Hidradenitis suppurativa (HS) ist nicht nur in dermatologischen Praxen, sondern auch bei Hausärzt*innen und Gynäkolog*innen präsent. Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit wird die Erkrankung schneller erkannt und kann zielgerichtet behandelt werden. Dazu eignet sich der IL-17A-Inhibitor Secukinumab, der kürzlich für mittelschwere bis schwere HS zugelassen wurde.
Die Hidradenitis suppurativa (HS) oder Acne inversa ist eine chronisch-entzündliche, schubförmig verlaufende Hauterkrankung, die sich mit schmerzhaften, entzündlichen, tiefen Knoten manifestiert. Die Primärläsionen treten meist in den Hautfalten der Achseln und im Anogenitalbereich auf, bei Frauen auch submammär. Aus den Knoten können sich schmerzhafte kutane bis subkutane Abszesse sowie als Sekundärläsionen Sinus-Trakte, auch Fistelgänge genannt, mit starker Eiterbildung entwickeln [1]. Mit fortschreitender Erkrankung können die Abszesse miteinander verschmelzen und Fistelgänge unter der Haut bilden, die tief ins Gewebe reichen und zur Narbenbildung führen.
Kennzeichnend für die HS sind viele undiagnostizierte Fälle, verursacht auch durch späte oder falsche Diagnosen bei milden Verläufen. In Europa sind schätzungsweise 0,03 % bis ca. 1 % der Bevölkerung betroffen [2].
Komorbidität und Lebensstil
Eine große Rolle spielen Begleiterkrankungen und der Lebensstil. Die Mehrheit der HS-Patient*innen leidet unter mannigfaltiger Komorbidität wie z. B. polyzystischem Ovar-Syndrom (PCOS, 9 %–14 %) [3,4], psychiatrischen Erkrankungen (5 %–36 %, darunter Depression, Angstzustände, Anpassungs- und Persönlichkeitsstörungen) [3,5] sowie inflammatorischen Systemerkrankungen wie Spondyloarthropathien (2 %–28 %) [6,7]. Etwa die Hälfte der Betroffenen ist übergewichtig [8], während 90 % Raucher*innen oder ehemalige Raucher*innen sind. HS kann die Lebenserwartung um 10 bis 15 Jahre verringern, was die Dringlichkeit einer Behandlung verdeutlicht. Es ist bislang unklar, ob HS ein unabhängiger Risikofaktor für die erhöhte Mortalität ist, oder dies durch die Risikofaktoren Tabakkonsum, Übergewicht oder Komorbidität verursacht wird [9]. Rauchen und Übergewicht erhöhen zudem das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Bei schwerem Verlauf oder langer Dauer kann sich bei 5 % der Patient*innen ein Plattenepithelkarzinom im Anogenitalbereich manifestieren [10].
Bild der Achselhöhle eines HS-Patienten, zur Verfügung gestellt von Science Source. Art der Läsion. Hautrötung als Zeichen aktiver inflammation (roter Pfeil), entzündlicher Knoten (weiße Kreise), strangförmige Narbe (weiße Pfeile), Pseudokomedon (orangene Pfeile) und eitriger Ausfluss (Sternchen).
Pathogenese
Der pathogenetische Prozess beginnt in den Haarfollikeln der Intertrigines: Die mechanische Reibung führt zu Zellschäden, dabei werden Botenstoffe freigesetzt, die die Entzündungskaskade auslösen und eine bakterielle Anreicherung in den Haarfollikeln fördern [2,11,12].
In den Läsionen finden sich erhöhte Werte der proinflammatorischen Zytokine TNF-α, IL-1β, IL-17A und Interferon-γ – eine Tatsache, die für die Entwicklung möglicher Therapieoptionen genutzt werden kann. Die Krankheitsaktivität kann unter anderem durch den refined Hurley-Score in Stadien eingeteilt werden [13]. Das klinische Ansprechen bzw. der Therapieerfolg wird anhand objektivierbarer Läsionen unter Berücksichtigung der Lebensqualität gemessen.
Hoher Leidensdruck
Die hohe Belastung der Patient*innen basiert einerseits auf den dauerhaften Schmerzen, welche sowohl neuropathisch als auch nozizeptiv sein können [14,15]. Aber auch die Abszessbildung mit Eitersekretion und intensivem Geruch sowie Bewegungseinschränkungen und Schlafstörungen durch Schmerzen und/oder permanentem Juckreiz tragen zur Krankheitslast bei.
Vor allem spontan aufbrechende Abszesse mit Nässegefühl und unangenehmem Geruch führen dazu, dass sich Betroffene schämen und sozial zurückziehen [2]. Dazu kommt, dass die Symptome oft erstmalig im jungenen Erwachsenenalter auftreten, was die psychische und soziale Entwicklung stark beeinträchtigen und ein Ablehnen der eigenen Sexualität hervorrufen kann [16,17]. Aufgrund potentieller Stigmatisierung wünschen sich diese Patient*innen mehr ärztliche Aufmerksamkeit – ein Aspekt, der in der Anamnese und bei den Untersuchungen berücksichtigt werden sollte.
Die körperlichen und psychischen Symptome beeinflussen auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität, die mithilfe des Dermatology Life Quality Index (DLQI) und, spezifischer, mit dem Hidradenitis Suppurativa Quality of Life (HiSQoL) und dem Quality of Life in Hidradenitis Suppurativa (QoL-HS) ermittelt wird. Der durchschnittliche DLQI liegt deutlich höher als bei anderen Hauterkrankungen wie Psoriasis, chronischer Urtikaria oder atopischer Dermatitis.
Generell dominieren ein geringes Selbstwertgefühl sowie Hilf- und Hoffnungslosigkeit. Daraus folgen psychosoziale Beeinträchtigungen bis hin zur Suizidalität, bedingt durch mangelndes Wissen über die Erkrankung, verspätete Diagnosestellung, Ausgrenzung und Scham [8,18]. Aufgrund der Krankheitssymptomatik und einer oftmals langen postoperativen Heilungsphase kann es zu Arbeitsausfällen, Arbeitsunfähigkeit oder Frühverrentung kommen – eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung auch für Angehörige [19-22].
Drei wichtige Diagnosekriterien
Wesentlich für die Diagnosestellung sind drei Aspekte:
Relevant ist außerdem die Familienanamnese, da 30–40 % der Betroffenen für eine HS prädisponiert sind. Die ersten Symptome der HS können im frühen Erwachsenenalter auftreten. Im Durchschnitt tritt die Erstmanifestation mit 23 Jahren auf, die endgültige Diagnose wird häufig aber erst bis zu 10 Jahre später gestellt. So verschiebt sich der Erkrankungsgipfel in die dritte und vierte Lebensdekade (vgl. Patient Journey). Um zeitnah die korrekte Diagnose zu sichern, sollten Patient*innen mit Verdacht auf HS an eine dermatologische Einrichtung oder an auf HS spezialisierte Fachpraxen überwiesen werden. Die häufigste „Fehl“-Diagnose ist der Abszess; nach einer Inzision werden die Betroffenen oft ohne weiterführende Überwachung und Behandlung entlassen. Wird die Chronizität der Erkrankung nicht erkannt, so schreitet die HS weiter fort.
Therapiekonzepte mit neuer Option
Aufgrund der oftmals stark verzögerten Diagnosestellung verläuft die Behandlung der HS oft suboptimal. Durch den chronischen Verlauf wäre ein langfristiges Therapiemanagement und die Vernetzung mit Psycholog*innen wünschenswert, besonders für Patient*innen mit mehrfachen chirurgischen Eingriffen, aber auch, um Bewältigungs- und Resilienzstrategien für den Alltag zu erlernen.
Je nach Schweregrad sollte die HS medikamentös und/oder chirurgisch therapiert werden. Antibiotika sollten für maximal 12 Wochen angewendet werden [1,23- 25]. Bei ausbleibender Besserung oder in mittelschweren bis schweren Fällen ist ein Biologikum eine Option. Die systemische Immunmodulation ist auch als Langzeittherapie zugelassen und kann vor, während und nach Operationen angewendet werden [26]. Eine wichtige Zielstruktur bei der HS ist das entzündungsfördernde IL-17A. Erhöhte Werte dieses Interleukins wurden in HS-Läsionen festgestellt [27-28].
Der IL-17A-Inhibitor Secukinumab ist seit Kurzem bei mittelschwerer bis schwerer HS zugelassen [29]. In den relevanten Phase-III-Studien SUNSHINE und SUNRISE wurde Secukinumab (300 mg subkutan alle 2 bzw. 4 Wochen) versus Placebo bei mehr als 1 000 Betroffenen mit mittelschwerer bis schwerer HS untersucht. Ein schwerwiegender HS-Verlauf war definiert als ≥ 5 Entzündungsläsionen an ≥ 2 unterschiedlichen Körperstellen, bestehend seit mindestens einem Jahr.
Primärer Endpunkt war der Anteil der Patient*innen mit einem klinischen Ansprechen [30]: Abnahme der Abszesse und entzündlichen Knoten um mindestens 50 %, sowie keine Zunahme der Abszesse oder drainierenden Fisteln in Woche 16, verglichen mit der Baseline. In beiden Studien wurde der primäre Endpunkt bei zweiwöchentlicher Verabreichung von Secukinumab erreicht. Secukinumab bewirkte eine rasche Symptomlinderung nach 16 Wochen bei einem günstigen Sicherheitsprofil. Die Wirksamkeit wurde über 16 und 52 Wochen bestätigt [31].
Zur Sekundärprävention eignet sich die sensible Aufklärung der Patient*innen über aggravierende Faktoren und lebensstilverändernde Maßnahmen (Ernährung, sportliche Aktivität, Tabakverzicht). Auch eine psychologische Betreuung kann erwogen werden. Patient*innen sollten zudem die epidermale Barriere durch regelmäßige Hautpflege mit einer Körperlotion oder Creme stärken.
Eine 23 Jahre alte Patientin mit einem BMI von 29, die in ihrer Jugend geraucht hatte, stellt eine Entzündung in der Achsel fest. Sie sucht ihren Hausarzt auf, der diese mit Fusidinsäure/Betamethason-Creme behandelt. Einige Monate später entdeckt sie einen Knoten im Genitalbereich, hofft aber, dass er sich von selbst zurückbildet. Doch der Knoten entwickelt sich zu einem Abszess. Die Patientin weiß nicht, wohin sie sich wenden soll. Nach langem Zögern vereinbart sie einen Termin bei ihrer Gynäkologin, dort wird der Abszess gespalten und versorgt. Nach ein paar Monaten bildet sich wieder ein Abszess, der dazu noch äußerst schmerzhaft ist. Es ist Wochenende und so fährt sie zur Notfallambulanz. Dort wird der Abszess erneut gespalten und versorgt. Im Laufe dieser Patient Journey suchte die Patientin innerhalb mehrerer Monate verschiedene Facharztpraxen auf. Dort wurden die akuten Entzündungen und Abszesse behandelt, aber Krankheitsgeschichte und Gesamtbild bleiben unberücksichtigt. Dies kann zu Diagnoseverzögerungen von 7–10 Jahren führen [4,25].
Läsionen – welche, wo und wie oft?
Für die Diagnosestellung sind drei wesentliche Aspekte zu beachten:
Wichtig ist eine frühzeitige Abklärung – gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Zentrum –, um das optimale therapeutische Fenster nutzen zu können.
Die HS ist eine chronisch-inflammatorische Hauterkrankung mit einem ausgeprägt systemischen Charakter. Obwohl die Symptome schwerwiegend sind, ist die Erkrankung nach wie vor unterdiagnostiziert. Die Betroffenen haben oft eine lange Odyssee hinter sich, bis die Diagnose HS endgültig gestellt wird. Durch den chronischen Verlauf ist die HS dauerhaft behandlungsbedürftig. Mit einer korrekten Diagnose und einem frühzeitigen Therapiebeginn könnten großflächige chirurgische Eingriffe und ihre Begleiterscheinungen (lange Heilungsphasen) reduziert werden. Daher sollte bei einem Verdacht auf HS schnellstmöglich an die Dermatologie oder an spezialisierte Zentren überwiesen werden.
Prof. Dr. med. Falk Bechara
HS-Spezialist und Leitender Oberarzt am Katholischen Klinikum Bochum
Frühzeitig diagnostizierte HS-Patient*innen profitieren in der Regel noch von medikamentösen Systemtherapien. So können Komplikationen und größere chirurgische Eingriffe vermieden werden.
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Impressum
Bericht: Dr. rer. nat. Christine Reinecke I Redaktion und Konzept: Dr. rer. nat. Reinhard Merz
MiM Verlagsgesellschaft mbH (Neu-Isenburg)
Mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH (Nürnberg)
Bildnachweis: privat