur eines Gelenks kann sich infolge des Alterungsprozesses abnutzen. Die Ursache kann aber auch bei einer chronischen Erkrankung oder einer Gelenkfehlstellung liegen. Als exogene Faktoren können z. B. Traumata, resezierende Gelenkeingriffe (z. B. Meniskektomie), Adipositas oder repetitive Mikrotraumata durch Überbelastungen im Beruf oder beim Sport ins Spiel kommen.
Die Erstmanifestation der Arthrose findet sich überwiegend in der Gruppe der 50- bis 60-Jährigen, aber mehr und mehr auch bei jüngeren Patienten, wobei insbesondere Knie-, Hüft- und Schultergelenke in Mitleidenschaft gezogen sind.
Für alle Patienten bei denen die Gelenkersatz-Operation verschoben wurde, aber auch für alle anderen Arthrose-Patienten bietet die konservative Therapie zahlreiche Optionen: Sie beginnen bei einer Gewichtsabnahme, kombinieren Schmerzbekämpfung und orthopädische Hilfsmittel wie Einlagen und Schuhzurichtungen (etwa Absatzerhöhungen) bis hin zu physikalischen Therapien und Krankengymnastik – jeweils angepasst an die individuelle Erkrankungssituation. Auch die vorübergehende Nutzung von Unterarmgehstützen kann hilfreich sein, da auf diesem Weg schmerzende Knie- und Hüftgelenke entlasten werden können und sich die Beschwerden häufig besseren [1].
Ergänzend oder als Alternative können medikamentös – je nach Symptomatik beim Patienten – nicht steroidale Antirheumatika sowie intraartikuläre Corticosteroide zum Einsatz kommen, aber auch die zu den SYSADOA (Symtomatic Slow-Acting Drugs for Osteoarthritis) gehörenden Chondroprotektiva wie Glucosamin, Chondroitin oder intraartikulär applizierte Hyaluronsäure.
Als Hauptbestandteil der Synovia und wichtiger Bestandteil des Gelenkknorpels spielt die Hyaluronsäure – ein Glykosaminglykan – eine große Rolle für die Gelenkfunktion. Die stoßdämpfende Wirkung der Synovia ist auf ihre Viskoelastizität zurückzuführen. Dies ist darin begründet, dass sie unter Belastung Wasser abgibt und bei Entlastung Wasser aufnimmt und bindet. Zudem wirkt Hyaluronsäure als Schmiermittel und es ist davon auszugehen, dass Hyaluronsäure die Grenzschicht der Synovialis samt der eingelagerten Nozizeptoren ummantelt und so die Schmerzweiterleitung unterbindet. Die netzartige Anordnung ihrer Makromoleküle in der Synovialflüssigkeit verleiht der Hyaluronsäure zusätzlich die Funktion eines Filters oder Siebs. Diese Struktur unterbindet die freie Passage von Entzündungsmolekülen und -zellen, z. B. Bakterien durch den Gelenkspalt, erlaubt aber die Diffusion von Metaboliten für den Knorpelstoffwechsel [2].
Durch die inflammatorischen und degenerativen Prozesse bei Arthrose verringern sich die Qualität und Quantität der Hyaluronsäure, da sowohl das Molekulargewicht (MG) der einzelnen Hyaluronsäuremoleküle als auch die Hyaluronsäurekonzentration abnimmt. Letzteres bedingt eine verringerte Viskoelastizität.
Durch die Injektion von Hyaluronsäure in den intraartikulären Spalt des arthrotischen Gelenks kann die Viskoelastizität sowie die Polster- und Schutzfunktion der Synovialflüssigkeit wiederhergestellt werden. In der Folge verbessert sich die Beweglichkeit des betroffenen Gelenks und die Schmerzen werden reduziert. Die Hyaluronsäure wirkt dabei wahrscheinlich sowohl mechanisch als auch pharmakologisch [3]. So kann neben der Erhöhung der Viskosität auch die Produktion der endogenen Hyaluronsäure angeregt und inflammatorische Prozesse reduziert werden. Da die exogene Hyaluronsäure die Nozizeptoren im Gelenk überzieht, ist die Schmerzweiterleitung geschwächt und so der Schmerz verringert.
Je nach Präparat eignet sich die Viskosupplementation mit Hyaluronsäure zur symptomatischen Therapie sämtlicher arthrotisch veränderter Gelenke. Mit wenigen Injektionen (drei bis fünf in wöchentlichen Abständen) ist es möglich, eine lang anhaltende Besserung von Schmerzen und Funktionseinschränkungen hervorzurufen. Da die Schmerzlinderung nicht unmittelbar einsetzt, wäre übergangsweise zusätzlich ein Schmerzmittel zu empfehlen.
Das Expertenstatement von Dr. med. Michael Dehmel
Orthopädische Gemeinschaftspraxis Dr. Dehmel und Dr. Stürmer
63739 Aschaffenburg
info@orthopaedie-ab.de
„Die Verschiebung einer Gelenkersatz-Operation aufgrund der Corona-Pandemie ist für Arthrose-Patienten und ihre Angehörigen häufig eine belastende Situation. Um keine Verschlechterung des arthrotischen Zustands zu riskieren und die Schmerzen zu reduzieren, kann durch Hyaluron-Injektionen die Mobilität und Selbstständigkeit des Patienten wieder gesteigert und damit die Lebensqualität auch über einen längeren Zeitraum deutlich erhöht werden. Die meist notwendige Gelenk-Endoprothese kann zu einem späteren, besser passenden Zeitpunkt eingesetzt werden.“
1 Stöve J et al., S2k-Leitlinie Gonarthrose 2018
2 Engelhardt M, Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 2003; 54: 2005–2008
3 Maheu E et al., Semin Arthritis Rheum 2016;45: 28–33