Nach aktuellen Daten der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS) besteht bei knapp 5 % der Erwachsenen eine Nahrungsmittelallergie.[1] Der Großteil dieser IgE-vermittelten Allergien basiert auf einer Sensibilisierung gegenüber Aeroallergenen (vor allem Pollen) mit anschließenden Reaktionen (sogenannte Kreuzallergien) auf strukturverwandte Allergene.
Diese häufig instabilen Allergene sind insbesondere in (pflanzlichen) Lebensmitteln wie Obst, Gemüse und Gewürzen vorzufinden. Diese Art der Nahrungsmittelallergie wird in Abgrenzung zur primären Form – mit einer angenommenen hauptsächlichen Sensibilisierung über den Gastrointestinaltrakt – als sekundäre Nahrungsmittelallergie bezeichnet.1 Die Obstsorten, die am häufigsten bei der pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie beteiligt sind, gehören zur Familie der Rosazeae und Fagales, bei den Gemüsesorten sind Sellerie und Karotte aus der Apiaceae-Familie sowie Tomate und Paprika hervorzuheben (Tab.). Es wurden eine Reihe von typischen Assoziationen für solche Kreuzallergien beschrieben wie das Birken-Obst-Syndrom, das Sellerie-Birke-Beifuß-Gewürz-Syndrom, das Beifuß-Senf-Syndrom und andere. Die geografische Verteilung von Pollen und regionale Ernährungsgewohnheiten beeinflussen die Häufigkeit und die Entwicklung unterschiedlicher Formen der pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie.1 So ist eine Haselnussallergie in Nordeuropa meist auf eine Sensibilisierung auf das birkenpollenassoziierte Allergen Cor a 1 zurückzuführen, während im Mittelmeerraum eher Sensibilisierungen auf das Lipidtransferprotein Cor a 8 bestehen. Hierbei handelt es sich möglicherweise um eine kombinierte Sensibilisierung durch Pfirsichverzehr (als Kreuzreaktionen mit Pru p 3) und Pollen. Aufgrund der Vielzahl möglicher Pollen- und Nahrungsmittelsensibilisierungen mit teils noch unbekannten Allergenen gelingt es auch nicht immer, eine primäre Nahrungsmittelallergie sicher von einer sekundären abzugrenzen. Insgesamt hat die molekulare (komponentenaufgelöste) Allergiediagnostik in den vergangenen Jahren viel zum Verständnis der pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie beigetragen.[1]
Die klinischen Reaktionen einer sekundären Nah- rungsmittelallergie (NMA) können schon beim ersten Verzehr eines Nahrungsmittels auftreten, da die Sensibilisierung nicht über den Kontakt zu dem Nahrungsmittel, sondern über Pollenallergene erfolgt ist. Die Reaktion trifft den Patienten somit häufig völlig unerwartet. Die Symptome manifestieren sich typischerweise innerhalb weniger Minuten bis zu zwei Stunden nach dem Verzehr des Nahrungsmittels. Es kann dabei zur Reaktion an einem oder mehreren Zielorganen kommen, einschließlich der oralen Mukosa, der Haut, dem Gastrointestinaltrakt, Atemtrakt und kardiovaskulären System. Die oropharyngeale Kontakturtikaria, früher auch als orales Allergiesyndrom (OAS) bezeichnet, beschreibt auf die Mundhöhle und den Rachen beschränkte klinische Manifestationen. Typische subjektive Symptome sind orale Missempfindungen beziehungsweise Juckreiz an Lippen, Zunge, Gaumen, Ohren und/oder Kehlkopf, Gefühl der Schwellung und/oder Schluckbeschwerden. Zu den objektiven Zeichen können Lippen-/Zungenschwellung, Heiserkeit und/oder Larynxödem gehören. Bei einigen Patienten können zudem rote Flecken oder vorübergehende kleine Bläschen auf der Mundschleimhaut beobachtet werden. Die Beschwerden bilden sich meist innerhalb von 10 bis 30 Minuten zurück, jedoch können Patienten in der Folge auch systemische Reaktionen entwickeln. Das Organ Haut ist dabei am häufigsten betroffen, besonders in Form einer akuten generalisierten Urtikaria; Angioödeme und Flush treten seltener in Erscheinung. Auch respiratorische Symptome (zum Beispiel Atemnot, Peak-Flow-Abfall, Asthmaanfall) können infolge einer pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie auftreten. Gastrointestinale und kardiovaskuläre Symptome sind seltener und treten in der Regel nicht als alleinige Manifestation auf. Warum es bei einem Teil der Patienten neben lokalen Symptomen additiv zu systemischen Reaktionen kommt, ist nicht abschließend geklärt. Hier spielen die Bioverfügbarkeit des Allergens, der Sensibilisierungsgrad des Patienten und mögliche weitere Ko- oder Augmentationsfaktoren eine Rolle.[1] Bei Pollenallergikern kann die begleitende Nahrungsmittelallergie in der jeweiligen Pollensaison verstärkt in Erscheinung treten. Neben Soforttypreaktionen wurde auch die eosinophile Ösophagitis mit einer pollenassoziierten NMA in Verbindung gebracht und bei einer Untergruppe von Patienten mit atopischer Dermatitis kann es im Rahmen einer Pollensensibilisierung nach oraler Provokation mit den kreuzreaktiven Nahrungsmitteln zu einer vorübergehenden Ekzemverschlechterung kommen.
Die Diagnose einer Nahrungsmittelallergie hat für Patienten in der Regel eine große Bedeutung. Sie führt zum einen zu einer Einschränkung in der Lebensführung durch die notwendigen Diäten. Zum anderen ist sie in vielen Fällen mit einem ständigen Bedrohungsszenario verbunden, da plötzliche allergische Reaktionen, gegebenenfalls bis hin zu einer lebensgefährlichen Anaphylaxie, drohen. Bei einer Untersuchung von Patienten mit birkenpollenassoziierter Nahrungsmittelallergie zeigte sich eine klare Beeinträchtigung der Lebensqualität, die bei Frauen stärker ausgeprägt war als bei Männern und die zunahm mit der Anzahl der unverträglichen Lebensmittel, dem Alter und der Schwere der bisherigen Symptomatik. Hauptprobleme waren die generelle Sorge um die eigene Gesundheit sowie Angst vor einer plötzlich und unerwartet auftretenden allergischen Reaktion.[1]
Fazit
Der Großteil der IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien bei Erwachsenen basiert auf einer Sensibilisierung gegenüber Pollen mit anschließenden Reaktionen auf strukturverwandte, häufig instabile Allergene insbesondere in Obst (inklusive Schalenfrüchten), Gemüse und Gewürzen. Als häufigste Form von Kreuzallergien pollenassoziierter Nahrungsmittelallergien werden in Nordeuropa zumeist birkenpollenassoziierte Beschwerden beobachtet. Die Obstsorten, die am häufigsten zu Symptomen führen, gehören zur Familie der Rosazeae (zum Beispiel Äpfel, Kirschen) und der Fagales (Haselnuss). Ebenfalls hervorzuheben sind Reaktionen auf Leguminosen (zum Beispiel Erdnüsse, Soja) und auf die Gemüsesorten Sellerie, Karotte, Tomate und Paprika. Die klinischen Symptome der pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie können neben einer oropharyngealen Kontakturtikaria auch eine Beteiligung weiterer Organsysteme bis hin zum anaphylaktischen Schock umfassen. Die wesentlichen pflanzlichen Nahrungsmittelallergene gehören zu wenigen Proteinfamilien (Bet-v-1-Homologe, Profiline, Lipidtransferproteine, Speicherproteine und Thaumatin-artige Proteine). Die Diagnostik pollenassoziierter Nahrungsmittelallergie hat sich auch unter Einbeziehung der komponentenaufgelösten/molekularen Allergologie in den vergangenen Jahren stark erweitert und ermöglicht so einen sicheren Nachweis. Die Therapie umfasst eine diätetische Beratung und die Verordnung von Notfallmedikamenten. Zudem scheint eine allergenspezifische Immuntherapie auf kreuzreagierende Pollenallergene bei einem Teil der Patienten positive Aspekte auf die begleitende Nahrungsmittelallergie zu entfalten.
Der Autor
Prof. Dr. med. Ludger Klimek
Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen
Zentrum für Rhinologie und Allergologie
65183 Wiesbaden
[1] Klimek L, Werfel T, Vogelberg C, Weißbuch Allergie in Deutschland 2018; Springer-Verlag, Heidelberg