Die weltweit erste randomisierte Studie zur Adipositas-Chirurgie, in der als Endpunkte die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit sowie die Lebensqualität definiert wurden, zeigt eine erhebliche Reduktion des Körpergewichts durch den bariatrischen Eingriff um ein Drittel. Die monozentrische Würzburger Adipositas-Studie (WAS) hat die Effekte einer Magenbypass-Operation gegenüber einer intensiven und psychotherapiegestützten Lebensstil-Intervention verglichen.
„Zur Adipositas-Chirurgie gibt es nur eine Handvoll randomisierter Studien, da die Rekrutierung sehr schwierig ist“, stellt Prof. Dr. med. Martin Fassnacht (Würzburg) fest, Leiter des Lehrstuhls Endokrinologie und Diabetologie an der Universitätsmedizin Würzburg und Letztautor der Studie. Das Problem dabei: „Entweder wollen die Patientinnen und Patienten die Operation unbedingt, oder sie lehnen sie aus Angst vor dem irreversiblen Eingriff und den damit verbundenen Lebensveränderungen ab. Da möchten nur wenige mittels Zufallsmechanismus einer Gruppe zugeordnet werden. Darüber hinaus muss bei jedem Studienteilnehmenden eine Indikation sowie eine Kostenzusage der Krankenkasse für einen bariatrischen Eingriff vorliegen.“
RYGB: „Man muss wirklich bereit sein für diese Umstellung“
Erstautorin Dr. med. Ann-Cathrin Koschker, Oberärztin der Endokrinologie am Universitätsklinikum Würzburg, hat 60 Patienten mit schwerem Übergewicht für die Studie randomisiert und sie über viereinhalb Jahre betreut. Die Mehrzahl der Studienteilnehmer war weiblich (88%), der durchschnittliche BMI lag bei 48 (kg/m2). Nach einer 6- bis 12-monatigen Vorlaufphase erhielten 22 Studienteilnehmende einen Roux-en-Y-Magenbypass (RYGB) und 24 eine psychotherapiegestützte Lebensstil-Intervention (PELI). Beim RYGB wird der Magen verkleinert und die Nahrung durch eine künstlich angelegte, Y-förmige Verbindung an großen Teilen des Magens und des Dünndarms vorbeigeleitet. Dadurch kann weniger Nahrung aufgenommen werden und der Darmhormonhaushalt ändert sich nachhaltig. „Bestimmte Nahrungsmittel wie Fleisch und Süßigkeiten werden dann oft nicht mehr gut vertragen“, so Koschker. „Nach einem Jahr vertragen zwar viele wieder vieles, aber eben nicht alle alles.“
Die Würzburger Adipositas-Studie belegt den beachtlichen Gewichtsverlust nach dem chirurgischen Eingriff: „Während die Teilnehmenden der PELI-Gruppe durch die Intervention mit ausführlicher Ernährungsberatung und engmaschiger psychotherapeutischer Begleitung immerhin im Schnitt 2 Kilogramm innerhalb eines Jahres abnahmen, verloren die Probandinnen und Probanden mit Magenbypass 34% ihres Körpergewichts“, berichtet Koschker. Im Schnitt waren die Teilnehmer in der bariatrischen Gruppe 1,67 Meter groß, wogen zu Beginn 136 Kilogramm und brachten ein Jahr nach der Operation 47 Kilogramm weniger auf die Waage. Ihr BMI sank von 49 auf 31 kg/m2.
Kardiopulmonale Leistungsfähigkeit und Lebensqualität signifikant verbessert
Der eklatante Gewichtsverlust in der RYGB-Gruppe wirkte sich erkennbar positiv auf Lebensqualität, Herzfunktion und Begleiterkrankungen aus: „Wir haben in der Echokardiografie, gesehen, dass die Masse des Herzmuskels im Verlauf eines Jahres um 32 Gramm zurückging. Das war ein unerwartet starker Effekt“, so Prof. Dr. med. Stefan Störk, Leiter der Klinischen Forschung am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZH), und mit Fassnacht zusammen Leiter der Adipositas-Studie. Die Abnahme der linksventrikulären Herzmuskelmasse hat sich wiederum auf die Leistungsfähigkeit ausgewirkt. Bei der Spiroergometrie konnten die RYGB-Operierten ihre Sauerstoffaufnahme um 4,3 ml/min/kg steigern. Beim 6-Minuten-Gehtest schafften sie 44 Meter mehr als vor der Operation. Die PELI-Gruppe fühlte sich nach der intensivierten Lebensstil-Intervention ebenfalls etwas fitter, legte im Schnitt sechs weitere Meter innerhalb der vorgegebenen sechs Minuten zurück und berichtete über eine leicht verbesserte Lebensqualität. Bei den Operierten jedoch fiel diese Verbesserung mit +40 Punkten auf der Physical Functioning Scale (SF-36), wesentlich deutlicher aus als in der PELI-Gruppe mit +10 Punkten. „Damit war die Lebensqualität der Operierten praktisch wieder so gut wie die von gesunden Normalpersonen“, konstatiert Dr. med. Bodo Warrings, der die psychotherapeutische Intervention begleitet hat. „Wichtig ist aber, dass die Operation in einen Gesamt-Therapieplan mit Lebensstil-Interventionen integriert wird“, fügt der Psychiater und Psychotherapeut am Zentrum für Psychische Gesundheit hinzu.
„Die Größe der beobachteten Effekte deutet übereinstimmend darauf hin, dass diese Veränderungen klinisch relevant sind“, betont Fassnacht. Beeindruckend seien zum Beispiel die Auswirkungen auf den Blutdruck nach dem chirurgischen Eingriff und dem damit einhergehenden Gewichtsverlust: obwohl die RYGB-Gruppe nach der OP weniger Blutdruckmedikamente als die PELI-Gruppe einnahm, hatte sie niedrigere Blutdruckwerte. Und Koschker ergänzt: „15 Patientinnen und Patienten aus der PELI-Gruppe nahmen übrigens das Angebot war und ließen sich nachträglich operieren. Auch bei ihnen bestätigten sich ganz klar die positiven Effekte der bariatrischen Chirurgie.“
Pressemitteilung „Magenbypass bei Adipositas: Ein Drittel weniger Gewicht, bessere Lebensqualität und Leistungsfähigkeit“. Uniklinikum Würzburg, 17.7.2023 (https://www.ukw.de/aktuelle-meldungen/detail/news/magenbypass-bei-adipositas-ein-drittel-weniger-gewicht-bessere-lebensqualitaet-und-leistungsfaehigke/).
* Koschker AC et al.: Effect of bariatric surgery on cardio-psycho-metabolic outcomes in severe obesity: A randomized controlled trial. Metabolism. 2023 Jun 30:155655 (DOI 10.1016/j.metabol.2023.155655).