Durch die Zunahme an Flüchtlingen und Migranten steigt in Deutschland die Inzidenz von ursprünglich nicht heimischen Erkrankungen wie dem seltenen familiären Mittelmeerfieber. Bis zur Diagnosestellung vergehen aber oftmals Jahre – nicht zuletzt aufgrund kultureller Barrieren zwischen Ärzten und Betroffenen.
Das familiäre Mittelmeerfieber (FMF) stellt eine monogene autoinflammatorische Erkrankung aus der Gruppe der hereditären periodischen Fiebersyndrome dar. Je nach Mutation kommt es zu unterschiedlich hohen Sekretionsraten des zentralen Entzündungsmediators Interleukin(IL)-1ß und somit zu verschiedenen Krankheitsausprägungen, deren schwerste sich bei homozygoter M694V-Mutation findet. Auch modifizierte Genvarianten und Umweltfaktoren haben einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf, erläuterte Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Schwarting (Mainz, Bad Kreuznach).
Neue Klassifikationskriterien
Klinisch geht das homozygote FMF meist mit hohem Fieber für 1–3 Tage, gefolgt von Bauch- und Brustschmerzen (durch Peritonitis, Pleuritis, Perikarditis) und Monoarthritis einher. Träger heterozygoter Mutationen, 12–34 % der FMF-Patienten, können ebenfalls (oft unspezifische) Symptome zeigen und eine Assoziation mit inflammatorischen Erkrankungen wie Colitis ulcerosa oder ankylosierender Spondylits aufweisen, aber auch mit schweren Verläufen, z. B. einer rheumatoiden Arthritis, einhergehen. Liegen genügend klinische Symptome vor, kann die Diagnose der FMF gemäß der neuen Klassifikationskriterien jetzt auch ohne Nachweis einer Mutation gestellt werden [1]. „Mit Colchicin als Mittel der Wahl und Interleukin-1-Antagonisten bei refraktären Verläufen haben wir gute Medikamente, um die Entzündung zu kontrollieren“, betonte Schwarting.
Fallstricke bei der Diagnosestellung
Die uneinheitliche Symptomatik heterozygoter Träger und fehlende Entzündungszeichen zwischen den Schüben führen zu diagnostischer Unsicherheit, und nicht selten besteht eine kulturelle Barriere zwischen Ärzten und Erkrankten, denen oftmals eine Hyperalgesie und ein überbetontes Darstellen ihrer Symptome bescheinigt wird.
Der türkische Arzt Tip Dr. M. Serdar Cantez (Wiesbaden) berichtete von eigenen Erfahrungen im Umgang mit seinen Landsleuten. „Wir ticken einfach anders.“ Trotzdem bilden türkische Patienten nicht eine Entität, sondern ein diverses Spektrum, so Cantez weiter. Es sei enorm wichtig, den Patienten gegenüber Verständnis zu vermitteln. Unkenntnis des Behandlers und Scham auf Seiten des Patienten bei Themen wie Medikamenteneinnahme während des Ramadans oder Angst vor schweinehaltigen Komponenten in Medikamenten können zu Kommunikationsdefiziten und mangelnder Therapieadhärenz führen.
Auch fällt die Einordnung subjektiver und objektiver Angaben des Patienten nicht immer leicht. „Das Führen eines Fieberprotokolls ist für mich daher extrem wichtig“, so Cantez. Um eine Odyssee bei der Diagnosefindung zu vermeiden, steht Niedergelassenen das CeSER (Centrum für Seltene Erkrankungen) in Bochum mit seiner Expertise zur Seite. Unter www.se-atlas.de finden sich weitere Zentren für seltene Erkrankungen.
Gattorno et al., Ann Rheum Dis 2019; 78: 1025–1032
Industriesymposium „Familiäres Mittelmeerfieber: Eine Frage der Kultur?“ (Veranstalter: Novartis Pharma GmbH)