Kleine und größere Verletzungen von Muskulatur und Bindegewebe können sich als Muskelkater, Entzündung oder Prellung manifestieren. Anerkannte naturheilkundliche Behandlungen sind physikalische Therapie, Akupunktur und Phytotherapie. Wie ist die Up-to-date-Evidenz der einzelnen Verfahren?
Wiederholte exzentrische Kontraktionen und Vibrationen können die Ultrastruktur von Muskelfasern und Bindegewebe deutlich schädigen. Daraus kann sich eine Entzündung, eine schmerzhafte Zerrung oder ein Muskelkater mit verstärkter Müdigkeit entwickeln. In der Folge verringert sich die Muskelkraft, die Wahrnehmung der Gelenkposition verändert sich und die körperliche Leistungsfähigkeit nimmt ab. Dadurch erhöht sich das Risiko für weitere Verletzungen.
Massage gegen Muskelkater
Die Leistungsfähigkeit eines Sporttreibenden – auch im Amateurbereich – zu optimieren, ist nicht nur Sache des Trainings. Ebenso wichtig ist die Balance zwischen Belastung und Erholung. Das verhindert eine Fehladaption auf körperlichen und psychischen Stress, der sich aus der Trainingsbelastung ergibt.
Welche Maßnahmen sind besonders wirkungsvoll?
Bei einer Metaanalyse wurden Studien zu verzögert auftretenden muskulären Mikroläsionen (Muskelkater Typ 2; n = 80), zu Müdigkeit (n = 17) und zu muskelspezifischen und entzündungsrelevanten Markern (n = 43) genauer untersucht. Nach einer einzelnen Trainingseinheit waren Massagen wirksamer als Hydrotherapie, Kompressionsverbände oder andere Behandlungen [1]. Durch eine Massage wird der Blutfluss im geschädigten Muskel erhöht, Ödeme werden verringert. Wurde eine 20- bis 30-minütige Massage im Anschluss an das Training durchgeführt bzw. bis zu 2 Stunden danach, reduzierte das die muskulären Mikroläsionen effektiv für 24 Stunden [2]. Auch über eine Reduktion bis zu 72 Stunden wurde berichtet [3].
In der Metaanalyse wurde außerdem deutlich, dass aktive Erholung, Massage, Kompressionsverbände, Immersion, Wechselanwendungen und Kältetherapie den Muskelkater leicht bis deutlich zurückgehen ließen (-2,26 < g < -0,40; g = Hedges‘ g zur Berechnung der Standardabweichung). Die Massage erwies sich als wirksamste Technik, um sich von muskulären Mikroläsionen und Müdigkeit zu erholen. Das galt für athletische Personen ebenso wie für diejenigen, die sich wenig bewegen.
Währenddessen nahmen die Laborparameter für Muskelschädigung und Entzündung moderat bis leicht ab: Kreatinkinase (SMD [95%-KI]: -0,37 [-0,58 bis -0,16], I2 = 40,15 %), Interleukin-6 (SMD [95%- KI]: -0,36 [-0,60 bis -0,12], I2 = 0 %), C-reaktives Protein (SMD [95%-KI]: -0,38 [-0,59 bis -0,14], I2 = 39 %). Damit scheint Massage die effektivste Methode zu sein, um Muskelkater und Müdigkeit zu verringern. Speziell auf muskuläre Mikroläsionen hatten aktive Erholung, Wechselbäder und Kryotherapie die beste Wirkung. Bei alleiniger Müdigkeit war Massage in Kombination mit Stretching hilfreich, ebenso eine Kompression, so die Sportmedizin der Universität Poitiers in Frankreich [1].
Langzeiteffekt der Akupunktur
Akupunktur ist Bestandteil der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Sie ist effektiv bei verschiedenen muskuloskelettalen Erkrankungen, wozu auch verzögert auftretende Muskelschmerzen bzw. Muskelkater gehören. Gemäß TCM aktiviert die Akupunkturnadel den Meridian und schafft eine „De-Qi“-Empfindung, welche die Erholung von übungsbedingtem Muskelkater beschleunigt. Ein zusätzlicher Effekt auf die extrasegmentale und zentrale Neuromodulation durch lokale Axonreflexe wird angenommen.
Wie ist die Up-to-date-Evidenz für Akupunktur und Muskelschmerzen?
Systematisch überprüft wurden 6 Studien, in denen die Wirkung einer Akupunktur-Intervention auf den Muskelkater nach intensivem Training untersucht worden war (nach 24, 48 und 72 Stunden).
Die Ergebnisse des Muskelkater-Ratings (Analogskala mit 100 Punkten) und der Messung der Kreatinkinase sowie der maximalen isometrischen Kraft wurden gepoolt. Zum Einsatz kam in allen Studien eine Intervention am druckempfindlichen Nadel-Akupunktur-Punkt (Ashi-Punkt). Darüber hinaus wurde in einer Studie eine dritte Gruppe mit Laserakupunktur aufgenommen. Die Nadeln blieben für 10–20 Minuten im Punkt, in 3 Studien wurden die Nadeln zusätzlich gedreht, um eine manuelle „De-Qi“-Stimulation alle 5 Minuten hervorzurufen. In der Kontrollgruppe wurde ohne Intervention ruhig gesessen, bei der Laserakupunktur wurde als Kontrolle Scheinakupunktur eingesetzt. Wie die Ergebnisse der Metaanalyse zeigten, senkte die Nadel-Intervention die Einschätzung des Muskelkaters signifikant (Standard-Abweichung [SMD] -0,49; 95%-KI -0,73 bis -0,24; p < 0,001; I2 = 34 %), ebenso die Serumspiegel der Kreatininkinase (SMD -0,91; 95%-KI -1,27 bis -0,56; p < 0,001; I2 = 30 %). Damit verbunden war eine Verbesserung der Muskelkraft nach intensivem Training (SMD 0,54; 95%-KI 0,16 bis 0,93; p = 0,006; I2 = 51 %).
Gleichzeitig wurde auch ein Langzeiteffekt auf den Muskelkater deutlich, mit der größten Wirkung 72 Stunden nach dem Training. Akupunktur nach intensivem Training lindert den Muskelkater, senkt den Anstieg der Kreatininkinase und verbessert die maximale isometrische Kraft, mit einem Wirkungsmaximum nach 72 Stunden, resümierten Sportmediziner und -medizinerinnen aus China [4].
Was Polyphenole bewirken
Polyphenole bestimmen die bunte Farbe von Früchten und Beeren und sorgen als Bitter- und Gerbstoffkomponenten für Geschmack. Aufgebaut sind die sekundären Pflanzenstoffe aus Hydroxylgruppen, die an einen oder mehrere Benzolringe gebunden sind. Damit fungieren die Moleküle als Radikalfänger und Metallchelatoren, wirken dazu antiinflammatorisch und stärken die Gefäßfunktion über Stickstoffoxid-vermittelte Mechanismen. Es gibt Hinweise, dass Polyphenole aus Früchten leistungssteigernd wirken und die Erholung des geschädigten Muskels beschleunigen. So wurde gezeigt, dass 300 mg Polyphenole akut 1–2 Stunden vor dem Training zugeführt, die körperliche Belastbarkeit und die Leistung steigerten. Verantwortlich dafür waren antioxidative und vaskuläre Mechanismen. Das galt auch, wenn diese Menge langfristig 1–6 Wochen vor einem Wettkampf aufgenommen wurde. Nach intensivem Training mit Muskelschädigung konnte aber auch die Zufuhr von über 1 000 mg Polyphenole 3 Tage vor und nach dem Training die Erholungszeit der Muskulatur verkürzen. Diese Menge ist in etwa 450 g Blaubeeren, 120 g schwarzen Johannisbeeren oder 300 g Montmorency-Kirschen (Sauerkirschen) enthalten. Exzentrische Muskelkontraktionen können zu Muskelschädigung und Muskelkater führen, je nach Intensität der Belastung und Trainingsstatus des Sporttreibenden, so das Sport- und Ernährungswissenschaftlerteam aus dem Vereinigten Königreich und Australien. Deshalb sei es wichtig, die schnelle Erholung zwischen den Trainingseinheiten zu unterstützen [5].
Dass sich die Muskelfunktion durch Polyphenole erholt und der Muskelkater reduziert wird, bestätigte eine neuere Studie. Die Muskulatur erholte sich um bis zu 13 % schneller und der Muskelkater verringerte sich um bis zu 29 %. Die größten Effekte zeigten sich innerhalb von 48–72 Stunden nach dem Training. Auch wenn der Mechanismus unklar sei, spiele die Entzündungshemmung und verbesserte antioxidative Kapazität eine Rolle, so das Sportmedizinerteam aus dem Vereinigten Königreich. Trotz der eher moderaten Evidenz könnte die Supplementation mit Polyphenolen hilfreich sein, wenn zwischen den Wettkämpfen wenig Zeit bleibt [6].
Arnika bei Entzündung und Schwellung
Die gelben Blüten von Arnica montana enthalten ätherische Öle, die aus Fettsäuren, Thymol, Sesquiterpenen und Flavonoiden zusammengesetzt sind. Die Inhaltsstoffe wirken insbesondere antiphlogistisch und analgetisch [7]. So empfiehlt der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur, Umschläge mit einer Tinktur oder einem Flüssigextrakt aus frischen Arnikablüten bei Prellungen, Verstauchungen und Muskelschmerzen einzusetzen. Auch wenn die Evidenz aus klinischen Studien nicht ausreicht, beruht die Empfehlung auf der traditionellen Anwendung mit einem Einsatz über Jahrzehnte. Tinktur (1 : 10, 60 % Ethanol) oder Flüssigextrakt aus frischen Blüten (1 : 20, 50 % Ethanol) wird ein- bis mehrfach täglich in einer Einzeldosis von 0,5–1 g angewandt. Für Umschläge wird diese mit Wasser verdünnt (1 : 3 oder 1 : 10) oder als Salbe aufgetragen, die aus 20- bis 25%iger Tinktur besteht [8].
Die antientzündliche Wirkung von Arnika-Zubereitungen ist in vitro und experimentell nachgewiesen. Aktive Hauptkomponente in Arnika ist Helenalin, ein Sesquiterpenlacton, das die Apoptose induziert und die Proliferation von CD4+ T- Zellen hemmt, ebenso die Aktivierung des Transkriptionsfaktors kappa B in T-Zellen, B-Zellen und epithelialen Zellen. Damit ist Arnika ein Adjuvans für das akute und chronische Schmerzmanagement, so die Autorengruppe eines Übersichtsartikels [9]. Cave: Bei längerer Anwendung kann es zu Entzündung, Ekzem oder Nekrose kommen. Arnika-Zubereitungen dürfen nicht in der Schwangerschaft angewandt werden.
Sollen sportbedingte Mikrotraumen naturheilkundlich behandelt werden, spricht die Evidenz für Massage, Kryotherapie und Akupunktur. Um die Erholung bei Entzündungen zu verbessern, sind Massage und Kälteexposition am wirkungsvollsten. Zur Behandlung von stumpfen Traumata mit Entzündung und Schwellung eignen sich Verbände mit Arnika-Zubereitungen. Schließlich können oral aufgenommene Polyphenole die Muskelerholung zwischen intensiven Trainingseinheiten beschleunigen. Die größten Effekte treten dabei nach 2–3 Tagen auf. Auch die Akupunktur ist nach 72 Stunden am wirksamsten.
Die Autorin
Dr. rer. nat. Christine Reinecke
70378 Stuttgart
dres.reinecke@t-online.de
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Dr. Christine Reinecke ist promovierte Diplom-Biologin und seit über 25 Jahren freiberufliche Autorin zahlreicher Publikationen der Naturheilkunde, Medizin und Pharmazie
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