Auch Adipositas war beim DGPPN-Kongress 2023 ein Thema. Eine Session ging der Frage nach, wie eine medikamentöse Therapie und eine Psychotherapie bzw. Verhaltensmodifikationen sich gegenseitig unterstützen. Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Punkte der Session zusammen.
Das Thema Medikamente und Adipositas beleuchtete Prof. Dr. med. Stephan Zipfel (Tübingen) von zwei Seiten. Wie beeinflussen häufig verordnete Medikamente das Gewicht? Und wie können Medikamente die Gewichtsreduktion unterstützen? Er wies darauf hin, dass gerade bei Menschen, die bereits ein metabolisches Problem haben, die Wahl des Medikaments wichtig sei. Das gilt für alle Medikamentengruppen von Hypertensiva und Antidiabetika bis zu Antibiotika und Antidepressiva. Seine Empfehlung lautet: Bei solchen Patientinnen immer zu einer metabolischen neutraleren oder gewichtsneutraleren Stoffgruppe greifen. Auf der anderen Seite präsentierte er Studienergebnisse, die zeigen, wie GLP-Analoga die Gewichtsreduktion unterstützen: Zugelassen sind hier aktuell die Präparate Liraglutid, Semaglutid sowie Tirzepatid.
Dass diese Medikamente die Behandlung der Adipositas sinnvoll ergänzen, ist für ihn klar: „Mir als Internist und Psychosomatiker geht es darum, Wege zu finden, für den Patienten, für die Patientin, die letztendlich unser Handwerk, was wir über die Jahre mit Intervention entwickelt haben, nicht über Bord werfen, sondern integrieren.“ Wichtig ist für ihn an dieser Stelle immer eine ordentliche Diagnostik. Das heißt, sehr genau die psychischen Faktoren zu identifizieren. Dazu gehören Motivation, soziale Faktoren, familiäre Situation und Problemlösefähigkeiten, aber auch psychische Komorbiditäten und die Behandlungshistorie (Tab.).
Was leistet Verhaltenstherapie?
Eine begleitende Verhaltenstherapie besteht aus 4 Phasen, wobei vor allem der Punkt Motivationsaufbau und Zielvereinbarung relativ viel Zeit braucht. Oft stellt sich die Frage: Ist die Betroffene selbst motiviert oder steht eine Fremdmotivation im Vordergrund? Hat die Patientin tatsächlich realistische Ziele? Oder muss man erst an der Erarbeitung von realistischen Zielen mit der Patientin arbeiten, bevor man beginnt?
Das Thema Verhaltensmodifikation (Abb.) geht mit spezifischen Kontrolltechniken einher, insbesondere mit der Frage: Wie geht die Patientin mit Stress und negativen Emotionen um? „Emotionsregulation ist ein wichtiger Punkt“, sagte Prof. Zipfel, „und die Förderung der Aufrechterhaltung ist in früheren Programmen sicher zu kurz gekommen. Heute wissen wir: Neben der Rückfallprophylaxe spielt insbesondere die Stärkung der Selbstwirksamkeit eine ganz zentrale Rolle.“ Der Start einer Behandlung ist ein ganz wichtiger Punkt, weil viele der Betroffenen ziemlich frustrierende Erfahrungen gemacht haben. Für die allermeisten ist es nicht der erste Versuch, sie haben bereits frustrierende Erfahrungen gemacht.
Zum Abschluss wies Prof. Zipfel darauf hin, wie wichtig es ist, auch sehr basale Regeln mit Patientinnen gemeinsam zu besprechen. Beispielsweise dass Mahlzeiten geplant und am Tisch eingenommen werden sollten. Und wenn mehrere Personen am Tisch sitzen, dann geht es auch darum, dass man gemeinsam anfängt, zu essen. Das ist leider nicht selbstverständlich, aber Rüstzeug, um mit den Patientinnen den Einstieg in eine Verhaltensmodifikation zu finden.
Vortrag Prof. Dr. med. Stephan Zipfel (Tübingen). Session „Psychosomatische und psychotherapeutische Aspekte der Adipositas und der Binge-Eat-Störung“