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Kongress-Ticker

THC- und CBD-haltige Stoffe

Fehlende medizinische Standards bei Cannabinoiden

Steffen Robens

23.11.2022

Der Markt mit medizinischen Cannabinoiden floriert seit 2017. Der überwältigende Anteil der verfügbaren Wirkstoffe fällt jedoch nicht unter die On- oder Off-Label-Regelung. Schmerzmediziner Dr. med. Michael Überall (Nürnberg) kritisiert fehlende Standards.

Menschen mit Multipler Sklerose (MS) leiden an einer Vielzahl von Symptomen, die sie in ihrer Lebensqualität stark einschränken. Zu den schwersten Symp­tomen gehören Schmerzen, Spastik und Fatigue. Viele Patienten, deren Medikation keine ausreichende Symptomlinderung erzielt, erhoffen sich adäquate Linderung durch Cannabinoide.

Trotz einer rasch steigenden Zahl an Produkten auf dem Markt gibt es nur zwei Wirkstoffe, die eine Zulassung haben: Nabiximols und Nabilon. Nabiximols ist in Deutschland seit 2011 als add-on zur Symptomverbesserung bei erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Spastik aufgrund MS zugelassen, die nicht angemessen auf eine andere antispastische Arzneimitteltherapie angesprochen haben und die eine klinisch erhebliche Verbesserung der Symptome während eines Anfangstherapieversuchs mit Nabiximols aufzeigen. Es enthält Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) im Verhältnis 1 : 1 und wirkt muskelrelaxierend sowie analgetisch. Die psychoaktiven Effekte von THC werden durch die Zugabe von CBD neutralisiert. Appliziert wird das Fertigmedikament auf dem oromukosalen Weg (Spray). Nabilon ist zur Behandlung von chemotherapiebedingter Emesis und Nausea zugelassen.

No-Label-Anwendungen

Seit dem Cannabis-Gesetz aus dem Jahr 2017 gibt es neben On- und Off-Label- auch No-Label-Anwendungen. Darunter fallen in Deutschland aktuell 32 Teil- und Vollspektrumextrakte und 173 Blütentherapien.

Mehr Studien zur Bioverfügbarkeit erwünscht.

Überall kritisierte die No-Label-Produkte, weil sie keinen pharmakologischen Mindeststandard entsprechen. So ist es medizinischer Standard, Produktnamen nicht zu nennen. Allerdings schreiben viele Firmen ihre Produktnamen in die Sortenbezeichnung. „Das ist unfair, unseriös und nicht akzeptabel“, kommentierte Überall. Ein weiterer Punkt ist die Wirksamkeit. Zwar berichten Patienten über positive Wirkungen, aber Evidenz liegt dazu nicht vor. So sind die medizinischen Effekte, etwa der Terpene, nicht reproduzierbar.

Ebenfalls fragwürdig findet Überall die Anwendung von hoch dosiertem THC/CBD. Der Nürnberger Mediziner berichtete von einer Studie mit nicht naiven Cannabis-Konsumenten und einem Produkt mit einem THC-Gehalt von 7 %, die aufgrund starker kognitiver Nebenwirkungen abgebrochen werden musste. Die aktuell auf dem Markt verfügbaren Medikamente haben aber teilweise einen wesentlich höheren THC-Gehalt von bis zu 20 %. Überall vermisst Studien zur Bioverfügbarkeit. „So sollten wir keine Medizin betreiben“, bemängelte er.

Symposium „Spannungsfeld Medizinisches Cannabis – zwischen Erwartung, Erfahrung und Evidenz“ (Veranstalter: Almirall Hermal GmbH)

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