Opioid-haltige Schmerzmittel bei akuten Rückenschmerzen haben keine stärkere Wirkung als Placebo, zeigt jetzt die im „Lancet“ publizierte australische OPAL-Studie. Ergebnisse einer weiteren, ebenfalls in Australien erarbeiteten kontrollierten Untersuchung (RESTORE-Studie), belegen zudem, dass bei chronischen Rückenschmerzen eine individualisierte, kognitive Verhaltenstherapie wesentlich wirksamer, anhaltender und kostengünstiger ist als eine Standardtherapie.
Die randomisierte OPAL-Studie ist die erste placebokontrollierte Studie mit einem Opioid ohne zusätzliche Gabe eines weiteren Schmerzmittels bei akuten Schmerzen im unteren Rücken oder Nackenbereich. 347 Erwachsene (≥ 18 Jahren, 49% weiblich), die seit maximal 12 Wochen unter mäßigen bis starken Rücken- und/oder Nackenschmerzen litten, wurden verblindet randomisiert einer Opioid-Behandlung (n=174; Oxycodon-Naloxon, bis zu 20 mg Oxycodon pro Tag oral) oder Placebogruppe (n=173) zugeteilt. Primärer Endpunkt war die Schmerzstärke nach sechs Wochen, gemessen mit einer 10-Punkte-Schmerz-Skala (BPI-PS / „Brief Pain Inventory“). Abschließend konnten in der Opioidgruppe 151 und in der Placebogruppe 159 Personen ausgewertet werden. Der mittlere BPI-PS-Schmerzwert nach sechs Wochen betrug in der Opioidgruppe 2,78 (initial 5,7) gegenüber 2,25 (initial 5,6) in der Placebogruppe (Unterschied nicht signifikant, p=0,051).
Unerwünschte Ereignisse traten in den beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich auf (35% mit Opioid und 30% mit Placebo; p=0,30), jedoch berichteten doppelt so viele Menschen in der Opioidgruppe über eine Verstopfung (7,5% gegenüber 3,5% in der Placebogruppe). Das Autorenteam schlussfolgert, dass Opioide bei akuten, unspezifischen Rückenschmerzen nicht besser wirksam sind als Placebo und daher nicht zu empfehlen sind. Sie fordert daher, vom - zumindest in Australien (wie auch den USA), in Deutschland ist man zumeist etwas vorsichtiger bei der Verschreibung von Opioiden - häufigen Einsatz von Opioiden bei diesen Indikationen abzusehen.
Hohe Bedeutung von sportlicher Aktivität bei Therapie und Prävention
Die RESTORE-Studie untersuchte randomisiert kontrolliert bei chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich eine kognitive Verhaltenstherapie (CFT) im Hinblick auf Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit. CFT ist ein individualisierter Ansatz, der schmerzbezogene Empfindungen (Angst und „Schmerzüberzeugungen“) sowie Verhaltensweisen ändern soll, wie z. B. Schonhaltung oder Bewegungsvermeidung, die den Schmerz sogar verstärken statt verbessern können. Insgesamt 492 Erwachsene (≥ 18 Jahre, mittleres Alter ca. 47 Jahre, ca. 60% Frauen), die seit über 3 Monaten an unteren Rückenschmerzen mit mäßiggradigen Bewegungseinschränkungen litten, wurden randomisiert zu gleichen Teilen in drei Gruppen eingeteilt. Sie erhielten über einen Zeitraum von 12 Wochen entweder bis zu sieben CFT-Behandlungssitzungen (sowie eine weitere Sitzung nach 26 Wochen; n=164) oder CFT plus Biofeedback (Bewegungssensoren zur Verstärkung der CFT-Effekte; n=163) oder eine Standardbehandlung (Kontrollgruppe n=165; z.B. Physiotherapie, Massage, Chiropraktik, Schmerzmittel, Injektionen oder chirurgische Eingriffe). Der primäre klinische Endpunkt war die Aktivitätseinschränkung nach 13 Wochen, welche anhand des 24-Punkte-Fragebogens RMDQ ermittelt wurde („Roland Morris Disability Questionnaire“; mehr Punkte bedeutet ein schlechteres Ergebnis). Initial betrug der mittlere RMDQ-Score in der CFT-Gruppe 13,3; in der „CFTplus“-Gruppe 14,0 und in der Kontrollgruppe 13,3. Der primäre gesundheitsökonomische Endpunkt wurde mittels QALYs („quality-adjusted life years“) erfasst. Im Ergebnis war die kognitive Funktionstherapie wirksamer als die Standardbehandlung; das Biofeedback zeigte dabei keinen Zusatznutzen. In den drei Gruppen betrugen die RMDQ-Scores nach 13 Wochen 7,5 (CFT sowie CFTplus) und 12,1 bei den Kontrollen (mittlere RMDQ-Differenz zur Kontrollgruppe für beide CFT-Gruppen -4,6). Auch nach 52 Wochen war der Effekt noch immer ähnlich gut (RMDQ-Scores 6,7 und 6,1 versus 11,5). Auch wirtschaftlich (QALYs und Fallkosten) schnitten die Interventionen besser ab.
„Beide Studien zeigen interessante Ergebnisse, insbesondere, dass starke Schmerzmittel bei Rückenschmerzen als Standardbehandlung kaum zielführend sind“, sagt der Neurologe Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener (Essen) und ergänzt: „In der Mehrzahl der Fälle ist auch die Operation keine dauerhafte Lösung; vor allem, da häufig muskuläre bzw. myofasziale Schmerzkomponenten vorhanden sind. Die Bedeutung der funktionellen Aspekte der Rückengesundheit, d. h. richtige Bewegungen bzw. veränderte Bewegungsmuster anstatt Vermeidungsverhalten und sportliche Aktivitäten im Rahmen von Therapie und Prävention kann daher gar nicht oft genug betont werden.“
Pressemitteilung „Individualisierte, kognitive Verhaltenstherapie statt Opioide bei Rückenschmerzen“. Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Berlin, 10.8.2023 (https://dgn.org/artikel/individualisierte-kognitive-verhaltenstherapie-statt-opioide-bei-ruckenschmerzen).
* Jones CMP et al.: Opioid analgesia for acute low back pain and neck pain (the OPAL trial): a randomised placebo-controlled trial. Lancet. 2023 Jul 22;402(10398):304-312 (DOI 10.1016/S0140-6736(23)00404-X).
* Kent P et al.: Cognitive functional therapy with or without movement sensor biofeedback versus usual care for chronic, disabling low back pain (RESTORE): a randomised, controlled, three-arm, parallel group, phase 3, clinical trial. Lancet. 2023 Jun 3;401(10391):1866-1877 (DOI 10.1016/S0140-6736(23)00441-5).