Chronische Nervenschmerzen beeinträchtigen die Lebensqualität Betroffener sehr stark. Behandler setzen bei der Schmerzlinderung mehr und mehr auf das Capsaicin-Pflaster. Dieses kann neben der Wirksamkeit damit punkten, dass es keine Nebenwirkungen zeigt und anwenderfreundlich ist.
Hochdosiertes Capsaicin in Pflasterformulierung wird zu Behandlung peripherer neuropathischer Schmerzen seit 2010 angewendet. Grundlage dafür war die Entdeckung des Capsaicin-Rezeptors durch den US-Physiologen Prof. Dr. David Jay Julius (San Francisco) kurz vor der Jahrhundertwende [1]. Julius erhielt dafür 2021 den Nobelpreis für Medizin (gemeinsam mit Prof. Dr. Ardem Patapoutian [San Diego]). Dieser wissenschaftlich TRPV1 (transient receptor potential cation channel subfamily V member 1) genannte Rezeptor, ein Transmembranprotein in Nervenzellen des zentralen und peripheren Nervensystems, gilt als wesentlicher Vermittler der Wahrnehmung schmerzhafter Reize. Daher ist er auch vielfach Studienobjekt bei der Entwicklung neuer Analgetika.
Nach Darstellung des Kieler Physiologen Prof. Dr. med. Ralf Baron handelt es sich um einen „elementaren Rezeptor“, der beim Menschen das Empfinden von Schärfe oder Brennen auslöst und zudem an der Regulation der Körpertemperatur beteiligt ist.TRPV1 wird durch Temperaturen über 42 °C, pH-Werte unter 5,9 sowie durch Säuren und Agonisten wie Capsaicin erregt. Julius klonierte ihn unter anderem aus stark Capsaicin-haltigen Chilischoten. Dieses natürlich vorkommende Alkaloid, das aus Pflanzen der Gattung Capsicum (z. B. Paprika und vor allem Chili) gewonnen wird, ist ein in den sensorischen Zellen des zentralen und peripheren Nervensystems von Wirbeltieren (aber nicht von Vögeln) vorkommender Ionenkanal. Bei Aktivierung durchdringen Calciumionen den Rezeptorkanal, sodass infolge der Membrandepolarisation ein Aktionspotenzial entsteht, das sich über die Nervenbahnen ausdehnt und als Schmerz wahrgenommen wird.
Schmerzreduktion unterschiedlich schnell
Therapeutisch werde durch die Verabreichung eines Capsaicin-Pflasters manchmal „schon eine Woche nach Anwendung“, meist aber erst später, eine Schmerzreduktion erreicht, berichtete Baron. Die Schmerzfasern degenerieren unter der Dauerreizung und gehen daran zugrunde. Das Alkaloid könnte, vor allem bei frühzeitiger und längerer Verwendung, möglicherweise sogar eine Krankheitsmodifikation zur Folge haben.
Eine neuere Untersuchung (QUEPP-Studie) belegt nach Ansicht des niedergelassenen Wiesbadener Arztes PD Dr. med. Uwe Kern unterschiedlich schnelle Wirkungen bei den Patienten und vermutlich bei längerer Therapie günstigere Ergebnisse. In seiner Praxis gab eine seiner Patientinnen an, dass bereits nach zwei Tagen der Schmerz verschwunden sei. Sie sprach von einem „Effekt wie beim Lichtschalter“. Eine weitere Kasuistik – Herpes zoster mit schwersten Schmerzen im Gesicht und Suizidgefahr – zeigte nach 13 Anwendungen Erfolg, eine Rückenschmerzbehandlung im Ramus dorsalis nach elf Versuchen.
Caterina AJ et al., Nature 1997; 389: 816–824
Symposium „Fighting fire with fire. Neue Erkenntnisse zur Therapie von peripheren neuropathischen Schmerzen mit hochdosiertem Capsaicin“ (Veranstalter: Grünenthal GmbH)