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Sonderredaktion

Vulvovaginalcandidose

Warum ist Nystatin heute wichtiger denn je?

25.8.2023

„Angesichts ihrer Häufigkeit und dem damit verbundenen Leidensdruck halte ich Pilzinfektionen der Vagina für eines der wichtigsten infektiologischen Probleme in der gynäkologischen Praxis“, resümierte Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Tietz, Leiter des Instituts für Pilzkrankheiten in Berlin anlässlich des 75-jährigen Jubiläums der Entdeckung von Nystatin (Biofanal®).

Neben dem Haupterreger Candida albicans verursachen auch zunehmend Non-albicans-Candida-­Arten eine Vulvovaginalcandidose (VVC) – wovon Nystatin eine Vielzahl abdeckt [1]. Die sich verschlechternde Resistenzlage gegenüber Antimykotika kann sowohl die Diagnostik durch zusätzliche Resistenztestungen als auch die Therapie resistenter Candida-Arten erschweren [2]. Anders jedoch als bei Azol-Präparaten sind bei Nystatin keine klinisch relevanten Resistenzen bekannt [3]. Pilzinfektionen der Vagina durch Candida-Arten – sogenannte VVC – sind häufig. Sie betreffen ca. 70 % der Frauen irgendwann in ihrem Leben, etwa 8 % von ihnen leiden an wiederkehrenden Infektionen [4].

Da es keine detaillierten epidemiologischen Daten gibt, liegt die Prävalenz vermutlich höher. Aufgrund der breiten Verfügbarkeit von frei verkäuflichen ­Medikamenten begeben sich viele Patientinnen gar nicht erst in ärztliche Behandlung [4]. Neben lästigen Symptomen wie Juckreiz, Ausfluss, Schmerzen oder Schwellungen bringt die Erkrankung oft auch Einschränkungen im psychosozialen Bereich mit sich [4]. Wie Tietz bestätigte, käme es nicht selten zu Schamgefühlen, Einschränkung der Lebensqualität, Rückzug von sexuellen Aktivitäten und Problemen in der Partnerschaft [2,4].

Neben den lästigen Symptomen können Candidosen auch zu psychosozialen Einschränkungen führen.

Ursache der Erkrankung sind Hefepilze der Spezies Candida, welche oberflächlich in die Vaginalschleimhaut eindringen und eine Entzündungsreaktion hervorrufen [4]. „Die Nummer eins ist Candida albicans“, erklärte Tietz. Dieser Keim ist in über 90 % für die Infektion verantwortlich [4]. „In den übrigen Fällen findet sich ein breites Erregerspektrum, welches ­Candida glabrata und Candida krusei umfasst sowie exotische Keime aus der ganzen Welt, darunter ­Candida dubliniensis, Candida africana und Candida parapsilosis.“

VVC betreffen Frauen in jeder Altersklasse, besonders häufig sind es jedoch gesunde Frauen im reproduktiven Alter, die sexuell aktiv sind [4]. „Pilzinfektionen sind oft nicht die Krankheiten der Kranken, sondern der jungen Gesunden“, berichtete Tietz aus seinem klinischen Alltag.

Die vier Säulen der Therapie

„Die Therapie richtet sich nach Schwere und Häufig­keit der Infektionen und gestaltet sich wie eine Pyramide mit vier Säulen“, sagte Tietz. Er empfahl folgende Maßnahmen: „1. Das Fundament der Therapie ist immer eine Lokal­behandlung –  in Form von Nystatin- oder Azol-haltigen antimykotischen Cremes, Ovula oder Vaginaltabletten [5]. 2. Bei einer chronischen Infektion kommt eine syste­mische Therapie hinzu mit Azol-haltigen Präparaten. 3. Sind Infektionen wiederkehrend, gibt es meist eine Infektionsquelle. Das kann der eigene Körper sein, z. B. der Darm, oder der Partner. Diese Quelle sollte mittels Abstrich identifiziert und gezielt behandelt werden. 4. Nicht zu vernachlässigen ist die Pflege der Vaginal­schleimhaut. Gerade post­infektiös ist sie beson­ders wichtig.“

Zunehmende Resistenzen verkomplizieren die Therapie

Besteht der Verdacht auf Resistenzen, riet Tietz zu einer Resistenztestung mittels eines Antimykogramms. Denn die zunehmenden Resistenzen auf Azol-haltige Präparate stellen ein wachsendes Problem für die Therapie dar [2]. „Eigene Untersuchungen haben gezeigt, dass die Rate von Azol-Resistenzen bei Candida albicans bei 6 % liegt“ [6], erklärte Tietz. „Ich rechne damit, dass sie weiter ansteigen wird.“ Candida glabrata ist zu einem ­hohen Prozentsatz unempfindlich auf Fluconazol, und Candida ­krusei ist intrinsisch resistent gegen Azol-Päparate. Anders sieht es aus beim Wirkstoff Nystatin: Hier sind bislang keine klinisch relevanten Resistenzen bekannt [3]. Stattdessen, so demonstrierte Tietz, wäre auch im Falle von bestehenden Azol-Resistenzen eine Therapie mit ­Nystatin möglich (Abb. 1, 2), d. h., Nystatin durchbräche die Azol-Resistenz.

Die Behandlung mit Nystatin ist in vielerlei Hinsicht vorteilhaft

„Nystatin ist für mich eine Jahrhundertsubstanz“, schwärmte Tietz. Die Entdeckungsgeschichte des ersten Antimykotikums weltweit geht auf die beiden Forscherinnen Elizabeth Lee Hazen und Rachel Fuller Brown (USA) zurück, die 1948 den Wirkstoff als Abwehrprodukt des Bakteriums Streptomyces noursei identifizierten [3]. Den Namen leiteten sie übrigens von dem Ort der Entdeckung ab, wusste der Experte: New York State Institute.

Nystatin ist gut verträglich und schont darüber hinaus die gesunde Vaginalflora.

Nystatin wirkt selektiv gegen Hefepilze [7] und hat ein breites Wirkspektrum. All die oben genannten Keime werden erfasst [7,8]. Indem es an die Pilzzellmembran bindet, kommt es zu einer Permeabilitätserhöhung, was wiederum Transportprozesse stört und zu einer Erhöhung der Ionenkonzentration im Zellinneren führt. Der Pilz destabilisiert sich und stirbt ab [7]. Dieser Vorgang geschieht sowohl bei wachsenden als auch bei ruhenden Zellen, wes­wegen Nystatin sowohl fungistatisch als auch ­fungizid ist [9].

Aufgrund seiner Größe wirkt Nystatin nur lokal und hat praktisch keine systemische Wirkung. Der Einsatz bei Schwangeren und stillenden Müttern ist möglich [9]. Nystatin ist ein Naturprodukt und wird in der Regel gut vertragen [9]. „Allergische Reaktionen sehe ich selten“, berichtete Tietz. „Darüber hinaus schont Nystatin die gesunde Vaginalflora.“ Mittlerweile ist Biofanal® als „mikrobiomfreundlich“ zertifiziert [10]. Das bedeutet, es lässt das Mikrobiom der Vagina intakt und unterstützt so eine stabile Vaginalgesundheit. Aufgrund der guten Verträglichkeit sowie des Fehlens von klinisch relevanten Resistenzen böte Nystatin eine hohe Therapiesicherheit, meinte Tietz.

Nystatin: Eine drei- oder sechstägige Behandlung ist in der Regel ausreichend

Nystatin wird über drei Tage mit je zwei Vaginal­tabletten oder sechs Tage mit je einer Vaginaltablette am Abend intravaginal verabreicht. „Die Entscheidung über die Therapiedauer treffe ich in Abstimmung mit den Patientinnen“, so Tietz. Die meisten Patientinnen bevorzugten drei Tage, was bei unkomplizierter VVC in der Regel ausreichend ist [4]. Die kurze Therapiedauer von drei Tagen käme der Adhärenz der Patientin zugute. Es gäbe auch Patientinnen, die mit der 6-Tages-Therapie gut zurecht­kommen, sagte Tietz.

Mit einer rein medikamentösen Therapie ist es in vielen Fällen allerdings nicht getan. Der Experte betonte: „Die Patientinnen brauchen viel Zuwendung.“ Es ist wichtig, neben der Infektion ggf. auch psychologische Probleme positiv zu beeinflussen, u. a. durch die Zuversicht, dass jede Mykose heilbar sei.

Vulvovaginalcandidosen - Ein Überblick

Die Vulvovaginalcandidose (VVC) ist eine Infektion der Scheidenschleimhaut, die sich auch auf den äußeren (Ano-)Genitalbereich ausdehnen kann. Verursacht wird sie durch Hefepilze (Candida-Arten), die Teile der normalen Schleimhautflora der meisten gesunden Frauen sind. Bestimmte Faktoren kön­­nen begünstigen, dass aus der Kolonisation eine Infektion wird, dazu gehören unter anderem [5,11]:

• individuelle Faktoren und lokale Abwehrmechanismen
• Genpolymorphismen
• Serumglucosespiegel
• Antibiotika
• psychosozialer Stress
• Estrogene

Zu den typischen Symptomen der VVC zählen prämenstrueller Juckreiz, Brennen, Rötung, nicht riechender, teilweise krümeliger Ausfluss, welche allerdings nicht bei allen Frauen mit VVC auftreten [5,11]. Die Rezidivquote nach erfolgreicher antimykotischer Therapie ist hoch [11]. Leiden Frauen an vier oder mehr Rezidiven innerhalb eines Jahres, spricht man von einer chronisch-rezidivierenden VVC [11]. Auch wenn viele Präparate in Apotheken frei verfügbar sind, empfiehlt sich insbesondere in solchen Fällen eine gynäkologische Abklärung.

Pflichttext

Biofanal® /-Filmtabletten /-Suspensionsgel /-Salbe /-bei Scheidenpilz Vaginaltbl. Wirkstoff: Nystatin. Anw.: –Filmtabletten: Zur topischen intestinalen Behandl. nachgewiesener Nystatin-empf. Hefepilzinfekt., insbes. als Folge einer Therapie mit Antibiotika, Zytostatika od. Kortikoiden.  Suspensionsgel: Nystatinempf. Hefepilzinfekt. der Mundhöhle (Mundsoor). Für Kdr., Jugendl. u. Erw. -Salbe: Candida-Infekt. der Haut u. der Schleimhäute, insbes. Intertrigo (submammär, inguinal, perineal, perianal), Paronychie, Interdigitalmykose. Für Kdr., Jugendl. u. Erw –bei Scheidenpilz Vaginaltbl.: Infekt. der Vagina, die durch Nystatin-empfindl. Hefepilze (Candida albicans, Candida glabrata u.a.) hervorgerufen worden sind (Fluor, Vaginitis). Filmtabletten: Enth. Lactose.  Suspensionsgel:  Enth.  Parabene (E216 u. E218) u. Sucrose (Zucker).  Gebrauchsinfo. beachten. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. (BF/04062020/LW/G)

1 Makanjuola O et al., J Fungi (Basel) 2018; 4: 121
2 Neal CM, Martens MG, SAGE Open Med 2022; 10:20503121221115201
3 Dressen et al., Open Women’s Health J 2012; 6: 19–23
4 Jeanmonod R, Jeanmonod D, Vaginal Candidiasis [Updated 2022 Jul 18]. In: StatPearls [Internet], Treasure Island (FL): StatPearls Publishing, 2023
5 S2k-Leitlinie Vulvovaginalkandidose. AWMF-Register-Nr.015-072 Link: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-072 (Stand: 05.05.2023)
6 Tietz HJ, Gyne 2021, Sonderdruck Ausgabe November
7 Nenoff P et al., Clin Med Invest 2016; 1: 71–6
8 Choukri F et al. J Mycol Med 2014; 24: 303–7
9 Gebrauchsanweisung Biofanal® Kombipackung bei Scheidenpilz und Candida-Infektion des äußeren Genitalbereichs 100 000 I.E. (Stand: Juli 2022)
10 Zertifiziert durch MyMicrobiome AG, Link: https://microbiome-friendly.com/de/ (Stand: 09.05.2023)
11 Altmeyers Enzyklopädie – Online Fachportal, Link: https://www.altmeyers.org/de/dermatologie/candidose-vulvovaginale-4634 (Stand: 15.06.2023)

Impressum
Bericht: Dr. med. Corinna Mühlenbein I Redaktion und Konzept: Dr. rer. nat. Reinhard Merz
MiM Verlagsgesellschaft mbH (Neu-Isenburg)
Mit freundlicher Unterstützung der Dr. Pfleger Arzneimittel GmbH (Bamberg)

Bildnachweis: Tietz

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