Die Einnahmeintervalle oraler Kontrazeptiva müssen auch auf Reisen eingehalten werden, um eine sichere Verhütung zu gewährleisten – was bei häufiger Zeitverschiebung problematisch sein kann. Diese Kasuistik schildert den Fall einer 25-jährigen Flugbegleiterin.
Eine 25-jährige Patientin stellt sich vor mit der Frage der Anpassung einer Kontrazeption. Seit 8 Jahren wendet sie kombinierte orale Kontrazeptiva an. Zunächst eine Pille mit 20 µg Ethinylestradiol (EE)/100 µg Levonorgestrel (LNG). Wegen anhaltender Blutungsstörungen folgte ein Wechsel auf eine Pille mit 30 µg EE/150 µg LNG. Unter dieser Kontrazeption waren die Blutungsstörungen zunächst rückläufig. Neuerdings treten gelegentlich wieder Zwischenblutungen und moderate Dysmenorrhoen auf. Die Patientin hat laut Checkliste keine thromboembolischen Risikofaktoren, ist normalgewichtig (BMI 22), Nichtraucherin.
Beruflich ist die Patientin Flugbegleiterin. Bisher war sie vor allem auf innereuropäischen Flügen eingesetzt mit Zeitverschiebungen von maximal 2 Stunden. In Zukunft sind auch Einsätze auf der Langstrecke geplant. Das ist mit häufigen Schichtwechseln verbunden, dazu mit regelmäßigen Zeitverschiebungen von mehr als 6 Stunden. Die Patientin möchte aktuell auf keinen Fall schwanger werden.
Fernreisen und Kontrazeption
Die Einnahmeintervalle von oralen Kontrazeptiva müssen auch auf Reisen eingehalten werden, um eine sichere Verhütung zu gewährleisten. Bei Kombinationspräparaten bleibt der Schutz bestehen, wenn der Zeitabstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Einnahmen nicht mehr als 36 Stunden beträgt. Bis zu 12 Stunden Zeitverschiebung kann die Pille also zu Hause und auch am Urlaubsort zur gewohnten Zeit eingenommen werden [1]. Von den Gestagen-Monopräparaten ist Levonorgestrel (LNG) in dieser Hinsicht kritischer zu bewerten (Zeitabstand nicht mehr als 27 Stunden).
Bei größerer Zeitverschiebung wird in diesen Fällen nach 12 Stunden eine Zwischenpille empfohlen, danach Einnahme zur gewohnten Stunde zur Ortszeit [1].
Diese Schemata sind für Urlaubsreisen praktikabel, bei denen man sich am Zielort für eine längere Zeit in der gleichen Zeitzone aufhält. Prinzipiell sollte der Einnahmerhythmus dann an die Ortszeit des jeweiligen Urlaubslandes angepasst werden, wenn diese bei Kombinationspräparaten um mehr als 12 Stunden und bei LNG-Monopräparaten um mehr als 3 Stunden von der deutschen Zeit abweicht [1]. Für Flugbegleiterinnen, die sich mehrmals die Woche in anderen Zeitzonen aufhalten, ist ein solches Vorgehen aber unpraktikabel. Hier empfehlen sich Kontrazeptionsmethoden, die unabhängig von der täglichen Einnahmezeit sind.
Überlegungen zur Kontrazeption
Neben der Zeitverschiebung gibt es bei der vorgestellten Patientin weitere Gründe, die gegen eine orale Kontrazeption sprechen. So wird sie sich vermutlich häufig an tropischen oder subtropischen Orten aufhalten. Da die in den Präparaten enthaltenen Hormone temperaturempfindlich sind, sollten sie dort an einem möglichst kühlen Ort oder im Kühlschrank aufbewahrt werden. Sonst besteht die Gefahr einer verminderten Wirksamkeit [2]. Prinzipiell besteht auch eine erhöhte Gefahr für gastrointestinale Störungen (Durchfall, Erbrechen), welche die kontrazeptive Wirksamkeit vermindern können [2].
Bei häufiger Zeitverschiebung sollte eine Kontrazeption unabhängig von der täglichen Einnahmezeit sein.
Nach ausgiebiger Beratung und Erörterung der verschiedenen Optionen entschied sich die Patientin schließlich für die Anwendung eines Vaginalrings. Prinzipiell war sie auch für Natürliche Familienplanungs-Methoden offen, schätzte ihre eigene Zuverlässigkeit aber als unrealistisch ein und hat den Gedanken deswegen verworfen. Ein Intrauterin-System kam für die Patientin nicht infrage.
Diskussion
Die Reduktion der noch immer bestehenden Zusatzblutungen trotz der Anwendung einer Pille mit 30 µg Ethinylestradiol war eines der Anliegen der Patientin. Der Vaginalring hat häufig günstigere Blutungsmuster auch als kombinierte Pillen, insbesondere was Zusatzblutungen betrifft. In Studien aus den 2000er-Jahren [3,4] waren die Blutungsmuster bei Patientinnen mit Vaginalring besser als bei solchen mit kombinierten oralen Kontrazeptiva.
Der Hauptvorteil des Rings in diesem Fall ist aber die günstigere Compliance, unabhängig von Arbeitszeiten und Zeitverschiebungen. Bei oraler Kontrazeption wäre eine Anpassung der Einnahme notwendig, insbesondere bei Ost-West-Flügen, da hier der Tag verlängert wird und somit Zeitfenster von 36 Stunden entstehen können. Dies ist bei KOK und Gestagen-Monopräparaten mit langer Halbwertszeit wie beispielsweise Desogestrel und einer Anwendung im Langzyklus kein großes Problem, wenn der Wechsel einmalig erfolgt. Bei ständig wechselnden Zeitzonen mit Richtungswechsel ist eine ständige Anpassung praktisch sehr kompliziert und kann die kontrazeptive Sicherheit massiv beeinträchtigen. Bei der Anwendung von Gestagen-Monopräparaten ist diese Problematik aufgrund der Einhaltung der nötigen Zeitintervalle bei der Einnahme sogar noch deutlicher ausgeprägt. Dennoch kann die Anwendung im Langzyklus hier vorteilhaft sein, wenn die Patientin auch insbesondere wegen der nicht kalkulierbaren Arbeitszeiten möglichst keine Abbruchblutung haben möchte und auch die Dysmenorrhoe-Beschwerden, die trotz der Anwendung der Pille gelegentlich aufgetreten sind, dadurch behandelt werden.
Der Vaginalring bietet für diese Patientin mit häufigen Schichtwechseln und regelmäßigen Zeitverschiebungen eine geeignetere Form der Verhütung ohne Compliance-Probleme.
1 Schrörs HJ, Dt Ärztebl 2001; 98: 23
2 Bachmann A et al., Gynäkol Endokrinol 2016; 14: 174–9
3 Oddsson K et al., Hum Reprod 2005; 20: 557–62
4 Milsom I et al., Hum Reprod 2006; 21: 2304–11
Impressum
Bericht: Prof. Dr. med. Thomas Römer I Redaktion und Konzept: Dr. rer. nat. Reinhard Merz
MiM Verlagsgesellschaft mbH (Neu-Isenburg)
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