Mehrere Menschen erkrankten nach einer Magen-Botox-Spritze schwer an Botulismus und mussten in Deutschland neurointensivmedizinisch behandelt werden, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Das bei der Behandlung verabreichte Botulinum-Nervengift kann zu typischen Lähmungserscheinungen führen, die auf die Atemmuskulatur übergreifen und so zum Tod führen können.
Aktuell wird von 12 „Gesundheits-Touristen“ berichtet, die einen Aufenthalt in der Türkei dazu nutzten, sich in Privatkliniken Botox in die Magenwand spritzen zu lassen um „problemlos und sanft“ abzunehmen und die nun in Folge der Adipositas-Behandlung schwer erkrankt sind. Prof. Dr. med. Tim Hagenacker (Essen), Mitglied der Kommission Motoneuron- und Neuromuskuläre Erkrankungen der DGN, hat eine Fallserie zur wissenschaftlichen Auswertung dieses Botulismus-Ausbruchs initiiert und bittet Kollegen, ihre Fälle zu melden.
„Wir möchten uns nicht an Spekulationen beteiligen, warum es zu diesen Fällen kam, ob sie durch Überdosierungen verursacht wurden, z. B. durch Verunreinigung der Substanz, die zu einer Wirkungsverstärkung führen kann, – oder ob die Therapie per se ein höheres Risiko für Botulismus aufweist, da deutlich höhere Botox-Dosen verwendet werden als z. B. bei der kosmetischen Behandlung und das Botox hier auch ‚off label‘, also außerhalb der Zulassung angewendet wird. Wir möchten Menschen, die sich einem solchen Eingriff in den letzten zehn Tagen unterzogen haben, sowie unsere hausärztlichen Kollegen für die Symptome sensibilisieren, damit möglichst schnell eine Therapie eingeleitet werden kann“, so Hagenacker. „Botulismus ist eine sehr selten auftretende Krankheit und ist daher nicht immer das erste, woran Mediziner bei diesen Symptomen denken.“
Auch sei die Abgrenzung von anderen neurologischen Krankheiten wie der Myasthenia gravis oder dem Guillain-Barré-Syndrom nicht immer einfach. Um die Diagnostik abzukürzen, ist es daher wichtig, dass die Patienten beim Arztbesuch angeben, wenn sie sich zuvor einer Botox-Behandlung unterzogen haben. Das kann die Diagnostik verkürzen.
Botulismus mit unspezisifischen Symptomen
Zu Beginn zeigt sich Botulismus mit unspezifischen Symptomen. Typischerweise treten zunächst Magen-Darm-Beschwerden auf, also Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, dann Schluckstörungen und Lähmungserscheinungen. Binnen 48 Stunden nach der Botox-Behandlung kann ein Anti-Toxin verabreicht werden, das Zeitfenster wird aber häufig verpasst. Laut Einschätzung von Hagenacker ist auch nicht ganz klar, ob bzw. wie gut es bei dieser iatrogen verursachten Botulismus-Form wirkt. Die Betroffenen werden immer auch symptomatisch behandelt (wie in einer S1-Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung des Botulismus der DGN beschrieben). Neu ist der Einsatz von Pyridostigmin, einem Arzneimittel, das sonst bei der Myasthenia gravis zur Anwendung kommt. Besonders wichtig ist bei schweren Fällen die Unterstützung der Schluck- und Atemfunktion, damit es nicht zu schweren Lungenentzündungen oder anderen lebensbedrohlichen Komplikationen kommt.
„Auch Betroffene, die neurointensivmedizinisch betreut werden müssen, haben Aussicht auf vollständige Genesung“, so Hagenacker. Oft dauere der Genesungsprozess aber mehrere Wochen und Monate „Das Gift baut sich nur langsam ab und die geschädigten Synapsen, die die Lähmungssymptome verursachen, müssen erst wieder gebildet werden.“
*Pressemitteilung „DGN warnt vor Botoxspritzen in die Magenwand zur Appetitzügelungund initiiert wissenschaftliche Aufarbeitung“. Deutsche Gesellschaft fürNeurologie (DGN), Berlin, 18.3.2023 (https://dgn.org/artikel/dgn-warnt-vor-botoxspritzen-in-die-magenwand-zur-appetitzugelung-und-initiiert-wissenschaftliche-aufarbeitung).