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Praxismanagement

Potentiell inadäquate Medikamente für ältere Menschen

3.10.2023

8,3 Millionen ältere Menschen in Deutschland haben 2022 mindestens einmal ein potentiell inadäquates Medikament (PIM) verordnet bekommen, das zu unerwünschten Wechsel- oder Nebenwirkungen führen kann. Das zeigt eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) in Berlin. Damit war mehr als jeder zweite Mensch ab 65 Jahren (50,3%) davon betroffen.

Grundlage der Auswertung sind die an die 16,4 Millionen älteren GKV-Versicherten verordneten Arzneimittel, die auf der PRICUS-2.0-Liste (www.priscus2-0.de) verzeichnet sind. „Wir haben bei diesem Thema kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Durch Arbeitshilfen für die ärztliche Praxis, Patienteninformationen und auch die kostenfreie Bereitstellung der PRISCUS-2.0-Liste kann der Transfer in die Praxis unterstützt werden“, so der WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder.

Im Jahr 2022 ist eine aktualisierte PRISCUS-2.0-Liste von potentiell inadäquate Arzneimitteln für ältere Menschen ab 65 Jahren („PIM“) veröffentlicht worden. Anhand dieser Liste und auf Grundlage der alters- und geschlechtsadjustiert hochgerechneten Arzneiverordnungen für über 65-jährige GKV-Versicherte im Jahr 2022 ermittelte das WIdO, dass immerhin 12,3% aller an ältere Menschen verordneten Tagesdosen potentiell ungeeignet sind. Mit 50,3% ist damit mehr als jede zweite ältere GKV-versicherte Person davon betroffen. Bei Frauen ist der Anteil der potentiell inadäquaten Medikation laut der Auswertung deutlich höher als bei Männern.

Unterschiede in den Verordnungsraten von PIM-Arzneimitteln

„Die Arzneimittelversorgung der über 65-Jährigen ist geprägt durch die steigende Zahl der Erkrankungen im Alter und die Behandlung mehrerer, parallel vorliegender Krankheiten“, erklärt Schröder. Die Anzahl der gleichzeitig verordneten Arzneimittel nehme mit steigendem Alter deshalb deutlich zu. Insgesamt entfielen im Jahr 2022 auf die gesetzlich Krankenversicherten (GKV) ab 65 Jahre 56% des gesamten GKV-Verordnungsvolumens nach Tagesdosen. 43% der Versicherten über 65 Jahre wurden mit mehr als fünf verschiedenen Wirkstoffen gleichzeitig behandelt. Ältere Patienten seien damit besonders gefährdet, unerwünschte Arzneimittelereignisse zu erleiden. „Medikamentennebenwirkungen wie Müdigkeit, Blutdruckabfall oder Sehstörungen können zu Stürzen oder kognitiven Einbußen führen und in manchen Fällen sogar lebensbedrohlich sein“, so Schröder. Erfreulich sei daher, dass der Verordnungsanteil der potentiell inadäquaten Medikation in den vergangenen 10 Jahren zurückgegangen ist: Lag der Verordnungsanteil dieser Arzneimittel bei älteren Menschen im Jahr 2013 noch bei 14,6% , ist er 2022 auf 12,3% gesunken.

Eine Auswertung nach Regionen zeigt allerdings deutliche Unterschiede in den Verordnungsraten von PIM-Arzneimitteln: Die geringsten PIM-Anteile werden mit 48,2% bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen erreicht. „Die Spannbreite von 6,6 Prozentpunkten gibt einen Hinweis darauf, dass es in vielen KV-Regionen noch Verbesserungspotenzial gibt“, so Schröder.

Neue kompakte Arbeitshilfe zu PRISCUS-2.0-Wirkstoffen soll Ärzte unterstützen

Um den Wissenstransfer in die Praxis zu fördern, hat das WIdO eine kompakte Zusammenfassung der PRISCUS-2.0-Wirkstoffe als Arbeitshilfe für Ärzte erstellt, die kostenlos bei der AOK downloadbar ist (https://www.aok.de/gp/wirtschaftliche-verordnung/priscus-liste). Schröder verwies zudem auf die kostenlose Bereitstellung der kompletten PRISCUS-2.0-Liste durch das WIdO (https://www.priscus2-0.de/priscus-1.html) und eine aktuelle Patienteninformation des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Thema (https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/medikamente-im-alter-welche-wirkstoffe-sind-ungeeignet-neue-bmbf-broschure-2833.php).

Hintergrund: Das Projekt PRISCUS 2.0 hat zum Ziel, die Arzneimitteltherapie bei älteren Menschen zu optimieren und unerwünschte Arzneimittelereignisse zu reduzieren. PRISCUS 2.0 baut auf der im Jahr 2010 in Deutschland erstellten ersten Fassung der PRISCUS-Liste auf. Ein interdisziplinäres Team aus Wissenschaft und Praxis hat 2022 diese Liste auf den aktuellen Erkenntnisstand erweitert. Mehr als die Hälfte der Verordnungen potentiell unangemessener Medikamente bezieht sich auf Protonenpumpeninhibitoren. Ebenfalls zu den häufig verordneten potentiell inadäquaten Medikamenten gehören einige Wirkstoffe gegen Schmerzen, Antidepressiva und Medikamente bei Blasen- und Prostatabeschwerden.

Pressemitteilung „Aktuelle Auswertung zeigt: Jeder zweite ältere Mensch erhält potenziell unangemessene Medikamente“. Wissenschaftliches Instituts der AOK (WIdO), Berlin, 7.9.2023 (https://www.wido.de/news-presse/pressemitteilungen/2023/jeder-zweite-aeltere-mensch-erhaelt-pim/).
* Mann NK et al.: Potentially Inadequate Medications in the Elderly: PRISCUS 2.0 - First Update of the PRISCUS List. Dtsch Arztebl Int. 2023 Jan 9;120:3-10 (DOI 10.3238/arztebl.m2022.0377).

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