Konservative Therapiemaßnahmen führen bei chronischen Rückenschmerzen nicht immer zum Erfolg. Betroffene arrangieren sich dann entweder mit den Dauerschmerzen oder versuchen, diese durch Arzt- und Präparatewechsel in den Griff zu bekommen. Für sie können invasive Verfahren der interventionellen Radiologie hilfreich sein.
Wenn Schmerzen nicht mehr nur akut auftreten, sondern über einen längeren Zeitraum (mehr als drei Monate) anhalten oder häufig wiederkehren, spricht man von „chronischen Schmerzen“. Deutschlandweit sind etwa 15 Millionen Menschen betroffen, etwa fünf Millionen davon fühlen sich dadurch in ihrem Alltag und in ihrer Lebensqualität stark beeinträchtigt. Diese Dauerschmerzen werden aufgrund ihres Entstehungsprozesses bzw. ihrer Symptomatik als eigenes Krankheitsbild angesehen, dem teilweise klare Ursachen zugrunde liegen, teilweise aber auch nicht. Rückenbeschwerden oder Schmerzen infolge eines Bandscheibenvorfalls gehören zu den weitläufig bekannten Ausprägungen wie auch Knie-, Hüft- oder Leistenprobleme sowie wiederkehrende Kopfschmerzen oder Migräne.
Bevor eine passende Therapiemaßnahme gewählt werden kann, muss der Ursprung der Schmerzen identifiziert werden. Im Zusammenhang mit der Diagnostik und der Therapie einer chronischen Schmerzerkrankung spielt die radiologische Bildgebung eine entscheidende Rolle. Denn nur durch die Kombination eines ausführlichen Anamnesegesprächs mit einem Patienten – über dessen Lebensgewohnheiten, Belastungen, Sorgen oder Verletzungen in der Vergangenheit etc. – mit präzisen Bildern kann eine genaue Lokalisation des Schmerzherdes erfolgen.
Die Ursachen chronischer Rückenschmerzen können äußerst vielfältig sein. Häufig entstehen sie infolge physischer Ursachen, beispielsweise durch Gelenkentzündungen, Bandscheibenvorfälle, Sport- oder Unfallverletzungen oder andere körperliche Traumata. Des Weiteren tragen degenerative Erkrankungen wie Arthrose, Osteoporose oder Rheuma dazu bei. Aber auch Stoffwechselstörungen wie Diabetes oder auch Krebs können der Grund für ein dauerhaftes, langanhaltendes Schmerzempfinden sein. Allen gemein ist, dass der Körper Gefahr laufen kann, sich diese Schmerzen sozusagen „einzuprägen“ und sie dadurch zu chronifizieren. Um die Entstehung chronischer Schmerzen zu verstehen, muss man einen Blick auf das menschliche Nervensystem werfen: Schmerzen sind Signale der Nerven, die auf eine Gewebeschädigung hinweisen. Dabei schicken die Nerven von der geschädigten Körperstelle Informationen in Form von Reizen über das Rückenmark ins Gehirn. Sie lassen nach bzw. verschwinden, wenn die Gewebestelle wieder abgeheilt ist. Forschungen zeigten, dass sehr starke oder langanhaltende Schmerzreize aus dem betroffenen Gewebe die weiterleitenden Nerven von Rückenmark und Gehirn für nachfolgende Reize empfindlicher machen können. Das hat zur Folge, dass schon leichte Berührungen, sanfter Druck oder auch geringe Temperaturunterschiede als schmerzhaft empfunden werden können. Es entsteht ein sogenanntes Schmerzgedächtnis, das aus einer Art Lernvorgang – vornehmlich der Rückenmarksnerven – resultiert, sich verfestigt und insgesamt zu einer gesteigerten Empfindlichkeit und einem dauerhaften Schmerzempfinden führt.
Chronische Rückenschmerzen können auch rein psychisch bedingt sein oder aber körperlichen Ursprungs mit psychischer Komorbidität, und zwar unabhängig von Geschlecht und Alter. Es gibt jedoch gewisse Risikofaktoren, die deren Entstehung begünstigen. Dazu zählen vor allem langanhaltender Stress und Anspannung, schwere schmerzhafte Ereignisse in der Vergangenheit – physischer oder psychischer Natur –, permanentes Überschreiten der eigenen Belastungsgrenze, eine unzureichende Behandlung einer Verletzung oder Probleme im sozialen und familiären Umfeld. Die Schmerzen äußern sich dann häufig in Form von Rücken- oder Kreuzschmerzen, als Muskel-, Sehnen- oder Gelenkschmerzen oder als Migräne.
Für die Therapie chronischer Rückenschmerzen sind konservative Maßnahmen, wie Muskelaufbau und Stabilisation des Bewegungsapparates durch gezielte Physiotherapie, Osteopathie und Krankengymnastik, oder die Gabe von Medikamenten, also bestimmte Entzündungshemmer oder Schmerzmittel, die erste Wahl. In seltenen Fällen greifen diese aber nicht. Dann können Behandlungsmethoden aus dem Bereich der interventionellen Radiologie zum Einsatz kommen. Diese invasiven Methoden, sogenannte Infiltrationen, werden jedoch immer erst in Betracht gezogen, wenn konservative Maßnahmen auch nach längerer Anwendung nicht greifen oder nicht möglich sind. Denn auch wenn die bildgebungsgestützten Therapien dank Spitzentechnologie für den Patienten heutzutage äußerst schonend sind und teils sogar ohne örtliche Betäubung durchgeführt werden, sind es doch – wenn auch minimale – Eingriffe in den Körper. Als ebenso innovativer wie anspruchsvoller Teilbereich der diagnostischen Radiologie nutzt die interventionelle Radiologie bildgebende Untersuchungsverfahren, um gezielt und hochpräzise therapeutische und diagnostische Eingriffe vornehmen zu können. Im Fall chronischer Schmerzen können mit einer entsprechenden schmerztherapeutischen Maßnahme zum Beispiel Gelenkentzündungen, Nervenwurzelreizungen oder -entzündungen sowie auch Abnutzungserscheinungen im Bereich der Wirbelsäule ideal behandelt werden – und zwar schonend, minimal-invasiv und ambulant. Zu solchen Verfahren, die gezielt (chronische) Rückenschmerzen behandeln, zählen unter anderem die Periradikuläre Therapie (PRT), die Facetteninfiltration oder auch die CT-gesteuerte epidurale Umflutung, die sich durch eine hohe Wirksamkeit auszeichnen.
Bei der PRT handelt es sich um eine CT-gesteuerte Nervenwurzelbehandlung, die bei jeglichen chronischen (oder akuten) Nervenwurzelreizsyndromen angewendet wird. Diese sind meist Folge eines Bandscheibenvorfalls und/oder einer Einengung der Nervenwurzeln nach degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, wie etwa einer Spinalkanalstenose. Weitere Indikationen für eine PRT sind Nervenwurzelkompressionen durch einen lumbalen Bandscheibenvorfall oder auch die Schmerzausstrahlung über eine bestimmte lumbale Nervenwurzel (monoradikuläres Schmerzsyndrom). Bei der PRT wird mithilfe der Bildsteuerung eine dünne Injektionsnadel bis in unmittelbare Nähe der Nervenwurzel vorgeschoben, sodass die notwendigen Medikamente (i. d. R. ein kristalloides Cortisonpräparat) zur Behandlung der erkrankten Nervenwurzel genau an den betroffenen Nerv gespritzt werden können. Bei den Injektionen werden zusätzlich Lokalanästhetika um den Nerv herum injiziert – dadurch lässt der Schmerz meist sofort nach. Ist dies nicht der Fall, erfolgt zusätzlich noch die topische Applikation eines Phytokomplexes aus Ringelblume, Kamille, Hamamelis, Eisenhut u. ä.
Die Facettengelenksinfiltration oder auch „Infiltration der kleinen Wirbelgelenke“ wird hauptsächlich bei schmerzhaften Abnutzungserscheinungen an den kleinen Wirbelgelenken – den Verbindungsstellen zwischen den einzelnen Rückenwirbeln – eingesetzt. Indikationen für das schmerztherapeutische Verfahren sind zum Beispiel langanhaltende, tieflumbale Kreuzschmerzen ohne sensomotorische Defizite, anhaltende Nacken- oder Brustwirbelsäulenschmerzen oder eine gürtelförmige Schmerzausstrahlung. Treten bei Patienten Kreuzbeinschmerzen auf, die keinem Segment zugeordnet werden können, ist die Facettengelenksinfiltration gleichermaßen hilfreich, genauso wie bei Arthrose der kleinen Wirbelgelenke (Facettengelenksarthrose). Durch eine gezielte Therapie der Facettengelenke bzw. der Blockade der versorgenden Nerven an den Facettengelenken kann mit einer effizienten unterstützenden Therapie der Rückenschmerzen begonnen werden, bei der unter MRT- oder CT-Bildsteuerung eine dünne Injektionsnadel bis zu den Facettengelenken vorgeschoben und Medikamente eingespritzt werden (s. Abb.)
Die CT-gesteuerte epidurale Umflutung ähnelt in ihrer Durchführung einer PRT. Die Medikamente werden dabei direkt in den sogenannten Epiduralraum, also den Spalt im Bereich des Rückenmarks bzw. des Spinalkanals, in der schmerzenden Region injiziert, um der gereizten Nervenwurzel und dem Bandscheibenvorfall so nah wie möglich zu kommen und ein Gemisch aus Lokalanästhetika und Cortison in kleinster Dosierung genau dort zu verabreichen, wo der Schmerz sitzt. Das Ganze geschieht unter CT-gesteuerter Bildgebung. Indikationen für eine epidurale Umflutung sind akute, ausstrahlende Schmerzen durch einen Bandscheibenvorfall, ein chronisches Schmerzsyndrom durch eine Nervenwurzelreizung oder auch das Postnucleotomiesyndrom, also auftretende Schmerzen nach einer erfolglosen Bandscheibenoperation.
Neben den beschriebenen Verfahren stellt die interventionelle Radiologie noch zahlreiche weitere Verfahren zur Verfügung, die auch bei einer chronischen Schmerzerkrankung im Knie, in der Schulter, in der Hüfte oder der Leiste angewendet werden können. Alle diese Verfahren sind dabei äußerst schonend für die Patienten und werden in der Regel ambulant durchgeführt. In den meisten Fällen bewirken sie eine sofortige Schmerzlinderung und befreien die Patienten häufig sogar dauerhaft von der chronischen Schmerzerkrankung. Gesünder ist es jedoch, akute Schmerzen gar nicht erst chronisch werden zu lassen bzw. die Entwicklung eines Schmerzgedächtnisses zu verhindern. Dem lässt sich effizient mit einer gesunden Lebensführung vorbeugen – ausreichend Bewegung, Verzicht auf Nikotin und andere Genussmittel, eine gesunde Ernährung und das Vermeiden von anhaltendem Stress. Wichtig ist auch, auf seinen Körper zu hören sowie akute Schmerzen und Erkrankungen von einem Facharzt ausreichend behandeln zu lassen.
Der Autor
Prof. Dr. med. Martin Mack
Facharzt für Diagnostische Radiologie
Radiologie München
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