Ein Team der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel hat mehr als 30 neue Bakterienarten, die zum Teil mit klinisch relevanten Infektionen assoziiert sind, entdeckt. Einige davon könnten in der klinischen Praxis von Bedeutung sein. Untersucht wurden seit dem Jahr 2014 systematisch gesammelte Patientenproben, die unbekannte nosokomiale Keime enthielten.
Insgesamt analysierte das Team 61 unbekannte bakterielle Keime, die aus Blut- oder Gewebeproben von Patientinnen und Patienten mit verschiedenen Erkrankungen stammten. Für keines dieser Isolate lieferten konventionelle Labormethoden wie Massenspektroskopie oder die Sequenzierung eines kleinen Stückes des Erbguts einen Treffer. Deshalb sequenzierte das Team das gesamte Erbgut der Bakterien mit einer Methode, die erst seit wenigen Jahren zur Verfügung steht (Whole Genome Sequencing). Die ermittelten Genomsequenzen glichen sie mithilfe eines Online-Tools mit bereits bekannten Bakterienstämmen ab.
Es stellte sich heraus, dass 35 der 61 Bakterien bisher nicht bekannt waren. Die restlichen 26 Stämme wurden als schwer identifizierbar eingestuft: Deren Genomsequenzen waren erst seit Kurzem in Datenbanken abgelegt oder die Keime wurden erst vor ganz kurzer Zeit korrekt taxonomisch beschrieben. Eine Evaluation von Patientendaten ergab, dass von den 35 neuen Stämmen 7 klinisch relevant sind, also beim Menschen bakterielle Infektionen verursachen können. „Ein solcher direkter Abgleich zwischen neu identifizierten Bakterienarten und klinischer Relevanz wurde bisher nur selten veröffentlicht“, sagt PD Dr. sc. nat. Daniel Goldenberger.
Neues Bakterium Vandammella animalimorsus
Der größte Teil der neu identifizierten Arten gehört zu den Gattungen Corynebacterium und Schaalia, beide grampositive Stäbchen. „Viele Arten aus diesen beiden Gattungen finden sich im natürlichen menschlichen Mikrobiom der Haut und der Schleimhäute. Sie werden deswegen häufig unterschätzt und sind wenig erforscht“, so Goldenberger. Doch wenn sie – etwa aufgrund eines Tumors – in die Blutbahn eindringen, können sie Infektionen auslösen.
Klinisch von Bedeutung könnte auch einer der schwer zu identifizierenden Keime sein. Er stammt aus dem entzündeten Daumen eines Patienten, der von einem Hund gebissen wurde. Eine kanadische Forschungsgruppe hat dieses Bakterium kürzlich ebenfalls aus Wunden von Hunde- und Katzenbissen isoliert. „Wir nehmen deshalb an, dass es sich dabei um einen neu aufkommenden Krankheitserreger handelt, den wir im Auge behalten müssen“, so Goldenberger. Das Bakterium erhielt im Jahr 2022 vom kanadischen Forscherteam den Namen Vandammella animalimorsus (Tierbiss-Vandammella).
Die Benennung der neu entdeckten Arten ist auch für das Basler Team der nächste Schritt. Hierfür arbeiten sie mit Prof. Dr. Peter Vandamme von der Universität Gent (Belgien) zusammen, einem Spezialisten für die Klassifizierung von Bakterien. Zwei der Bakterien sind bereits getauft: Eines davon trägt den Namen Pseudoclavibacter triregionum – er bezieht sich auf die Lage von Basel an der Grenze der drei Regionen Schweiz, Frankreich und Deutschland.
Das Team um Goldenberger sammelt und sequenziert weiterhin systematisch unbekannte Keime aus Patientenproben des Universitätsspitals Basel: mittlerweile sind über 20 dazugekommen. „Wir bemerken hier eine große Dynamik, es wird aufgrund der technologischen Fortschritte in der Bakteriologie allgemein viel mehr über neu entdeckte Bakterienarten berichtet“, sagt Goldenberger. Durch diese Entwicklung wird es in Zukunft einfacher werden, Infektionen mit seltenen Erregern richtig zu diagnostizieren und von Anfang an effektiv zu behandeln.
Pressemitteilung: Über dreissig neue Bakterienarten in Patientenproben entdeckt. Universität Basel (Schweiz), 8.1.2024 (https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Ueber-dreissig-neue-Bakterienarten-in-Patientenproben-entdeckt.html).
Muigg V et al.: Novel Organism Verification and Analysis (NOVA) study: identification of 35 clinical isolates representing potentially novel bacterial taxa using a pipeline based on whole genome sequencing. BMC Microbiol. 2024 Jan 5;24(1):14 (DOI 10.1186/s12866-023-03163-7).