Eine jetzt vorgelegte multinationale Studie hat versucht, die Abbruchraten bei der ADHS-Behandlung über die gesamte Lebensspanne der Patienten zu bestimmen und Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern zu beschreiben. Es zeigte sich zusammengefasst, dass innerhalb eines Jahres nach Behandlungsbeginn nur noch 65 % der Kinder, 50 % der Jugendlichen und 40 % der jungen Erwachsenen die verordneten ADHS-Medikamente einnehmen.
Die Untersuchung wurde als retrospektive Beobachtungsstudie mit bevölkerungsbasierten Datenbanken aus acht Ländern und einer Sonderverwaltungszone (Australien, Dänemark, Hongkong, Island, Niederlande, Norwegen, Schweden, Vereinigtes Königreich und USA) durchgeführt. Verwendet wurde ein gemeinsamer Analyseprotokollansatz, aus dem Verschreibungsdaten extrahiert wurden, um neue Anwender und Anwenderinnen von Medikamenten zur Behandlung einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zu identifizieren. Eingeschlossen wurden Betroffene, die drei Jahre alt oder älter waren und zwischen 2010 und 2020 eine Behandlung mit ADHS-Medikamenten begonnen hatten. Bei der Analyse wurden der Behandlungsabbruch bzw. -Fortsetzung in den 5 Jahren nach Behandlungsbeginn erfasst, stratifiziert nach Alter bei Beginn (Kinder [Alter 4-11 Jahre], Jugendliche [Alter 12-17 Jahre], junge Erwachsene[Alter 18-24 Jahre] und Erwachsene [Alter ≥25 Jahre]) und Geschlecht. Daten zur ethnischen Zugehörigkeit waren nicht verfügbar.
Behandlungspersistenz geringer als erwartet
Insgesamt konnten 1.229.972 Personen (735.503 [60 %] Männer,494.469 Frauen [40 %]; Durchschnittsalter 8-21 Jahre) in die Studie einbezogen werden. Länderübergreifend war die Häufigkeit der Behandlungsabbrüche 1-5 Jahre nach Beginn der ADHS-Medikation bei Kindern am niedrigsten und bei jungen Erwachsenen und Jugendlichen am höchsten. Innerhalb eines Jahres nach Beginn einer medikamentösen ADHS-Therapie blieben 65 % der Kinder, 47 % der Jugendlichen, 39 % der jungen Erwachsenen und 48 % der Erwachsenen in Behandlung. Der Anteil der Therapieabbrecher und -abbrecherinnen war im Alter zwischen 18 und 19 Jahren am höchsten. Unter Berücksichtigung der Wiederaufnahme der medikamentösen Therapie ergaben sich in den teilnehmenden Ländern nach 5-jähriger Nachbeobachtung höhere Persistenzraten. Diese betrugen bei Kindern 50-60 % und bei Jugendlichen und Erwachsenen 30-40 % Die Muster waren bei allen Geschlechtern ähnlich.
Die Autorengruppe bestätigt die Erfahrungen, die auch in Deutschland vorliegen: Ein frühzeitiges Absetzen von Medikamenten ist in der ADHS-Behandlung weit verbreitet, insbesondere bei jungen Erwachsenen. Obwohl eine erneute Einnahme von Medikamenten häufig vorkommt, ist die Behandlungspersistenz bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen geringer als erwartet, basierend auf früheren Schätzungen der ADHS-Symptompersistenz in diesen Altersgruppen. Die Studienergebnisse unterstreichen das erhebliche Ausmaß des Abbruchs der medikamentösen ADHS-Therapie und die Persistenz von ADHS über die gesamte Lebensspanne und liefert neue Erkenntnisse über den langfristigen Einsatz von ADHS-Medikamenten.
Brikell I et al.: ADHD medication discontinuation and persistence across the lifespan: aretrospective observational study using population-based databases. Lancet Psychiatry. 2024 Jan;11(1):16-26 (DOI 10.1016/S2215-0366(23)00332-2).