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Allgemeinmedizin

Non-Hodgkin-Lymphom

Immuntherapeutika beim Multiplen Myelom

Dr. med. Aileen Schenk, Dr. med. Britta Besemer

31.1.2024

Das multiple Myelom gilt bis heute als chronische, nicht heilbare Erkrankung. Die Lebenserwartung hat sich in den vergangenen Jahren durch neue und innovative Therapieoptionen zwar deutlich verbessert, sie ist jedoch nach wie vor klar reduziert [1].

Mit einer Inzidenz von etwa 4,5–6/100 000 pro Jahr zählt das multiple Myelom zu den häufigsten Tumoren von Knochen und Knochenmark. Die Symptome der Erkrankung sind heterogen. Häufig treten Knochenschmerzen oder eine Fatigue auf, teilweise wird die Diagnose aber auch im Zuge der Abklärung einer Anämie oder einer Verschlechterung der Nierenfunktion gestellt. Umso wichtiger ist die Kenntnis der Erkrankung, um auch bei teils unspezifischen Symptomen an ihre Abklärung zu denken. Die Diagnose der Erkrankung kann bei Nachweis eines monoklonalen Proteins in Serum und/oder Urin, > 10 % Plasmazellen im Knochenmark und Endorganschäden im Sinne der CRAB-Kriterien gestellt werden. Mittlerweile wurden die CRAB-Kriterien um Biomarker (SLiM-Kriterien) erweitert (Tab. 1) [2].

Die Stadieneinteilung erfolgt anhand des Revised International Staging Systems (R-ISS) und beinhaltet Laborparameter wie β2-Mikroglobulin, Albumin und LDH sowie die Zytogenetik, wobei einzelne Mutationen als Hochrisiko-Mutationen definiert sind.

Nach Diagnosestellung liegt das absolute 5-Jahres-Überleben bei 47 % [3]. Neben patientenspezifischen Faktoren wie Alter und Komorbiditäten spielen das Initialstadium nach R-ISS und die Zytogenetik eine entscheidende Rolle für die Prognose. So liegt etwa das progressionsfreie Überleben nach 5 Jahren bei Erkrankten im Initialstadium R-ISS I bei 55 %, im Stadium R-ISS III hingegen bei 24 % [4].

Mit Vorliegen eines SLiM-CRAB-Kriteriums besteht eine Indikation zur Therapie. Dafür stehen mehrere Substanzklassen, welche in unterschiedlichen ­Kombinationen zugelassen sind, zur Verfügung.

Die ­Therapien sollten an die Komorbiditäten der Erkrankten, z. B. eine eingeschränkte Nierenfunktion oder eine vorbestehende Polyneuropathie, ­angepasst werden.

Therapeutische Zielstrukturen

Zu den verfügbaren Substanzklassen zählen u. a. ­Proteasom-Inhibitoren (Bortezomib, Ixazomib und ­Carfilzomib), monoklonale Antikörper gegen die Antigene CD38 (Daratumumab, Isatuximab) oder slamF7 (Elotuzumab), Immunmodulatoren (Thalidomid, ­Lenali­domid und Pomalidomid), aber auch klassische Chemotherapeutika (z. B. Melphalan, ­Cy­clophos­pha­mid) oder Peptid-Wirkstoff-Konjugate wie Melpha­lanflufenamid. Zudem gibt es inzwischen neue ­Immuntherapien etwa gegen BCMA-gerichtete Antikörper-Toxin-Konjugate (Belantamab-Mafodotin), bispezifische Antikörper, welche sich gegen CD3 auf den T-Lymphozyten und BCMA ­(Teclistamab, Elranatamab) oder GPRC5D (Talquetamab) auf den Myelomzellen richten sowie vs. CD3/BCMA-gerichtete CAR-T-Zellen (Idecabtagen vicleucel, Ciltacabtagen autoleucel). Weitere bispezifische Antikörper, die ­andere Antigene wie FcRH5 auf der Myelomzelle ­adressieren, sind aktuell Gegenstand klinischer Studien.

Behandlungsmanagement

Bei der Wahl der Erstlinientherapie muss zunächst entschieden werden, ob die Person für eine Hochdosis-Chemotherapie geeignet ist. Voraussetzungen hierfür sind ein Alter ≤ 70 Jahren und die Abwesenheit relevanter Komorbiditäten [5]. Das Hochdosis-Konzept besteht aus einer Induktionstherapie (Dara­tumumab/Bortezomib/Thalidomid/Dexamethason, Dara-VTd oder -VRd, Lenalidomid statt Thalidomid), Mobilisierungschemotherapie mit anschließender Stammzellapherese und Hochdosis-Chemotherapie mit Melphalan und autologer Stammzelltransplantation. Bei nicht erreichter Komplettremission, Hochrisikozytogenetik oder R-ISS III muss eine zweite Hochdosis diskutiert werden. Das Erreichen einer kompletten Remission sowie MRD-Negativität sind entscheidende Faktoren für das Langzeitüberleben [1]. Anschließend folgt eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid. Diese wird bis zur Unverträglichkeit oder bis zum Progress fortgeführt.

Für Erkrankte, die nicht für eine Hochdosis-Therapie geeignet sind, kommen Kombinationstherapien mit Daratumumab plus Lenalidomid und Dexamethason (Dara-Rd) bzw. plus Bortezomib, Melphalan und ­Dexamethason (Dara-VMP) oder VRd infrage [1].

Die Wahl der Rezidivtherapie richtet sich neben ­Komorbiditäten und Refraktärität der vorangegange­nen Therapien nach der Aktivität der Erkrankung im Rezidiv und muss daher individuell angepasst werden. Prinzipiell sind Triple-Kombinationen aus den oben genannten Substanzklassen zu bevorzugen.

Als neue, vielversprechende Immuntherapie sind aktuell ab der 4. Therapielinie beim Triple-refraktären Myelom (refraktär auf Proteasom-Inhibitor, CD38-Antikörper und Immunmodulator) Anti-BCMA-CAR-T-Zellen zugelassen. Mit Ciltacabtagen autoleucel konnten z. B. ein Gesamtansprechen von 97 % und ein medianes progressionsfreies Überleben von fast 3 Jahren erreicht werden [6]. Auch in den frühen Therapielinien zeigte sich in den Studien ein sehr gutes Ansprechen [7], sodass bald mit einer Zulassung von Ciltacabtagen autoleucel ab der 2. Therapielinie zu rechnen ist.

Ab der 4. Linie zugelassen sind mittlerweile die bispezifischen Antikörper Teclistamab, Elranatamab und Talquetamab, die als „off the shelf“-Therapien ohne lange Herstellungszeit zur Verfügung stehen [8].

Neben der Systemtherapie kann eine Bestrahlung zur Schmerztherapie, Stabilisierung von Osteolysen oder Frakturen oder zur Reduktion extramedullärer Manifestationen sinnvoll sein. Die Indikation sollte individuell geprüft werden. Als Supportivtherapie ist bei Osteolysen eine Osteoprotektion mit Bisphosphonaten oder Denosumab indiziert. Zudem sind unter Chemotherapien häufig antiinfektive Prophylaxen (Aciclovir, Cotrimoxazol) notwendig.

Die Therapie des multiplen Myeloms bringt viele Herausforderungen mit sich. Wichtig ist, sie individuell auf die Patientin oder den Patienten abzustimmen. Insbesondere neue Immuntherapien bieten Hoffnung für einst schwierig zu therapierende Erkrankte in fortgeschrittenen Therapielinien.

Korresspondierende Autorin

Dr. med. Britta Besemer
Oberärztin
Universitätsklinikum Tübingen
Medizinische Klinik II
Leitung Myelomzentrum

britta.besemer@med.uni-tuebingen.de

1 Usmani SZ et al., Blood Cancer J 2018; 8: 123
2 Rajkumar SV et al., Lancet Oncol 2014; 15: e538–48
3 Robert Koch-Institut (Hrsg.) und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e. V. (Hrsg.), Krebs in Deutschland für 2017/2018, 13. Ausgabe, Berlin 2021
4 Palumbo A et al., J Clin Oncol 2015; 33: 2863–9
5 Dimopoulos MA et al., Ann Oncol 2022; 33: 117
6 Chekol Abebe E et al., Front Immunol 2022; 13: 991092
7 San-Miguel J et al., N Engl J Med 2023; 389: 335–47
8 Krishnan A et al., J Comp Eff Res 2023; 12: e220186

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Bildnachweis: privat

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