Europäische Fachgesellschaften aus Dermatologie und Onkologie haben ihre interdisziplinäre Leitlinie zum Merkelzell-Karzinom (MCC) überarbeitet. Während Operation und Bestrahlung bei dem seltenen und aggressiven Hautkrebs weiter Vorrang haben, werden für fortgeschrittene Tumoren vermehrt Immuntherapien geprüft.
Das MCC macht weniger als 1 % der malignen Hauttumoren aus, wird aber zunehmend häufiger beobachtet und wächst aggressiv. 26 % der Patienten haben bereits bei Diagnosestellung Lymphknoten- und 8 % Fernmetastasen. Die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate rangiert zwischen 48 und 63 %. Dabei haben durch UV-Licht induzierte MCC eine schlechtere Prognose als die durch das Merkelzell-Polyomavirus (MCPyV). Als weitere wichtige Risikofaktoren listen das European Dermatology Forum (EDF), die European Association of Dermato-Oncology (EADO) und die European Organisation of Research and Treatment of Cancer (EORTC) im Update ihrer Diagnose- und Therapieleitlinie höheres Alter, männliches Geschlecht und Immunsuppression, etwa durch HIV/AIDS, hämatologische Malignome oder Organtransplantationen auf. Im Median sind die Patienten bei Erstdiagnose 77 Jahre alt. Die Tumoren manifestieren sich typischerweise als schnellwachsende, derbe, schmerzlose, hautfarbene oder rote Knoten oder Plaques. Meist entstehen sie in sonnenexponierten Hautarealen. Dermatoskopisch erkennt man oft ein polymorphes Gefäßmuster.
Wegen der Verwechslungsgefahr mit Entzündungen oder anderen Tumoren ist eine histopathologische Untersuchung einschließlich Immunhistochemie erforderlich. Wichtig sind der Nachweis von Cytokeratin 20 (CK20) und das Fehlen von Thyroid Transcription Factor-1 (TTF-1), der sich zur Abgrenzung von Hautmetastasen eines kleinzelligen Lungenkarzinoms eignet. Da ein Lymphknotenbefall der wichtigste unabhängige Prognosefaktor ist, ist immer eine Sentinel-Lymphknoten-Biopsie angezeigt, sofern Klinik und Bildgebung nicht ohnehin auf einen Befall hindeuten. Das Tumorstaging erfolgt nach der TMN-Klassifikation des American Joint Committee on Cancer/Union for international Cancer Control, 8. Ausgabe. Therapie der Wahl bei lokalisiertem MCC ist die Resektion. Dabei empfiehlt die Leitlinie einen Sicherheitsabstand von mindestens 1 cm mit postoperativer Bestrahlung. Da es sich bei MCC um hochimmunogene Tumoren handelt, bei denen etwa die Hälfte der Zellen Programmed Death-Ligand 1 (PD-L1) exprimieren, sollten bei fortgeschrittener Erkrankung primär Anti-PD-(L)1-Antikörper angeboten werden. Chemotherapien sind wegen des im indirekten Vergleich schlechteren Ansprechens und der Toxizität zweite Wahl. Wenn möglich, wird für die Immuntherapie der Einschluss in Studien empfohlen, die sich z. B. in der Leitlinie finden.
Gauci ML et al., Eur J Cancer 2022 Aug; 171: 203–231, doi: 10.1016/j.ejca.2022.03.043