Die Lipodystrophien sind durch den Verlust des subkutanen Fettgewebes charakterisiert. Die Ursache kann genetisch bedingt oder erworben sein. Auch ein Leptinmangel ist möglich. Deshalb kann eine Leptinersatztherapie die Symptome bei Betroffenen signifikant lindern.
Lipodystrophien (LD) gehören zur Gruppe seltener Erkrankungen, die durch den Verlust von subkutanem Fettgewebe charakterisiert sind. Die Häufigkeit der LD liegt bei ca. 3 Fällen/1 Mio. Einwohner. LD-Patienten fehlt das Fettgewebe. Häufig besteht ein Leptinmangel, der aber nicht obligat ist. Leptin wird überwiegend im subkutanen Fettgewebe synthetisiert, ist maßgeblich am Fett- und Glucosestoffwechsel beteiligt und steuert das Hungergefühl.
Durch den Leptinmangel kommt es außerdem zu ektopen Fettablagerungen, überwiegend in der Leber und in Muskeln, Insulinresistenz, Typ-1-Diabetes mellitus und Hypertriglyceridämie. Dadurch steigt das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Ursachen der prämaturen Mortalität sind koronare Herzerkrankungen (KHK), Leberinsuffizienz, Nierenversagen, Pankreatitiden und Sepsis.
Red Flags:
Differenzialdiagnostisch müssen konsumierende Erkrankungen ausgeschlossen werden, so z. B. Krebserkrankungen, schlecht eingestellter Diabetes mellitus, Nebenniereninsuffizienz, Kachexie, Magersucht, Hyperthyreose, Malabsorptionssyndrome und Morbus Cushing.
Die LD wird in generalisierte und partielle sowie kongenitale bzw. erworbene Lipodystrophien unterschieden. Die klinische Charakterisierung enthält als wichtiges Kriterium bei allen kongenitalen Formen den Erkrankungsbeginn im Kindes- oder Pubertätsalter. Bei der partiellen Form ist entweder der Oberkörper oder der Unterkörper betroffen. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Verschiedene Mutationen sind bereits bekannt.
Pathognomonisch ist ein unklarer Gewichtsverlust, insbesondere Fettgewebsverlust, bei Kindern unter 17 Jahren. Dabei ist bei der Anamnese bei Beginn der Symptomatik und andere klinische Zeichen auf das Alter zu achten. Die klinische Untersuchung ist auf die Dokumentation des Fettgewebsverlusts fokussiert: einer anthropometrischen Untersuchung, Messung der Körperzusammensetzung mittels Ganzkörper-Dual-Röntgen-Absorptiometrie (DXA), Ernährungsanamnese und die Evaluation der metabolischen Situation. Der Behandler sollte darauf achten, ob eine Acanthosis nigricans, ein akromegaloides Erscheinungsbild, vermehrte Venenzeichnung an den Extremitäten, hervorstehender Bauchnabel oder eine Hypertrichose vorhanden sind. Typisch sind die Hyperphagie, eine metaphysäre Sklerose, Kompaktaverdickung und Erhöhung der Knochendichte.
Bei Vorliegen von Progerie-Symptomen, positiver Familienanamnese oder Konsanguinität besteht der Verdacht auf eine familiäre Lipodystrophie. Leidet der Patient unter einer Autoimmunerkrankung, weist allerdings eine negative Familienanamnese auf, kann eine erworbene LD vorliegen.
Die laborchemische Evaluation unterstützt die o. g. Differenzialdiagnose. Zum laborchemischen Ausschluss sonstiger konsumierender Erkrankungen gehören: das große Routinelabor (Leber, Pankreas etc.), eine Zöliakie-Diagnostik (Endomysium- und Transglutaminase-IgA-Antikörper, HLA-DQ2 und -DQ8), ein Lipidprofil (Hypertriglyceridämie), Insulinresistenz (HOMA-Index), Leptin, Hyperandrogenämie und Molekularbiologie. Für eine umfassende Diagnostik der Gene ist es von Vorteil, die Familie zur humangenetischen Untersuchung zu überweisen.
Weitere Untersuchungen, welche die Unterscheidung in generalisierte oder partielle Form erleichtern, sind: ein angiologischer Status (Arterien, Venen, Oberbauchsonografie) und eine Ganzkörper-DXA-Untersuchung zur Messung der Körperzusammensetzung (Muskel, Fettmasse, Knochendichte, Osteoskleroseuntersuchung, hochauflösende, periphere, quantitative Computertomografie und Kompaktaverdickung). Das therapeutische Management ist auch das Management der Komplikationen, zu dem auch Ernährungsberatung und symptomatische pharmakologische Intervention zählen.
Als kausale Pharmakotherapie steht Metreleptin zur Verfügung. Es ist ein synthetisches Leptin-Analogon zur Substitution des Leptinmangels. In Deutschland ist es zugelassen für Patienten mit angeborener generalisierter LD (Berardinelli-Seip-Syndrom), mit erworbener generalisierter LD (Lawrence-Syndrom) und bei Patienten mit familiärer oder erworbener partieller LD (Barraquer-Simons-Syndrom), bei Erwachsenen und Kindern ab zwölf Jahren, bei denen durch Standardbehandlung keine angemessene Einstellung des Stoffwechsels erreicht werden konnte bzw. bei denen die LD klinisch rasch progredient ist.
Die Dosis liegt bei Frauen (> 40 kg) bei 5 mg/Tag s. c. (Tageshöchstdosis: 10 mg/Tag), bei Männern (> 40 kg) 2,5 mg/Tag s. c. (Tageshöchstdosis: 10 mg/Tag). Die Therapie führt zu einer Verminderung von Komplikationen, Verbesserung des glykämischen Status, Senkung der Triglyceride sowie Verbesserung der Leberfunktion und -histologie. Zu den unerwünschten Ereignissen zählen Gewichtsabnahme, abdominale Schmerzen, Hypoglykämie, reduzierter Appetit und Kopfschmerzen.
Der Autor
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christian Wüster
Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Osteologe DVO
Ärztlicher Leiter des Hormon- und Stoffwechselzentrums Prof. Wüster MVZ GmbH Mainz
Literatur beim Autor
Bildnachweis: privat