Sport ist gesund. Wie wichtig Sport für die Gesunderhaltung, insbesondere des Herz-Kreislauf-Systems ist, ist hinlänglich bekannt. Doch ist der Organismus durch einen Infekt geschwächt, so können sich die Wirkungen der sportlichen Betätigung auf den Körper ins Gegenteil verkehren.
Die infektassoziierte Myokarditis ist eine seltene, aber sehr ernst zu nehmende Komplikation, mit potenziell letalen Folgen. Im Rahmen eines viralen Infektes geht man bei 5–10 % der Normalbevölkerung von einer myokardialen Mitbeteiligung aus. Bei Leistungssportlern ist das Risiko eines plötzlichen Herztodes um das 2,5-Fache erhöht, wobei die Myokarditis in dieser Gruppe eine der wichtigsten Ursachen des plötzlichen Herztodes darstellt. Genaue Zahlen lassen sich nicht eruieren, aber allein in Deutschland geht man von einigen hundert Fällen pro Jahr aus.
Die Kaskade physiologischer Prozesse, die durch aktive Bewegung in Gang gesetzt wird, ist umfassend. Sie reicht, um nur einige Auswirkungen zu nennen, von der Stärkung des Immunsystems, der Bildung von Neurotransmittern und der Erhöhung des Stoffwechsels bis hin zu hormonellen Veränderungen, wie vermehrter Endorphin- oder Endocannabinoidausschüttung. Hohe Belastung wirkt sich direkt auf multiple Systeme des Körpers aus. Stresshormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol werden gebildet, die Lymphozytenkonzentration erhöht sich (NK-Zellaktivierung), Energiespeicher werden verbraucht und muskuläre Strukturen belastet bzw. teilweise geschädigt. In der Nachbelastungsphase (etwa ein bis drei Stunden) können gegenläufige Prozesse beobachtet werden: eine verringerte Interferon-γ-Synthese (IFN weist ursprünglich eine immunstimulierende, antivirale Wirkung auf), eine reduzierte Tätigkeit der NK-Zellen sowie eine allgemeine Lymphozytopenie. Zusätzlich zeigt sich die Konzentration des sekretorischen Immunglobulins (Antikörper) erniedrigt. Dieser sogenannte „Open-Window-Effekt“ gilt als einer der Hauptursachen für Infekterkrankungen der Atemwege bei Sportlern, da der Körper durch die verringerte Immunabwehr in dieser Zeit besonders anfällig für virale und bakterielle Angriffe ist.
Ist der Sportler schon erkrankt, so zeigt sich in der akuten Phase eines Infektes eine Erhöhung der viralen Replikationsrate und eine Zunahme eines potenziellen Gewebeschadens unter intensiver physischer Belastung. Besonders das während des Sports ohnehin stark beanspruchte Myokard weist dann ein erhöhtes Risiko einer viral oder bakteriell bedingten Entzündungsreaktion auf. Studien konnten zeigen, dass dem Zeitpunkt der sportlichen Aktivität, während oder kurz nach einer Myokarditis, eine ganz entscheidende Rolle zukommt. Wird zu früh zu stark belastet, so steigt im Tierversuch die Letalität der physisch belasteten Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich an. Wenngleich eine sehr geringe sportliche Aktivität sich positiv auf den Verlauf von Infekterkrankungen auswirken kann, so ist besonders bei Zeichen der Generalisation (Fieber, Lymphknotenschwellung) ein striktes Sportverbot auszusprechen. Gerade auch ambitionierte Freizeitsportler versuchen oft die Symptome eines manifesten Infektes durch frei verkäufliche, sog. „over-the-counter“-Arzneimittel, z. B. nicht-steroidale Antirheumatika/NSAR, zu kupieren, um weiterhin trainieren oder an Wettkämpfen teilnehmen zu können. Die Gefahr einer Myokarditis durch einen verschleppten Infekt steht – sowohl im Freizeit- als auch Leistungssport – in keiner Relation zu einer ausreichend langen und sinnvollen Ruhephase während der akuten Infektion und der Rekonvaleszenz.
Als Auslöser für den plötzlichen Herztod von Sportlern werden in der Wissenschaft zahlreiche Ursachen genannt, die sich vor allem mit sportspezifischen physiologischen Veränderungen in Verbindung bringen lassen, u. a. Hypokaliämie, Hyperkaliämie, Hypomagnesiämie, Hypoxie, Stress (Sympathikusaktivität) und hyperthrophe Kardiomyopathie. Die Häufigkeit plötzlicher Herztode, die auf eine (versteckte) Myokarditis zurückzuführen sind, ist unterschiedlich dokumentiert und liegt zwischen unter 5 % bis zu 12 % aller Herz-Kreislauf-Stillstände. Demnach gilt Sport gemeinhin nicht als Ursache für den plötzlichen Herztod, sondern vielmehr als auslösendes Ereignis. Eine Myokarditis bezeichnet per Definition eine entzündliche Herzmuskelerkrankung, die die Herzmuskelzellen, das Interstitium und die Herzgefäße betreffen kann (in Abwesenheit einer prädominanten akuten oder chronischen ischämischen koronararteriellen Erkrankung). Die Mehrheit infektiöser Myokarditiden lässt sich ätiologisch auf eine Virusinfektion zurückführen (Enteroviren, Herpesviren, CMV, HIV, Parvovirus B19, Coxsackie B1–5, Coxsackie A, HHV6, EBV, Influenza-, Adeno- und Echoviren). Nicht selten sind aber auch bakterielle Infektionen (Borrelien, Staphylokokken, Enterokokken, Streptokokken der Gruppe A etc.), Pilzerkrankungen und Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch zugrunde liegend. Myokarditiden treten auch im Rahmen nicht-infektiöser Autoimmunerkrankungen, wie z. B. bei rheumatoider Arthritis und systemischen Lupus erythematodes/SLE auf. Es sind jahreszeitliche Häufungen der Myokarditis im Spätwinter/Frühjahr zu beobachten, die sich auf eine saisonale Zunahme von Infekten und die ansteigende körperliche Aktivität zum Frühjahr hin zurückführen lassen. Eine Myokarditis gilt bisher als alters- und geschlechtsunabhängig.
Die Mehrzahl der Myokarditiden tritt erstmalig durch uncharakteristische, infekttypische Beschwerden wie Fieber, verminderte Belastbarkeit, Cephalgien und Myalgien in Erscheinung. Erst das Auftreten kardialer Symptome wie Palpitationen, Herzrhythmusstörungen, pektanginöse Beschwerden und Zeichen der manifesten Herzinsuffizienz (Belastungsdyspnoe, Beinödeme, Nykturie) lassen während oder nach einem durchgemachten Infekt an eine Myokarditis denken. Die notwendige Diagnostik sollte sich bei Myokarditisverdacht an einer leitliniengerechten Stufendiagnostik orientieren. Die Erhebung einer ausführlichen Anamnese und Durchführung einer gründlichen körperlichen Untersuchung sind selbstverständlich. Bei begründetem Verdacht auf eine myokardiale Beteiligung, sollten zusätzlich laborchemische Untersuchungen (Blutbild, Entzündungsparameter, CRP, ggf. mit Procalcitonin, Herzenzyme: CK/CK-MB, Troponin-T/I, NT-pro-BNP) und ein Elektrokardiogramm/EKG sowie ein 24-Stunden-EKG erfolgen. Es können, müssen sich aber nicht, charakteristische laborchemische und elektrokardiografische Zeichen der akuten Myokardschädigung zeigen. Die EKG-Veränderungen reichen von myokarditistypischen ST-Strecken-Veränderungen bis hin zu relativ unspezifischen Veränderungen. Bildgebende Verfahren wie die Echokardiografie, Röntgen-Thorax, Angiografie, Computertomografie/CT, Magnetresonanztomografie/MRT und Herzkatheter komplettieren die Diagnostik.Die nicht-invasive Diagnostik kann letztlich nur das Ausmaß der Schädigung, nicht aber die genaue Ursache der myokardialen Entzündung feststellen. Europäische und amerikanische Fachgesellschaften empfehlen daher die frühe Myokardbiopsie zur spezifischen Diagnostik und Grundlage einer kausalen Therapie.
Die Therapie erfolgt evidenzbasiert nach den entsprechenden Richtlinien. Grundlage ist hier die symptomatische Behandlung der Herzinsuffizienz und der Rhythmusstörungen. Die spezifische Therapie ergibt sich, sofern vorhanden, aus den Befunden der Myokardbiopsie-Diagnostik. Ob bei akuter, viral induzierter Myokarditis eine frühzeitige Entzündungshemmung und antivirale Therapie den Erkrankungsverlauf positiv beeinflussen, ist aufgrund unzureichender Datengrundlage nicht bekannt. Bekannt ist jedoch, dass eine antiinflammatorische Therapie vor der vollständigen Viruselimination einen prognostisch ungünstigen Verlauf induzieren kann.
In den meisten Fällen (ca. 80 %) und bei adäquater Therapie (ACE-Hemmer, ß-Blocker, Diuretika) heilt eine Herzmuskelentzündung jedoch folgenlos aus, mit einer kompletten Wiederherstellung der ventrikulären Funktion in mehr als 60 % der Fälle. Bei Nichtbehandlung besteht die Gefahr einer Chronifizierung der Myokarditis oder Entwicklung einer dilatativen Kardiomyopathie, die ebenfalls mit dem plötzlichen Herztod in Verbindung gebracht wird.
Solange Anzeichen einer akuten Myokarditis bestehen, ist in jedem Fall jegliche sportliche Betätigung strikt untersagt. Im Regelfall ist eine Dauer von drei bis sechs Monaten der Ausheilung dokumentiert, je nach Schwere/Komplikationen des Verlaufs. Nach einer Abschlussdiagnostik sollte, vor allem bei Menschen mit intensiver sportlicher Belastung bzw. Leistungssportlern, jedoch eine engmaschige sportmedizinische Betreuung erfolgen. Besonders leistungsdiagnostische Marker (Lactat-Stufentests samt Belastungs-EKG, laborchemische Parameter, insbesondere sportbezogen: kl. Blutbild, Natrium, Kalium, Creatinin, CK, CK-MB, funktionelle Tests) gelten als opportun in der Beurteilung der Sporttauglichkeit. Nach kompletter Ausheilung einer Herzmuskelentzündung, sollte in jedem Falle erst langsam mit der Aufnahme der sportlichen Aktivität begonnen werden. D. h. Trainingsumfang, -intensität und -frequenz sollten zunächst am unteren individuellen Leistungsniveau ausgerichtet sein und sich eher am Training der Grundlagenausdauer orientieren. Demnach ist vor allem von intensiven Krafttrainingseinheiten (z. B. Maximalkrafttraining, Intramuskuläres Koordinationstraining, Schnellkrafttraining etc.) abzusehen, um das Herz-Kreislauf-System nach langer Pause nicht zu aggressiv zu belasten. Demnach sollte ein Wiedereinstieg ins Krafttraining erst mittelfristiger (nach ca. vier bis sechs Wochen konsequentem Ausdauertraining) anvisiert werden.
Fazit
Moderate sportliche Aktivität kann helfen, das Immunsystem zu stärken und so Infekten vorzubeugen. Besonders nach Belastungen sorgt der „Open-Window-Effekt“ jedoch für einen anfälligen Organismus, weshalb sportlich aktive Menschen hier besonders das Immunsystem unterstützen und körperliche Schonungsphasen/Pausenzeiten einhalten sollten. Bereits bestehende Infekte sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden, da es zu ernsten Schädigungen des kardialen Systems kommen kann. Klare Richtlinien zum Wiedereinstieg in den Sport nach einer Myokarditis existieren nicht, sind hochindividuell und sollten mit einer umfangreichen Abschlussdiagnostik beim Kardiologen einhergehen. Behandelnde Ärzte sollten also im Optimalfall das komplette Spektrum der sportmedizinischen und sportwissenschaftlichen Leistungen abdecken können, um eine adäquate Prävention, Diagnostik und Behandlung bei Myokarditis abzudecken. Im Zweifelsfall gilt jedoch für jeden Sportler: lieber Mal einen Gang runterschalten.
Die Autorin
Dr. med. Franka Färber
Fachärztin für Innere Medizin
Chirotherapie und Naturheilverfahren
Orthopädiezentrum Theresie
Dres. Schneider, Obersteiner & Kollegen
80339 München
Der Autor
Dr. phil. Thore-B. Haag
Trainingswissenschaft und -Diagnostik
Leitung Sporttherapie
Orthopädiezentrum Theresie
Dres. Schneider, Obersteiner & Kollegen
80339 München
Literatur bei den Autoren