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Dermatologie

Leitlinien-Update

Psychoonkologische Versorgung optimieren

Dr. med. Christine Adderson-Kisser

1.3.2023

Unter Federführung der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Arbeitsgemeinschaft für Psychoonkologie in der DKG wurde Ende Dezember 2022 die Konsultationsfassung des Leitlinien-Updates „Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatient*innen“ online veröffentlicht.

Im Leitlinien-Update wurden einige inhaltliche Überarbeitungen vorgenommen sowie zahlreiche neue Inhalte ergänzt. So sind Ergänzungen in Kapitel 8 „Bereich psychoonkologische Interventionen“, Kapitel 9 „Bereich Psychopharmakotherapie“ und Kapitel 10 „Bereich Besonderheiten einzelner Zielgruppen“ hinzugekommen. Das Kapitel 11 „Patient*innenzentrierte Kommunikation“ wurde komplett überarbeitet.

E-Health-Interventionen verbessern Lebensqualität

Psychoonkologische E-Health-Interventionen werden für Krebspatienten unabhängig vom Belastungsgrad zur Verbesserung der Lebensqualität empfohlen (B, 1 a) und können auch zur Reduktion von psychischer Belastung, Depressivität, Angst und Fatigue angeboten werden (0, 1 a). Hierunter fallen die Nutzung von Gesundheits-Apps und -Webseiten sowie telemedizinische Angebote, die ortsunabhängig multimodale edukative, beratende und unterschwellig psychotherapeutische Unterstützung bieten.

Des Weiteren sollen in der Palliativphase Krebspatienten mit Anpassungsstörung oder subsyndromaler Belastung spezifische psychoonkologische Interventionen (z. B. Meditation, sinnzentrierte Psychotherapie, würdeorientierte Therapie) zur Reduktion von psychischer Belastung, Depressivität, Angst und Fatigue und zur Verbesserung der Lebensqualität angeboten werden (Empfehlungsgrad A, Evidenzlevel 1 a).

Die Autoren empfehlen zudem, Krebspatienten und deren Angehörigen in allen Versorgungssettings zeitnah eine psychoonkologische Krisenintervention von psychoonkologisch weitergebildeten Fachkräften anzubieten, um psychischen Folgeerscheinungen vorzubeugen (Expertenkonsens, EK). Als Richtwert geben sie an, dass für 500 Melanompatienten pro Jahr eine psychoonkologische Vollzeitkraft zur Verfügung gestellt werden sollte (EK). Die Krisenintervention adressiert dabei v. a. Personen mit reduzierten Bewältigungsressourcen, fehlender sozialer Unterstützung oder früheren traumatischen Erfahrungen und soll auch beim Umgang mit existenziellen Ängsten und Bedrohungen der Lebensperspektive helfen.

Schlafstörungen gezielt erfragen und behandeln

Bei 25–80 % der onkologischen Patienten treten als Folge der Erkrankung oder ihrer Therapie sowie durch die damit verbundene psychische Belastung Schlafstörungen auf. Gerade Frauen in höherem Alter sind davon betroffen. Neu ist daher die Empfehlung, die Indikation für eine psychopharmakologische Behandlung von Schlafstörungen bei Krebspatienten regelmäßig zu prüfen und ggf. eine multimodale Behandlung einzuleiten (EK).

Nicht nur akut Krebskranke benötigen psychosoziale Unterstützung, sondern auch die Langzeitüberlebenden.

Da selbst bei schwerer Schlafstörung zwei Drittel der Patienten das Problem nicht von sich aus ansprechen, sollte das Screening proaktiv erfolgen – denn gestörter Schlaf führt schnell zu Fatigue und verminderter Lebensqualität. Sind anamnestisch körperliche Symptome wie Schmerzen, Atemnot oder Übelkeit als Ursache für die Schlafstörung zu eruieren, sollten diese zunächst behandelt werden; nähere Hinweise dazu gibt die S3-Leitlinie „Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen“.

Therapeutisch kann die kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie Linderung verschaffen, ein großer Teil der Patienten setzt jedoch auf Psychopharmaka – deren Verträglichkeit und Wirksamkeit bei Krebspatienten jedoch bisher nur wenig untersucht sind. Generell müssen bei der Behandlung mit Psychopharmaka unbedingt pharmakokinetische Interaktionen mit der Krebsbehandlung (Cytochrom-­P450-Inhibition, anticholinerge Wirkung) und eine möglicherweise erhöhte Nebenwirkungsrate bei somatischer Grunderkrankung berücksichtigt werden (EK). Auch die Krampfbereitschaft kann gesteigert werden, was besonders bei Patienten mit zerebralen Metastasen berücksichtigt werden muss (bis zu 67 % Anfallsrisiko durch zerebrale Metastasen beim malignen Melanom) (EK). Bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko – eine nicht seltene Folge von Krebserkrankungen – sollte eine Depression bevorzugt mit Antidepressiva behandelt werden, die eine geringe Affinität zum Serotonin-Transporter aufweisen. Zu diesen zählen beispielsweise Bupropion, Mirtazapin und Trimipramin (EK).

Bedürfnisse abhängig vom Lebensalter

Eingang in die Leitlinie haben auch die besonderen Bedürfnisse junger und älterer Krebspatienten gefunden. Bei jungen Menschen stehen oft Fragen der Fertilität und Familienplanung, der Sexualität und der sozialen Integration nach der Krebserkrankung im Vordergrund. Aber auch Autonomieverlust und berufliche Herausforderungen wie Einkommens­einbußen oder eine Unterbrechung der Ausbildung sind hier wichtige Themen.

Ältere onkologische Patienten weisen zwar einerseits nicht selten ein besseres Coping auf, doch können bei ihnen altersbedingte Komorbiditäten auch einen unabhängigen Belastungsfaktor darstellen, der zu Angst und Depressionen führt. Folge sind nicht selten eine Verschlechterung der Therapieadhärenz und somit der Krankheitsprognose. Auch konnte bei den älteren Krebspatienten eine erhöhte Suizidalitätsrate nachgewiesen werden.

Neu sind auch Empfehlungen zur psychoonkologischen Betreuung von Langzeitüberlebenden (Cancer Survivors). Auch noch Jahre nach der Diagnose und Therapie ihrer Krebserkrankung können Überlebende unter anhaltenden psychischen, physischen und sozialen Problemen mit deutlich eingeschränkter Lebensqualität leiden. So gab etwa jeder fünfte Überlebende (> 40 Jahre) an, unter Angstsymptomen zu leiden, bis zu 80 % der ehemaligen Patienten erleben Rezidivangst und bei 16 % der Survivors kann eine manifeste Depression diagnostiziert werden. Daher sollten Langzeitüberlebende auch eine Langzeitnachsorge mit umfassendem Interventionsangebot erhalten, so der Expertenkonsens.

Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatient*innen, Langversion 2.01 (Konsultationsfassung), AWMF-Reg.-Nr.: 032/051OL. 2022. Verfügbar unter: https://www.leitlinien­programmonkologie.de/leitlinien/psychoonkologie/

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