„Das wichtigste Bild, das ich bei allen Schilddrüsen-Vorträgen zuerst zeige, ist dieses“, startete Prof. Dr. med. Christian Wüster (Mainz) seinen Vortrag:
„Die Morphologie und die Funktionsstörung haben nichts miteinander zu tun. Es gibt keine Korrelation zwischen Schilddrüsengröße und der Funktion. Wir haben kleine, fiese Hitzwerge, sage ich immer, die eine Überfunktion machen. Wir haben dicke, fette Strumen mit einer Unterfunktion. Als Endokrinologen haben wir es oft mit Befindlichkeitsstörungen zu tun: zu dick, zu dünn, zu groß, zu klein, zu viel Haare, zu wenig Haare oder an den falschen Stellen, zu müde, zu aufgedreht und so weiter.“
Vor allem durch Publikumszeitschriften, Bücher und Social-Media-Kanäle getriggert sieht Wüster viele Patientinnen, die zu ihm kommen und sagen: „Ich habe Hashimoto“. „Die sind ganz verwundert, wenn ich ihnen sage: Das ist reversibel. Hashimoto ist kein Schicksal, es ist eine relative Erkrankung. Es kann zu einem leichten TSA-Anstieg kommen, was insbesondere in der Pubertät normal ist und auch nicht behandelt werden muss. Es kann gelegentlich zu einer Unterfunktion und noch mal seltener zu einer Überfunktion kommen.“ Im Ultraschall, so Wüster weiter, haben 80 % der Patientinnen keine Anzeichen von Hashimoto, sondern atrophische Autoimmunthyreopathien (AIT).
Ursachen sind oft negativer Stress (O-Ton Wüster: tote Eltern oder rausgeschmissener Ehemann), Veränderungen des Mikrobioms und möglicherweise genetische Prädisposition. Was sind die Auswirkungen? „Keine“, sagte Wüster. Ein leichter TSH-Anstieg ist ohne klinische Bedeutung. Der führt selten zu manifester Hypothyreose – meist erst nach Jahren – und noch seltener zu einer Hyperthyreose (M. Basedow).
Wüster fasste zusammen: Das Management einer AIT ist meist problemlos, regelmäßige Kontrollen (mind. TSH-Bestimmung) alle 4–12 Wochen sind bei unerfülltem Kinderwunsch, während der Schwangerschaft und postpartal bis zum Ende der Laktation angezeigt. Jodidgabe in der Pubertät und während der Schwangerschaft zum Schutz des Kindes. Und zum Gewichtsmanagement in der Postmenopause empfiehlt er statt Thyroxin Bewegung und Ernährungsumstellung.
Vortrag von Prof. Dr. med. Christian Wüster (Mainz)