Der Amyloid-Antikörper Lecanemab wird in der EU und in Deutschland voraussichtlich nicht zur Behandlung von Alzheimer-Erkrankten zugelassen. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA (European Medicines Agency) hat sich gegen die Zulassung von Lecanemab in der Europäischen Union ausgesprochen. Zur Begründung hieß es, dass die Wirkung hinsichtlich der Verzögerung des kognitiven Abbaus das Risiko schwerer Nebenwirkungen nicht aufwiege, die mit dem Medikament verbunden sind.
Der Wirkstoff ist unter anderem in den USA, Israel, Japan, China und Südkorea zur Behandlung von Alzheimer zugelassen. Studien haben eine Verlangsamung des geistigen Abbaus durch Lecanemab um 27 % nachgewiesen (gemessen mit der Bewertungsskala iADRS). Dabei handelt es sich um eine Verzögerung von 4 bis 7 Monaten im Vergleich zur Placebogruppe. Bei knapp 17 % der Probandinnen und Probanden traten Hirnschwellungen und Hirnblutungen auf, in einigen Fällen mit einem schweren Verlauf. Es wurde von 3 Todesfällen im Zusammenhang mit der Lecanemab-Studie berichtet, stellte eine Pressemitteilung der Düsseldorfer Alzheimer Forschung Initiative AFI fest.
Lecanemab soll schädliche Amyloid-Plaques im Gehirn von Alzheimer-Erkrankten entfernen. Diese gelten als eine mögliche Ursache der Krankheit. Damit gehört Lecanemab zu einer neuen Generation von Wirkstoffen, die zum ersten Mal ursächlich in den Krankheitsmechanismus von Alzheimer eingreifen.
Eine weitere Substanz mit ähnlichem Wirkprinzip und potentiell ähnlich schweren Nebenwirkungen ist Donanemab. In den USA ist der Wirkstoff bereits als Alzheimer-Medikament erhältlich. Für Europa wurde ebenfalls ein Zulassungsantrag bei der EMA gestellt. Eine Entscheidung steht noch aus. Die Chancen auf eine Zulassung dürften aber mit der Ablehnung von Lecanemab gesunken sein.
Dr. rer. nat. Anne Pfitzer-Bilsing, Leiterin der Abteilung Wissenschaft von AFI, stellt dazu fest: „Wir können die Entscheidung des EMA-Fachausschuss grundsätzlich nachvollziehen. Wir befürworten, dass die Sicherheit der Erkrankten bei der Nutzen-Risiko-Abwägung höher gewichtet wurde. Die Wirkung von Lecanemab ist nur gering und es ist unklar, ob der Effekt für die Betroffenen selbst überhaupt spürbar ist. Dieser geringen Wirkung stehen potentiell gravierende Nebenwirkungen durch Hirnblutungen und Hirnschwellungen gegenüber. Das ist sicher nicht das, was sich Betroffene und Angehörige von einem neuen Medikament erhoffen“.
Hintergrund: Eine kritische Metaanalyse aus allgemeinmedizinischer Perspektive evaluierte 19 randomisierte, placebokontrollierte Studien mit über 23.000 Alzheimer-Betroffenen, die mit acht verschiedenen monoklonalen Amyloid-Antikörpern behandelt wurden. Entsprechend der Anfang 2024 veröffentlichten Ergebnisse boten die Antikörper auf kognitiver und funktioneller Ebene praktisch keine Vorteile, keines der Präparate erreichte einen „minimalen klinisch wichtigen Unterschied“ (MCID) für einen der untersuchten Scores. Dagegen ging die Behandlung immer mit deutlichen Risiken (Hirnödem, Blutungen) einher.
Pressemitteilung „Keine Zulassung für Alzheimer-Antikörper Lecanemab: Hintergründe und Statement“. Alzheimer Forschung Initiative (AFI), Düsseldorf, 30.7.2024 (https://www.alzheimer-forschung.de/aktuelles/meldung/keine-zulassung-fuer-alzheimer-antikoerper-lecanemab-statement/).
* Ebell MH et al.: Clinically Important Benefits and Harms of Monoclonal Antibodies Targeting Amyloid for the Treatment of Alzheimer Disease: A Systematic Review and Meta-Analysis. Ann Fam Med. 2024 Jan-Feb;22(1):50-62 (DOI 10.1370/afm.3050).