Gesetzlich Versicherte haben vor planbaren Eingriffen an der Wirbelsäule ab sofort Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung. Der entsprechende Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses ist jetzt in Kraft getreten. Durch eine zweite ärztliche Meinung soll das Risiko einer zu weiten Indikationsstellung und damit zu hoher Zahlen bestimmter planbarer „mengenanfälliger“ Eingriffe verringert werden.
Für folgende Indikationen darf jetzt eine Zweitmeinung eingeholt werden: Osteosynthese (dynamische Stabilisierung) an der Wirbelsäule, Spondylodese, knöcherne Dekompression, Facettenoperationen (verschiedene), Verfahren zum Einbringen von Material in einen Wirbelkörper (mit oder ohne vorherige Wirbelkörperaufrichtung), Exzision von Bandscheibengewebe und die Implantation einer Bandscheiben-Endoprothese.
Indikationsstellende Ärzte sind verpflichtet, Versicherte über ihren Rechtsanspruch auf eine Zweitmeinung zu informieren, wenn sie die Indikation für einen dieser planbaren Eingriffe stellen. Zu den zu einer Zweitmeinung bei Eingriffen an der Wirbelsäule berechtigten Fachgruppen gehören Orthopäden und Unfallchirurgen, Neurochirurgen sowie Neurologen als auch Allgemeinmediziner, Internisten und Anästhesisten mit der Zusatzbezeichnung „spezielle Schmerztherapie“. Sie müssen eine Genehmigung bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigung beantragen, wenn sie als Zweitmeiner tätig sein wollen. Die für die Abrechnung notwendigen Ziffern sind bereits im EBM enthalten. Nichtärztliche Fachberufe in der physikalischen und rehabilitativen Medizin können zur Beratung hinzugezogen werden. Die Zweitmeinung umfasst die Durchsicht vorliegender Befunde des behandelnden Arztes und ein Anamnesegespräch. Hinzukommen ärztliche Untersuchungen, sofern sie zur Befunderhebung und Überprüfung der Indikationsstellung zwingend erforderlich sind.
Der Anspruch auf Zweitmeinung ist im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom Juli 2015 verankert (§ 27b SGB V). Damit haben gesetzlich versicherte Patienten einen Rechtsanspruch auf Einholung einer unabhängigen ärztlichen Zweitmeinung bei bestimmten planbaren Eingriffen. Im Gesetz ist auch festgelegt, dass die Krankenkassen die Kosten tragen, die den Ärzten durch die Bereitstellung von Befundunterlagen zur Zweitmeinung entstehen. Die Verfahrensregeln für die Zweitmeinung hat der Gemeinsame Bundesausschuss in einer Richtlinie festgelegt.
Praxisnachrichten November 2021