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Gynäkologie

Präventionskonzepte gefragt

Osteoporose-Prävention ist ein klassisch gynäkologisches Thema

Interview mit Prof. Dr. med. Peyman Hadji

14.4.2023

Bei der interdisziplinären Indikation Osteoporose stellt sich die Frage: Wer kümmert sich eigentlich um die Prävention? Der Hausarzt? Der Internist? Der Orthopäde? Das kann keiner von denen leisten, sagt Prof. Dr. med. Peyman Hadji. Für ihn ist die Osteoporose-Prävention ein klassisch gynäkologisches Thema.

Herr Hadji, Osteoporose zählt zu einer der gesundheitsökonomisch relevantesten Erkrankungen. Man geht von rund 6 Millionen Betroffenen allein in Deutschland aus. Trotzdem ist das Thema viel weniger in den Medien präsent als Diabetes, Adipositas und KHK. Wie kommt das?

Nun, die Tatsache, dass es viel weniger in den ­Medien präsent ist, hängt vor allem damit zusammen, dass viele Fachrichtungen an der Osteoporose beteiligt sind: die Internisten, die Gynäkologen, aber genauso gehört das Thema in die Orthopädie, in die Radiologie, in die Nuklearmedizin und in die Hausarztpraxis. Das heißt, dass es eine Erkrankung ist, die aus jedem Blickwinkel etwas anders aussieht und mit der sich viele Disziplinen beschäftigen. Und das macht es so schwierig, weil wir nicht eine Gruppe sind, die eine Lobby hat, sondern viele Gruppen und in jeder Facharztgruppe sind wir nur eine kleine Minderheit.

Es ist ja bekannt, dass Alter ein wichtiger Risikofaktor ist, gerade auch für die sogenannten niedrig traumatischen Frakturen. Wann sollte man mit einer Basisdiagnostik beginnen?

Das Alter ist in der Tat ein starker Risikofaktor, weil viele andere Risikofaktoren mit dem Alter zunehmen. Die Leitlinie sagt Folgendes: Wenn einer von 30 Risiko­faktoren vorliegt, dann ist abhängig vom Alter, bei Frauen über 50, bei Männern über 60, das Risiko erhöht. Und dann sollte man eine Basisdiagnostik durchführen.

Auf welche weiteren Risikofaktoren ist denn besonders zu achten?

Wichtig sind neben dem Alter und dem Geschlecht die Vorschädigungen. Wenn bereits osteoporose­bedingte Frakturen stattgefunden haben, ist das der stärkste Risikofaktor überhaupt. Dann gibt es medika­mentöse Therapien für viele Erkrankungen – Chemotherapien bei Krebs, die Cortisontherapie bei entzündlichen Erkrankungen oder die Insulintherapie beim Diabetes mellitus –, die zu einer massiven Erhöhung des Frakturrisikos führen können.

Die Diagnostik reicht von einfachen Laborparametern bis zur DXA. Wie viel Aufwand sollte man wann betreiben?

Zur Basisdiagnostik gehört zunächst mal eine Knochendichtemessung mittels DXA. Wenn diese Messung pathologische Werte zeigt und wenn Risikofaktoren vorliegen, dann sollte man noch ein Basislabor durchführen. Das dient dazu, sekundäre Formen auszuschließen. Nur darum geht es beim Labor, um dann eine passende Behandlung einzuleiten, die hilft, das Risiko zu minimieren.

Nun sind Sie Gynäkologe und nicht Orthopäde. Warum leiden Frauen deutlich häufiger als Männer an einer Osteoporose?

Dass Frauen deutlich häufiger und länger erkranken, liegt zum einen darin, dass Frauen älter werden als Männer. Und je älter ein Mensch wird, desto größer ist grundsätzlich sein Risiko, an Osteoporose zu erkranken. Warum Frauen häufiger? Durch den Wegfall der Estrogenproduktion verlieren die Frauen nach der Menopause physiologischerweise Knochenmasse, 1 bis 2 % pro Jahr. Männer verlieren auch, aber viel weniger. Und ­Männer bauen meistens in ihrem Leben in jüngeren Jahren mehr Knochendichte auf als Frauen, sodass sie von einem höheren Niveau aus weniger verlieren und deshalb insgesamt auch seltener an Osteoporose erkranken.

Den Zusammenhang zwischen Hormonen und Osteoporose spiegelt ja auch schon der Name Ihres Zentrums wider. Hormon- und Osteoporosezentrum. Welchen Nutzen können Hormone denn für die Knochen haben?

Nun, eine Frau vor den Wechseljahren hat eigentlich keine Knochenprobleme, das ist eine Rarität. Das heißt, vor den Wechseljahren schützt das Estrogen die Frauen vor Osteoporose. Das täte es nach den Wechseljahren genauso. Ich habe heute eine Patientin in der Sprechstunde, die hat seit 17 Jahren eine Hormonersatztherapie durchgeführt und die Knochen entsprechen im Prinzip denen einer 30-Jährigen.

Neben diesen unstrittigen Vorteilen gibt es ja nun auch ein paar Gefahren der HRT. Und seit Jahren wird über Sinn und Evidenz diskutiert. Wie bewerten Sie als Gynäkologe denn generell den Nutzen und die Risiken der Hormonersatztherapie?

Also erst mal gibt es keine Verpflichtung für eine Frau, Hormone einzunehmen. Das ist eine Willensentscheidung. Und dafür sollte es Gründe geben. Etwa Wechseljahresbeschwerden, die den Schlaf beeinträchtigen oder die Frauen sehr stark in ihrem Berufsfeld beeinflussen. Wenn die Patientin einen Leidensdruck hat, dann sollte man ihr das nicht verwehren. Wenn Patientinnen keine Gebärmutter haben, brauchen sie nur Estrogene, keine Gestagene. Und die WHI-Studie hat gezeigt, dass diese Frauen weniger Herzinfarkte und Schlaganfälle haben und dass sie seltener Diabetes bekommen. Auch Gelenkersatz ist seltener. Und Osteoporose ist ­natürlich auch wesentlich seltener.

Das heißt, bei Frauen ohne Gebärmutter überwiegen die Vorteile die Nachteile so dramatisch, dass man das guten Gewissens empfehlen kann. Und das Brustkrebsrisiko steigt in dieser Situation nicht. Mit einer transdermalen Therapie hat man auch kein erhöhtes Thromboserisiko. Bei der Kombinationstherapie kommt nach etwa vier bis fünf Jahren ein leicht erhöhtes Brustkrebsrisiko dazu. Das muss man mit den Patienten diskutieren und dann ist es die Entscheidung der Frau.

Zugelassen ist die HRT für vasomotorische Beschwerden. Welchen Frauen konkret würden Sie denn zu einer HRT als Osteoporose-Prophylaxe raten?

Ich würde es allen Frauen raten, die Wechseljahresbeschwerden haben, die sie in ihrem täglichen Alltag so beeinträchtigen, dass sie diese schnell und zuverlässig reduzieren oder verhindern wollen. Dazu gibt es für mich auch die Indikation bei jüngeren Frauen, also Frauen um die 50 bis 55 Jahre, die ein erhöhtes Osteoporoserisiko haben, weil die Estrogene ja physiologischerweise die Behandlung der ersten Wahl sind. Und Studiendaten haben ja gezeigt, dass sie eindeutig vor Brüchen schützen. Selbst wenn ein Osteoporoserisiko nicht erhöht ist, also eine primäre Prävention.

Ich hatte heute eine Patientin in der Sprechstunde, die ist Sportlerin und hat seit sechs Jahren keine Regelblutung mehr gehabt. Die ist jetzt 24. Das heißt, diese junge Frau wird von Estrogen natürlich profitieren. Sie ist Marathonläuferin und will die Hormonersatztherapie durchführen, weil sie bereits Ermüdungsbrüche hatte, die durch den chronischen Estrogenmangel mitbedingt sind. Das heißt, auch bei jungen Frauen gibt es Indikationen, wo ich das gerne vorschlage.

Was kann man außer Hormonen tun, um Osteoporose vorzubeugen?

Hormone sind ja nur Teil einer Präventionsstrategie. Und diese Präventionsstrategie muss grundsätzlich also calciumreiche Ernährung beinhalten – entweder über Nahrungsmittel oder über ein calciumreiches Mineralwasser.

Eine Vitamin-D-Supplementation ist in aller Regel notwendig, weil nach der deutschen Verzehrsstudie 80 % der Deutschen unabhängig vom Alter, vom Geschlecht und von der Jahreszeit im Mangel sind. Das betrifft Junge wie Alte. Eine Vitamin-D-Supplementation ist einfach durchzuführen, da kann man zum Discounter gehen und das billigste Vitamin D nehmen. Solange es hoch genug dosiert ist, ist es vollkommen in Ordnung. Und das kann man beim Arzt durch die Laborkontrolle untersuchen.

Dann gehört Bewegung ganz essenziell dazu. Denn ein Knochen, der nicht bewegt wird, wird abgebaut. Das heißt, die drei Elemente Calcium, Vitamin D und Bewegung sind die Grundvoraussetzung für eine effektive Osteoporose-Prävention. Eine Hormonersatztherapie wäre ein vierter Baustein, den man einfügen könnte. Aber auch andere Osteoporose-Medikamente, wenn das Risiko hoch genug ist.

Wer spricht denn mit den Frauen über solche Themen? Der Hausarzt? Der Orthopäde? Oder nur der Gynäkologe, obwohl es ja kein originär frauenheilkund­liches Thema ist?

Sehen Sie, das sehe ich ganz anders. Ich glaube, dass Osteoporose ein originäres Frauenheilkunde-Thema ist. Warum? Der physiologische Wegfall der Hormone durch die Menopause führt bei den allermeisten Patientinnen ja erst dazu, dass es überhaupt zur Osteoporose kommt.

Und deshalb ist es ein originär gynäkologisches Problem. Wer berät die Patientin? Das sollten natürlich die Frauenärztinnen und Frauenärzte sein, denn die haben die Patientin zur richtigen Zeit in der Praxis, zur Krebsvorsorge, zur Hormonberatung usw. Zum Hausarzt gehen diese Patientinnen ja nur, wenn sie ein Problem haben. Und der Hausarzt hat so viele Patienten, dass er sich nicht auch um Osteoporose-Prävention kümmern kann und will. Und Orthopäden tun das eigentlich nur, wenn bereits Brüche da sind. Dann ist die Prävention ja schon längst obsolet. Dann sind wir schon bei der Sekundärprävention.

Das heißt, die Orthopäden werden das in aller Regel auch nicht tun. Und da bleibt eigentlich nur die Gynäkologie als große Gruppe, die diese Frauen zur richtigen Zeit am richtigen Ort in ihrer Praxis haben. Und die sowieso Präventionsmediziner par excellence sind. Denn Schwangerschaftsvorsorge oder Krebsvorsorge ist ja gelebte Präventionsmedizin und die Osteoporose-Vorsorge gehört einfach als zusätzlicher Pfeiler dazu.

Ein schönes Schlusswort. Herr Prof. Hadji, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Eine Audio-Version des Interviews mit Prof. Hadji finden Sie hier als Podcast  

Der Autor

Prof. Dr. Peyman Hadji
Frankfurter Hormon- und ­Osteoporosezentrum

willkommen@hormon-osteoporosezentrum.de

Bildnachweis: privat

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